Schnäppchen-Volvo aus China: Mit dem Smartphone unter den SUV will Geely bald Europa aufmischen
Brilliance ist am Crashtest gescheitert, Qoros bislang nicht aus dem Quark gekommen und Borgward traut das Comeback so recht auch keiner zu – im Ausland haben sich die chinesischen Autohersteller bislang nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Doch sie können es nicht lassen. Weil ihnen der Markt daheim langsam zu eng und die Konkurrenz von VW & Co im eigenen Land zu groß wird, nehmen sie jetzt den Westen wieder ins Visier und starten einen neuen Anlauf. Allen voran der Großkonzern Geely, der dafür unter dem Namen Lynk&Co gerade eine globale Marke vorgestellt hat und über diese mittelfristig gerne mehr 500 000 Autos im Jahr verkaufen möchte – fast die Hälfte davon jenseits diesseits vom China.
Dass Lynk&Co sein Debüt jetzt in Götebeorg gegeben hat und dass die Chinesen eine die nordische Coolness pflegen, hat einen einfachen Grund: Der Newcomer ist streng genommen nur ein Ableger von Volvo, der von Schweden nach China exportiert wird und dann nach Westen zurückkommt. Ganz so einfach kann man die Marke, die von keinem geringeren geführt wird als vom alte Opel-Kämpen Alain Visser, natürlich nicht erklären. Doch zumindest nutzt Konzernmutter Geely geschickt das Knowhow und das Renommee der schwedischen Tochter, um die Neugründung aus der grauen Masse abzuheben zu etwas Besonderem zu machen.
Die Basis für diese gemeinsame Strategie bildet die Konzernplattform CMA, die Volvo schon vor einem halben Jahr als Grundstein der künftige Kompaktmodelle S40, V50 und XC40 vorgestellt hat. Diese in Länge und Radstand ebenso wie in Spurweite und Fahrzeughöhe weitgehend variable Architektur soll nun auch Lynk&Co nutzen und damit binnen fünf Jahren zum Vollsortimenter werden. „Jedes Jahr bringen wir darauf zwei neue Modelle“, kündigt Visser an.
Den Anfang macht – was für eine Überraschung – ein kompaktes SUV mit dem wenig phansievollen Modellnamen 01, das nicht nur im Format, sondern auch in der Form trotz der hoch in die Haube gerückten Tagfahrleuchten, des extrem breiten Kühlergrills im Stil einer Zorro-Maske und der wie eine Haifischflosse geformten D-Säule verdächtig an den Porsche Macan erinnert. Rund 4,50 Meter lang, mit Drei- oder Vierzylinder-Benzinern, später auch mit Plug-In-Hybrid und als reines Elektro-Auto lieferbar, will der Allradler einen Premium-Anspruch zu den Preisen eines Volumenherstellers erfüllen: VW zahlen aber Audi fahren, so lautet die unausgesprochene Marschrichtung für den Schnäppchen-Volvo aus China.
Möglich macht das neben der billigen Produktion in Fernost und den geschickt mit Volvo geteilten Entwicklungskosten ein kostengünstiger Direktvertrieb. Statt die Gewinne mit Händlern zu teilen, will Visser seine Autos nur über das Netz und ein paar ausgewählte Stützpunkte verkaufen, die Lynk&Co im Stil der Tesla-Stores in Eigenregie in Fußgängerzonen oder Einkaufszentren betreibt. „Damit drücken wir die Distributionskosten auf die Hälfte und geben einen Teil davon an die Kunden weiter“, erläutert der Firmenchef.
Zwar teilen sich die Chinesen eine Plattform mit Volvo, bauen die Benziner nach schwedischen Lizenzen und lassen sich von den Europäern bei der schrittweisen Elektrifizierung ihrer Palette beraten. Und weil Lynk&Co kein klassisches Händler-Netz haben wird, dürfte der Hol- und Bringdienst wohl auch den Service über die Volco-Betriebe abwickeln. Doch setzt Markenchef Visser zumindest bei der Ausstattung eigene Akzente: Natürlich ist maximale Sicherheit gesetzt. Schließlich hat Volvo einen Ruf zu verlieren und die Chinesen haben ein paar Vorurteile auszuräumen. Fünf Sterne bei Euro-NCAP müssten es deshalb also bitte schon sein. Und selbstredend wird Lynk&Co die üblichen Assistenzsysteme von der automatischen Abstandsregelung bis zur 360 Grad-Kamera übernehmen. „Aber so, wie für Volvo Sicherheit ein Kernwert ist, wollen wir uns zur Marke der Connectivity machen“, sagt Fisker und sieht im 01 so etwas wie das Smartphone unter den SUV. Denn der Wagen integriert nicht nur alle gängigen Handys, sondern er hat seine eigene Datenplattform, seinen eigenen App-Store und seine eigene Cloud und eröffnet damit ganz neue Möglichkeiten. Das gilt nicht nur für Standards wie Navigation, Infotainment oder die Vernetzung mit der Infrastruktur bis hin zum autonomen Fahren, sagt Technikchef Mats Fagerhag. Sondern das gilt auch für die Personalisierung. So, wie nach ein paar Tagen kein Smartphone dem anderen gleicht, so werden sich auch die Lynk&Co-Autos entsprechend voneinander unterscheiden.
Die üblichen Spielchen mit Ausstattungslinien und Modellvarianten will sich Visser deshalb sparen: Es gibt keine Abstufungen in der Palette und keine Optionen, sondern nur eine regelmäßig wechselnde Kollektion von Fahrzeugen, die sich in Design-Details, im Ambiente und dem Antrieb unterscheiden. „Statt hunderter verschiedener Fahrzeuge bauen wir pro Modellreihe höchstens zehn“, sagt Visser und nennt damit einen weiteren Grund für seine niedrigen Preise.
Große Ankündigungen haben die Chinesen jetzt schon mal gemacht und entsprechende Erwartungen geweckt. Ob und wie sie diese erfüllen werden, das wird sich allerdings frühestens in einem Jahr zeigen. Denn selbst in China soll der Verkauf erst Ende 2017 beginnen, und für Europa plant Fisser nicht vor dem letzten Quartal 2018.