Open Menu
Open Menu
 ::

Mini ist auch nur ein Name: Mit dem neuen Countryman wächst der Bonsai-BMW gar vollends über sich hinaus

Published in motosound.de

Sebastian Mackensen weiß, dass er den Traditionalisten unter den Mini-Fans in den letzten Jahren einiges zugemutet hat. Denn so richtig „mini“ sind die Minis natürlich nicht mehr. Zumindest nicht, wenn man den Zollstock anlegt. „Doch Mini ist nicht nur eine Frage von Metern“, sagt der Markenchef mit Blick auf das einzigartige Design, das augenzwinkernde Ambiente oder das knackige Fahrverhalten der britischen BMW-Ableger. Und die Zahlen geben ihm offenbar recht. Denn selbst vom Countryman, mit dem die Briten die Marke 2010 am bislang weitesten gespreizt hatten, haben sie über 500 000 Exemplare verkauft und zugleich den Weg auf Märkte wie China oder die USA geebnet, wo ein bisschen mehr Platz und Bodenfreiheit gerne genommen werden. Dieser Erfolg hat Briten und Bayern Mut gemacht, die Marke buchstäblich noch etwas weiter zu dehnen.

Wenn im Februar zu Preisen ab 26 500 Euro die zweite Auflage des Countryman an den Start geht, wächst das Landei deshalb buchstäblich über sich hinaus, geht noch einmal 20 Zentimeter in die Länge und wird mit 4,30 Metern zum bislang größten Mini in der Geschichte – und zum praktischsten. Denn dank fast sieben Zentimetern mehr Radstand kann man jetzt zum ersten Mal in einem Mini auch im Fond ganz ordentlich sitzen. Und wenn die elektrische Heckklappe aufschwingt, blickt man in einen Kofferraum von soliden 450 Litern. Wem das nicht reicht, der kann die Rückbank erst um bis zu 13 Zentimeter verschieben oder gleich umklappen und das Ladevolumen so auf bis zu 1 390 Liter erhöhen. Damit wird der Alltag nicht mehr zwingend zum Abenteuer. Und genau darum ist es dem Team beim Generationswechsel gegangen: Denn kompakte SUV gibt es wie Sand am mehr. Manche sind praktisch, manche sind pfiffig. „Aber der Countryman ist der einzige, der praktisch und pfiffig ist“, sagt Mackensen.

Nicht nur im Format hat sich der neue Countryman weiter vom Mini entfernt als je zuvor. Sondern auch das Fahrverhalten ist beim besten Willen nicht mehr mit dem Original vergleichbar. Zwar ist der aufgebockte Fünftürer ziemlich straff abgestimmt, hat eine sehr direkte Lenkung und hängt gierig am Gas. Erst recht als Cooper S mit seinem 192 PS starken Zweiliter-Turbo, der mit wütendem Knurren 280 Nm mobilisiert und so kräftig am Boden scharrt, dass man dankbar für den elektronisch geregelten Allradantrieb ist. Sonst wäre der Spurt von 0 auf 100 kaum in 7,3 Sekunden kaum zu schaffen. Und natürlich fühlt er sich ein bisschen giftiger an als der Zweier Active Tourer, mit dem er sich die Plattform teilt. Doch bei aller Mühe beim Set-up ist er vom typischen Go-Kart-Feeling meilenweit entfernt. Das Auto ist einfach zu schwer und zu sperrig, als dass man mit ihm noch um die Ecken räubern möchte. Aber dafür fühlt es sich mittlerweile so erwachsen an, dass man mit ihm stundenlang ohne Ermüdung fahren kann und auch vor einer Urlaubsreise nicht zurückschreckt. Selbst wenn die in den Schnee oder den Schlamm führt – wofür hat man schließlich Allradantrieb und ein paar Millimeter mehr Bodenfreiheit.

Deshalb sind es auch nicht der Cooper S oder gar der noch einmal auf 231 PS aufgebohrte und zum Sommer avisierte John Cooper Works, die beim Countryman Schlagzeilen machen. Selbst wenn das Spitzentempo dann auf 234 km/h steigt. Und für den vorläufigen Basisbenziner mit 136 PS für den Cooper interessiert sich zumindest in Deutschland auch niemand. Sondern viel wichtiger sind die beiden Diesel mit 150 PS im Cooper D oder 190 PS im Cooper SD, mit denen der Verbrauch auf dem Prüfstand auf bis zu 4,3 Liter sinkt.

Wem selbst das noch zu viel ist, der bekommt den Countryman bald als ersten Mini mit elektrifiziertem Antrieb. Der stammt, wie übrigens auch die anderen Motoren, die Achtgang-Automatik und der effizientere Allrad-Antrieb vom braven Plattformbruder Active Tourer und kombiniert den 136 PS starken Dreizylinder-Benziner im Bug mit einem E-Motor an der Hinterachse zu einer Systemleistung von 224 PS. Aber man kann mit dem Teilzeitstromer nicht nur flotter beschleunigen als mit den anderen Modellen, sondern auch bis zu 40 Kilometer weit rein elektrisch Fahren und so den Verbrauch theoretisch auf 2,1 Liter drücken. So wird der größte Mini aller Zeiten zugleich auch zum sparsamsten.

Dass sich der Countryman trotzdem irgendwie nach Mini anfühlt, liegt vor allem am Design, das außen irgendwie an einen Kaugummi-Automaten auf Rädern erinnert und innen verspielt ist wie eh und je. Denn auch wenn das große Pfannkuchen-Display jetzt endlich auf einen Fingerzeug reagiert, sich die Schalter wertiger anfühlen und man überall ein paar Ablagen findet, sieht auch dieser Mini von innen aus wie eine Mischung aus Spielautomat und Playmobil-Auto.

Außerdem haben die Brite wieder ein paar Details eingebaut, die es so nur bei Mini gibt – vom Union-Jack auf dem Boden mancher Ablagen über das Picknick-Kissen im Kofferraumboden, mit dem die Ladekante zur Parkbank wird bis hin zum Country-Timer, der besonders abenteuerliche Fahrten protokolliert und den Fahrer irgendwann vom „Street Cruiser“ zum „Cliff Champion“ adelt. Das coolste Feature ist aber der „Finde Mate“: Der zeigt an, ob mittels Bluetooth-Chips markierte Gegenstände alle an ihrem Platz sind und erinnert schusselige Fahrer, wenn sie Nebensächlichkeiten wie die Brieftasche oder den Kulturbeutel daheim vergessen haben.

Er ist zwar größer als je zuvor. Doch weil Mini sich nicht über Meter, sondern über solche Gimmicks und über das Design definiert, ist sich Markenchef Mackensen sicher, dass auch der neue Countryman als Mini akzeptiert und seinen Weg schon machen wird. Doch er weiß auch, dass er den Bogen nicht überspannen darf. „Einen noch größeren Mini wird es deshalb auf sehr lange absehbare Zeit nicht geben.“