Hintergrund Mercedes Fit & Healthy: So wird die S-Klasse zur Spa-Klasse
Es ist laut, es ist hektisch, zu voll, zu eng und viel zu heiß: Wer über die CES in Las Vegas läuft, der ist schnell am persönlichen Drehzahlbegrenzer. Doch Götz Renner ist die Ruhe selbst. Denn der Mercedes-Entwickler leitet das Projekt „Fit & Healthy“ und hat seine eigene Wellness-Oase mit auf die wichtigste Elektronikmesse der Welt gebracht: Wenn es ihm zu viel wird, setzt er sich deshalb in die von außen völlig unscheinbare Maybach-Version der aktuellen S-Klasse und lässt sich von seinem Auto verwöhnen.
„Hier steigt man entspannter, fitter und ausgeruhter aus, als man eingestiegen ist“, sagt der Entwickler, während ihm die S-Klasse feine Wolken eines wohligen Dufts um die Nase weht, ruhige Videosequenzen auf dem Monitor den Kopf beruhigen, der Sitz eine Entspannungsmassage startet, die Musik meditativ wird, die Ambientebeleuchtung mit warmen Farben spielt und aus der Klimaanlage immer mal wieder ein heißer Luftzug fächelt, als hätte der Saunameister gerade einen Aufguss gemacht. Wenn jetzt noch jemand ein Frotteetuch bringt, wird die S-Klasse so mitten auf der Messe gleich vollends zur SPA-Klasse.
Aber es braucht nur einen Knopfdruck, dann ist es vorbei mit der Kuschelei. Denn der „Vitality Coach“ kann auch anders: Falls Renner auch nach Tagen in den USA doch der Jetlag überkommen sollte, drückt er einen zweiten Knopf und startet die „Aktivierung“. Dann riecht es plötzlich viel frischer in der S-Klasse, es weht in feinen Stößen eine kühle Brise durchs Auto, die Beleuchtung changiert nicht mehr in Rot und Gelb, sondern in Blau und Grün, die Massage wird aggressiver, die Musik dynamischer und die Videosequenzen lebendiger: Wer sich danach nicht wacher und frischer fühlt, der sollte besser gleich aussteigen und ins Bett gehen.
Die dritte Wellness-Funktion nennt Renner „Motion Seating“ und will damit eine der schlimmsten Gesundheitssünden unserer Zeit kurieren: Denn die Evolution habe nicht Millionen Jahre darauf verwendet, uns aufzurichten, nur damit wir den ganzen Tag herumsitzen, schimpft der Ergonom. Und weil man in einem Auto schlecht stehen kann, hat sein Team gemeinsam mit Medizinern zumindest ein Fitness-Programm für das Knochengestell entwickelt. Das verstellt Sitzkissen und Lehne so, dass man immer ein bisschen in Bewegung ist, nicht einrostet und nicht verspannt. Und wer sich etwas gutes tun möchte, der kann mit gezieltem Muskeldruck gegen die Mechanik arbeiten und so während der Fahrt gleich noch einen kleinen Workout machen, empfiehlt der Coach auf dem Videoscreen im Cockpit.
Was Renner in Las Vegas den Messestress mildert, soll bald auch den Mercedes-Kunden zu Gute kommen. Denn schon mit dem Facelift der S-Klasse in diesem Sommer werden die ersten Komponenten aus dem Showcar in Serie gehen. Dabei geht erst einmal nicht um neue Hardware. „Sondern es geht uns darum, die vorhandene Technik intelligent und situationsgerecht zu nutzen“, sagt Renner. Denn viele Mercedes-Fahrer wüssten gar nicht, was ihr Wagen alles für sie tun kann. Und um schon den Stress bei der Einstellung zu mindern, muss man die Programme nicht selbst aktivieren. Sondern weil die S-Klasse dank der Plattform Mercedes-Me den Tagesplan und die Umstände der Fahrt kennt und über einen Fitnesstracker den seinen Puls erfassen kann, weiß die Elektronik von selbst, wenn sie dem Fahrer eine Aktivierung oder Entspannung empfehlen sollte.
Dabei soll es allerdings nicht bleiben, sagt Renner und skizziert bereits die nächsten Schritte. Kommende Modelle werden den Puls der Passagiere über eigene Sensoren auch ohne FitBit oder Jawbone erfassen können, und zu den üblichen Luftbälgen in den Polstern gibt es bald viel feinere Möglichkeiten der Massage: Vibrationselemente im Sitzkissen können den ganzen Körper lockern und Bass-Booster in der Lehne passend zum Sound buchstäblich mit Musik massieren.
Zwar mussten Renner und sein Team bei diesem Projekt bisweilen ganz schön schwitzen- aber sie hatten dabei oft ein sehr viel angenehmeres Umfeld als ihre Kollegen aus den anderen Disziplinen. Denn noch nie hat der Projektleiter so viele Saunen und Wellnessoasen besucht wie während der Entwicklung der neuen SPA-Klasse.