Fracksausen für Fortgeschrittene: Dieser Lexus stempelt den Sechser BMW zum Spießer
Koji Sato ist ein höflicher Mann und lässt auf seine Vorbilder nichts kommen – schon gar nicht, wenn sie von der Konkurrenz stammen. Doch so hochtrabend der Japaner vom Sechser BMW schwärmt, so tief könnte der bayerische Flachmann bald fallen. Denn Sato ist der Chief-Ingenieur des neuen Lexus LC und will nichts weniger, als die Ikone der Fahrfreude von ihrem Thron stürzen. Fünf Jahre nach der überraschend wenig veränderten Studie aus Detroit kommt der Flachmann aus Fernost im Sommer zu Preisen knapp unter 100 000 Euro in den Handel.
Für das Ringen um Anerkennung und Aufmerksamkeit hat Sato ein 4,77 Meter langes Coupé auf die Räder gestellt, das einerseits ein Gran Turismo sein will, andererseits aber aussieht wie ein Supersportwagen. Nachdem schon Modelle wie der RX und der NX die Züge vom Manga-Helden angenommen haben, wirkt der LC noch stärker überzeichnet und wird so zum Aggressor im Maßanzug: Kein Auto in dieser Klasse sieht so frech und fordernd aus und keines lässt so unverhohlen die Muskeln spielen wie der scharf geschnittene LC. Selbst ein M6 oder S63 wirken dagegen brav und bieder und die Serienmodelle werden gar vollends zu Spießern in Nadelstreifen.
Während der LC außen Angst und Schrecken verbreiten will, bereitet er seinen Insassen einen warmen und wohligen Empfang. Die Lederschalen in der zweiten Reihe taugen zwar nicht einmal als Alibi für den Selbstbetrug vermeintlich fürsorglicher Familienväter. Denn noch vor der Einschulung ist hinten Schluss mit lustig. Doch vorn schwebt man trotz des niedrigen Schwerpunkts förmlich über den weichen Polstern, lässt die Finger über handvernähtes Leder streifen und die Augen über eine Cockpitlandschaft wandern, die vor allem von den digitalen Instrumenten und dem großen Bildschirm daneben dominiert wird.
Der Sozius schwelgt dabei im lichten Raum, aber der Fahrer ist förmlich gefangen zwischen Lenkrad und Mitteltunnel und wird so schon optisch in die Pflicht genommen. Dabei muss er sich allerdings nicht viel bewegen, denn alle Bedienelemente sind so angeordnet, dass man sie vom Lenkrad aus bequem erreichen kann. Das ist nicht immer schön, weil zum Beispiel die Drehregler für den Fahrmodus aus dem Cockpit wachsen, wie der Dampfhahn einer Espresso-Maschine. Aber dafür um so praktischer. Denn so lenkt einen nichts und niemand vom Fahren ab.
Treibende Kraft ist dabei wahlweise ein V8-Benziner, der seine imposanten 477 PS und 540 Nm nach alter Väter Sitte aus der seligmachenden Kombination von großem Hubraum (5,0 Liter) und hohen Drehzahlen (weit mehr als 6 500 Touren) schöpft oder – so viel Vernunft und Verantwortung ist sich Lexus dann doch schuldig – ein Hybrid-Strang mit einem 3,5 Liter großen V6-Benziner mit 299 PS und einer E-Maschine von 179 PS, die im Team auf 359 PS kommen. Beide Motoren kennt man im Grunde aus anderen Modellen. Doch für den Einsatz auf der nagelneuen Luxusplattform des Toyota-Konzerns hat Lexus noch einmal kräftig Hand an sie gelegt: Den Benziner koppeln die Japaner deshalb mit der weltweit ersten Zehngang-Automatik, die mit ihren sehr harmonischen Übersetzungen wunderbar rhythmische Gangwechsel ermöglicht. Und beim Hybrid puffern sie die Strom endlich in einem Lithium-Ionen-Akku und zerschneiden das Gummiband der CVT-Automatik mit einem nachgeschalteten Vierstufen-Getriebe.
Damit sind Fahrleistungen möglich, die bei der Business-Elite durchaus für Fracksausen sorgen dürften. Schon der Hybride beschleunigt in 4,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h und schafft mühelos 250 Sachen. Und für den V8 meldet Projektleiter Kojo Werte, die man bei BMW nur mit Hilfe der M GmbH erreicht: 4,4 Sekunden für den Sprint und 270 km/h bei Vollgas.
So nah sich die beiden Motorvarianten auf dem Datenblatt auch sein mögen, so groß sind die Unterschiede auf der Straße: Hier der gelassene Kilometerfresser mit der kultivierten Grandezza eines Gran Turismo, der flüsterleise über die linke Spur fliegt und die Autobahn zum Wolkenweg bügelt, da der gierige Kurvenbeißer mit dem Heißhunger eines Supersportwagens, der mit Allradlenkung jede Serpentine schneidet und beim schnellen Ritt über enge Landstraßen brüllt und bollert, spratzt und schmatzt und schreit, dass man es wahrscheinlich noch bis Stuttgart oder München hören kann. Kein Wunder, dass Sato von einer Symphonie für acht Zylnder schwärmt und länger über die Soundpipes aus dem Motor- in den Innenraum spricht als über das High-End-Audio-Sytstem.
Solange die beiden Autos gattungsgerecht genutzt werden, passen die doch so unterschiedlichen Motoren beide gut ins Konzept. Doch wenn man das Genre wechselt, wird es schwierig – vor allem für den Hybrid. Denn während sich der V8 auch auf der Autobahn wacker schlägt, man im Komfortmodus überraschend lässig dahin rollt und den prägnanten Sound zur Not ja mit der sündhaft teuren Mark-Levinson-Anlage überdecken kann, tut sich der Teilzeitstromer mit dem Spurwechsel schwer. Zwar kappt das zusätzliche vierstufige Überlagerungsgetriebe tatsächlich das nervige Gummiband der CVT-Automatik. Doch so richtig passen die Gangwechsel bei einem schweren Gasfuß trotzdem nicht. Und wo der Benziner klingt wie ein fernes Gewitter, das mit jedem Kickdown näherkommt, erinnert der Hybrid an einen Staubsauger, dem jemand einen Turbo angeflanscht hat und produziert mehr Krawall als Kraft. Schön klingt jedenfalls anders.
Zwar gibt es keine Luxusmarke, die so viele Hybridmodelle verkauft wie Toyota. Doch Ferry Franz gibt sich beim LC keinen Illusionen hin. Wer in diesem Segment die Wahl zwischen einem vergnüglichen V8-Benziner und einem vernünftigen Hybrid hat, der weiß, wie er sich zu entscheiden hat, ist der Lexus-Deutschland-Chef überzeugt und fürchtet, dass auch der Preisvorteil von etwa 5 000 Euro für den Hybriden diese Verteilung nicht nennenswert beeinflussen dürfte. Zumindest an diesem Punkt hätte sich Projektleiter Koji Sato die Konkurrenz aus München vielleicht doch etwas genauer anschauen sollen. Denn es gibt einen guten Grund, weshalb BMW im Siebener und Mercedes in der S-Klasse zwar einen Plug-In-Hybrid anbieten, es im Sechser und im S-Klasse Coupé aber ohne Akku brennen lassen.