Aus der Traum: Mit 1050 PS und über 700 Kilometern Reichweite sägt der Faraday FF91 am Tesla-Thron
Ein neuer Name elektrisiert die PS-Branche: Faraday Future. Denn vor nicht einmal vier Jahren mit chinesischem Geld im Silicon Valley gegründet, ist das Start-Up angetreten, um das Auto und mit ihm die Mobilität neu zu erfinden – sagt zumindest Entwicklungschef Nick Sampson und lässt den großen Worten jetzt die ersten Taten folgen: Zum Auftakt der Elektronikmesse CES in Las Vegas hat er auf einer großen Premierenparty vor über 1 000 Gästen im längsten Zelt der Welt gemeinsam mit dem Rest des zuletzt arg geschrumpften Managements das Tuch vom ersten Serienmodell gezogen, das ab 2018 zum Albtraum von Männern wie Tesla-Chef Elon Musk und Daimler-Vorstand Dieter Zetsche werden soll. Schließlich will der gegen eine Anzahlung von 5 000 Dollar ab sofort bestellbare FF91 nicht nur Modell S und Modell X in den Schatten stellen, sondern gleich auch noch Autos wie eine Mercedes S-Klasse und sogar einen Ferrari 488 überflüssig machen. „Das wird das leistungsfähigste Elektroauto, die luxuriöseste Limousine und das intelligenteste Fahrzeug der Welt“, verspricht Samspon und sein Geldgeber, der chinesische Internet-Milliardär Jia Yueting, freut sich: „Wer einen Faraday fährt, hat endlich wieder Platz in seiner Garage. Denn alle anderen Autos werden damit überflüssig.“
Dass Faraday an so vielen Fronten zugleich kämpfen kann, liegt am einzigartigen Antrieb, den konkurrenzlosen Akkus und dem unkonventionellen Aufbau des 5,25 Meter langen Silberfisches, dessen Design an eine unkonventionelle Mischung aus Renault Espace und BMW i8 erinnert. Denn innen bietet der elend breite und für ein Cross-Over ungewöhnlich fkache FF91 mehr Platz und mehr Komfort als die Maybach-Version der S-Klasse, sagt Sampson. Die Batterien im Wagenboden haben eine bislang unerreichte Kapazität von 130 kWh für mehr als 700 Kilometer Fahrstrecke und sind am Schnellader trotzdem in weniger als einer Stunde wieder gefüllt und die Motoren leisten zusammen bislang nie dagewesene 1050 PS und kommen auf ein Drehmoment von irrwitzigen 1 500 Nm.
Spätestens als Sampson von diesen Fahrleistungen erzählt, erklärt sich auch die Wahl der selbst für Las Vegas eher ungewöhnlichen Premieren-Location. Denn mitten in der Show wird die Bühne zum Drag-Strip und Faraday lässt den FF91 der Reihe nach gegen Bentley Bentayga, Ferrari 488, Tesla X und Tesla S antreten – und hängt natürlich alle ab. Denn mit einem Sprintwert von 2,39 Sekunden beschleunigt der elektrische Erstling schneller von 0 auf 100 als die meisten Supersportwagen. Selbst einem Formel E-Auto nimmt er noch ein paar Zehntel ab.
Doch Sampson und seine Kollegen wissen selbst am allerbesten, dass solche Werte alleine künftig nicht mehr ausreichen werden, um die Kunden zu ködern. Deshalb verspricht er für den FF91 noch viel mehr: Zum Beispiel die intelligentesten Sensoren für den besten Autopiloten, der den Wagen zur Not auch ganz ohne Fahrer steuert Ein Interieur mit mehr Platz, mehr Komfort und mehr Luxus als in einem Maybach. Ein Infotainment-System, das sich mit allem und jedem vernetzt und das Auto zum zentralen Knotenpunkt in der digitalen Lebenswelt macht. Und eine Personalisierung, die so weit geht, dass sogar der Schlüssel überflüssig wird, weil der FF91 die Insassen am Gesicht erkennt und ihnen automatisch die gegenläufig angeschlagenen Türen öffnet.
Faraday Future will aber nicht nur ein neues Auto bauen, das schlauer, sparsamer und schneller ist als alles bisher dagewesene. Sondern mit fast schon missionarischem Eifer inszeniert sich die Firma als Weltverbesserer, der die Mobilitätsindustrie auf den Kopf stellen und die konventionellen Blechbieger in die Steinzeit schicken will: „Nach 130 Jahren ist die alte Autowelt am Ende, und mit uns beginnt eine neue Ära,“ predigt Simpson und belegt seine vermeintliche altruistische Philosophie mit einer noblen Geste: Einen Teil der Erlöse aus dem Verkauf will Faraday Future einer Umweltorganisation spenden. Und bei einem geschätzten Grundpreis zwischen 150 und 200 000 Dollar dürfte schon was zusammen kommen.
Wenn es überhaupt soweit kommt. Denn genauso viele Schlagzeilen wie mit den Ankündigungen zum FF91 hat das Start-Up in den letzten Wochen mit Pleiten, Pech und Pannen gemacht. Nicht nur, dass ein paar teuer von BMW, VW oder Ferrari abgeworbene Spitzenmanager wieder abgesprungen sind. Nein, angeblich stehen die Newcomer auch bei ihrer Baufirma mit mehreren Millionen in der Kreide, weshalb die Fabrik in Las Vegas noch lange nicht so weit ist, dass dort schon im nächsten Jahr tausende von Autos gebaut werden könnten. Und selbst bei der Premiere in Las Vegas war Faraday vom Glück verlassen: Ausgerechnet als Geldgeber Yueting den elektrischen Erstling zum Finale der Show autonom und führerlos auf die Bühne schicken wollte, haben die Sensoren ihren Dienst versagt und die Jungfernfahrt geriet gehörig ins Stocken. Ganz so greifbar, wie uns Faraday glauben machen will, ist die Zukunft deshalb wohl doch noch nicht.
Zwar hat der FF1 trotzdem deutlich mehr Relevanz und Substanz als der Zero1, mit dem FF vor Jahresfrist den ersten Aufschlag in Las Vegas gemacht hat. Und anders als der im Traum geborene Supersportler kann das Serienmodell in Spe tatsächlich fahren und surrt schon seit Monaten im Prototypen-Tarnkleid über die Teststrecken. Doch auch wenn Las Vegas sich zumindest während der CES so langsam zum Nabel der Autowerkstatt entwickelt, müssen die Amerikaner jetzt so langsam mal raus in die Realität und in den Rest der Welt. Sonst gilt für den FF91 wie für alles andre in der Metropole des Glücks: What happens in Vegas stays in Vegas – und überall sonst bekommt man davon nichts mit.