Licht aus, Spot an: Millionen Micro-Spiegel machen das Mercedes-Licht der Zukunft zum Beamer
Mercedes-Fahrern geht bald ein Licht auf. Und zwar nicht eines, sondern streng genommen über zwei Millionen. Denn während die Schwaben für die nahe Zukunft gerade LED-Schweinwerfer mit zusammen über 8 000 Bildpunkten pro Fahrzeug vorbereiten, arbeiten sie in ihren Lichtlabors bereits an der nächsten Scheinwerfergeneration, die als „Digital Light“ schier unendliche Möglichkeiten bieten sollen. Neue Chips mit über einer Millionen Micro-Spiegeln, die von Hochstrom-Leuchtdioden angeregt und von den Kamera- oder Radarsensoren der Assistenzsysteme gesteuert werden, sollen eine nie dagewesene Präzision bei der Lichtverteilung ermöglichen. „Der Scheinwerfer wird so zum Beamer“, sagt Gunter Fischer, der als Leiter Karosserieentwicklung Exterieur und Fahrzeugbetriebssysteme bei Daimler auch die Beleuchtung verantwortet.
Der Zugewinn an Sicht hält sich mit der neuen zwar Technologie in Grenzen, zumal Mercedes sich nicht auf einen Leuchtweiten-Wettbewerb einlassen will. Doch als würde man vom Röhrenfernseher auf einen 4K-Flatscreen wechseln, gewinnt das Bild ungeheuer an Schärfe, weil der Lichtkegel noch präziser zugeschnitten und zum Beispiel der Gegenverkehr noch genauer ausgeblendet werden kann.
Der wichtigste Fortschritt ist allerdings die Projektionstechnik: So fein und flexibel, wie das „Digital Light“ verteilt werden kann, können die Entwickler jetzt auch Grafiken auf die Straße zaubern wie mit einem Beamer. Warnhinweise tauchen dann nicht mehr im Cockpit auf, sondern direkt vor dem Auto, ein Head-Up-Display kann man sich sparen, wenn der Navigationspfeil direkt in die Kreuzung projiziert wird, und wenn etwa in einer Baustelle die Fahrbahnmarkierungen fehlen, zieht der Mercedes eben selbst ein paar virtuelle Hilfslinien, die den Fahrer durch die Engstelle führen.
Zwar sind das alles noch Gedankenspiele und Forschungsprojekte, bei denen noch niemand ernsthaft am eine Serientauglichkeit, geschweige denn an eine Zulassung denkt. Doch spätestens, wenn der Mercedes von Morgen mal autonom fährt, könnte das digitale Licht sogar zur Sprache werden und die Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern übernehmen. So, wie es Mercedes in der Studie F 015 bereits angedacht hatte, können die Prototypen deshalb jetzt zum Beispiel tatsächlich einen Zebrastreifen auf die Straße zaubern und Fußgängern so die gefahrlose Überquerung der Fahrspur signalisieren.
Dass die Scheinwerfer damit noch lange nicht ausgereizt und ausgelastet sind, demonstrieren die Entwickler nach Feierabend in der Garage: Dann werden die LED-Brenner tatsächlich zum Beamer und werfen einen Kurzfilm auf die weiße Wand vor dem Testwagen. Willkommen im Autokino der Zukunft.