Selten schön: Mit dem neuen Q60 ringt Infiniti um Aufmerksamkeit und Anerkennung
Infiniti ringt weiter um Aufmerksamkeit und Anerkennung. Während die noble Nissan-Schwester in Amerika eine große Nummer ist, fährt sie in Europa auch knapp zehn Jahre nach dem Start noch unter dem Radar des Besserverdiener. Ändern wollen die Japaner das nicht zuletzt mit ihrem ansprechenden Design und innovativer Technik und schicken deshalb jetzt als Blickfang und Aushängeschild den neuen Q60 gegen Vier BMW und Audi A5 ins Rennen. Er kommt noch im Oktober in den Handel uns startet bei 44.500 Euro.
„Mit seinem kühnen Design bringt der neue Q60 nicht nur kraftvolle Eleganz zum Ausdruck, sondern verfügt auch über die Mittel, dieses Versprechen einzulösen – dank neuer und moderner Technologien und mit bis zu 405 PS. So wird das Coupé unseren Führungsanspruch in dieser Klasse untermauern“, hängt Markenchef Roland Krüger die Latte ziemlich hoch. Doch zumindest was die Optik angeht, nimmt der einstige BMW-Manager den Mund nicht einmal zu voll: Denn mit seinem stechenden Raubtierblick, dem weich geschwungenen Kühlergrill, der muskulösen Taille und den lustvoll ausgestellten Kotflügeln ist er Q60 eine erfreulich erfrischende Erscheinung unter den gar zu vorhersehbaren Design-Variationen der deutschen Premium-Konkurrenten.
Innen sieht das schon ein bisschen anders aus: Ob man die schwülstigen Formen des Cockpits und die ebenso feine wie funkelnde Materialauswahl mag, ist eine Frage des Geschmacks und fällt deshalb unter die künstlerische Freiheit. Und dass man hinten bei knappem Knieraum und flachem Dach nicht einmal Vorschulkinder platzieren möchte, ist bei der Konkurrenz kaum anders. Doch was Bedienung und Instrumentierung angeht, fahren die Japaner mindestens eine Generation hinterher. Das Cockpit weitgehend analog und das kleine Display zwischen den groben Skalen noch ziemlich pixelig, das Lenkrad überladen und im Fußraum noch eine Tretraste für die Feststellbremse – da kann auch das neue Infotainment-System Intouch nicht viel reißen, selbst wenn dessen Touchscreen am Fuß der Mittelkonsole so makellos glänzt, dass Infiniti zur Jungfernfahrt sogar eigens einen Putzlappen ins Handschuhfach gelegt hat. Und die Assistenzsysteme von der Abstandskontrolle bis zur Spurführungshilfe sind so hypersensibel, dass Infiniti sogar einen Knopf direkt ins Lenkrad gepackt hat, mit dem man den ganzen Zauber abschalten kann.
Zwiespältig ist auch der Eindruck, den das Fahrverhalten des Coupés hinterlässt: Auf der einen Seite gibt es diesseits von GT-R und 370Z im gesamten Nissan-Portfolio kein Auto, das so leidenschaftlich um die Kurven schneidet, das so ein aufwändiges Fahrwerk hat und so beherzt zur Sache geht. Außerdem haben die Entwickler der elektronischen Lenkung endlich das synthetische Gefühl ausgetrieben und für das Fahrwerk mit den adaptiven Dämpfern eine neue Balance zwischen sportlicher Bestimmtheit und der Lässigkeit für lange Strecken gefunden, die man mit einem Drive-Mode-Schalter in die eine oder die andere Richtung verschieben kann. Und während der 2,0 Liter Turbo des Basis-Modells mit seinen 211 PS eine eher nüchterne Angelegenheit sein dürfe, kommt der neue auf drei Liter gesundgeschrumpfte V6-Motor für mindestens 56 990 Euro auf immerhin 405 PS und bis zu 475 Nm, die zusammen mit Allradantrieb und einer schnellen Siebengang-Automatik respektable Fahrleistungen ermöglichen: 250 km/h Spitze sind für den Q60 eine leichte Übung und 5,0 Sekunden von 0 auf 100 km/h eine ordentliche Ansage.
Aber auf der anderen Seite wirkt der Q60 all diesen Neurungen zum Trotz noch ein bisschen lau und koffeinfrei und lässt die heiße Schärfe eines Vierer BMW genauso vermissen wie die kühle Perfektion eines Audi A5. Erst recht, wenn man das Top-Modell mit einem M4 oder einem S5 vergleicht, was angesichts der Leistung gar nicht so verwegen ist.
So attraktiv der Q60 auch aussehen mag und so viel die Japaner beim Fahrverhalten erreicht haben, bleibt dem Coupé zumindest in Deutschland wohl wieder nur die Exotenrolle. Nur in einem Punkt geht die noble Nissan-Schwester unangefochten in Führung. Keine Premiummarke in Deutschland wächst schneller als Infiniti, sagen die Japaner stolz und verweisen auf ein Plus von 46 Prozent in den letzten zwölf Monaten. Dumm nur, dass die Ausgangsbasis mit 1 702 Zulassungen für drei Quartale in absoluten Zahlen eher gering ist. Aber auch Erfolg ist eben nur relativ.