Nachhilfe für den Gigolo: Neue Assistenzsysteme machen den Ghibli zum vernünftigen Verführer
Schön, stark und schnell zu sein allein reicht offenbar nicht. Sondern ein bisschen Substanz muss auch sein. Erst recht, wenn man in der gehobenen Mittelklasse gegen Autos wie den BMW 5er oder den Audi A6 antritt. Das hat jetzt auch Maserati begriffen und deshalb drei Jahre nach dem Start den Ghibli überarbeitet. Wenn in diesen Tagen zu Preisen ab 66 000 Euro die Auslieferung beginnt, ändert sich zwar nichts am Auftritt und kaum etwas am Antrieb. Doch zumindest die Liste der Ausstattung für Assistenz und Infotainment wird deutlich länger.
Nicht dass sich das Einstiegsmodell der Italiener bislang schlecht verkauft hätte. Im Gegenteil: Als leidenschaftliche Alternative zur schnöden Business-Klasse aus Deutschland hat der Ghibli mit seinem faszinierenden Design und seinem emotionalen Auftritt immerhin 80 Prozent Neukunden zur Marke gebracht und einen großen Anteil daran, dass sich die Zulassungszahlen in den letzten Jahren mehr als verfünffacht haben. Und in Deutschland macht der Ghibli immerhin zwei Drittel des Maserati-Absatzes aus. Doch wer sich nüchtern mit der Ausstattung beschäftigt hat, der konnte eigentlich nur enttäuscht sein von dem heißblütigen Verführer. Viel Eleganz und Emotion, aber wenig Intelligenz und Infotainment – so lautete bislang das Urteil über den Gigolo. Typisch italienisch eben!
„Ja, wir haben verstanden“, sagt deshalb Roberto Corradi. Er leitet die Entwicklung bei der schönen Fiat-Tochter und entzieht diesen Vorwürfen jetzt wirkungsvoll mit einer neuen Elektronik-Architektur den Boden. Herzstück dafür ist ein riesiger Touchscreen in der Mittelkonsole, der nicht nur so schmuck aussieht wie ein iPad, sondern auch genauso einfach zu bedienen ist. Darauf finden sich neben einer kinderleichten Navigation und der Smartphone-Integration mit Apple CarPlay und Android Auto oder dem Musikplayer sogar die Bedienung für Sitzlüftung, Jalousien und viele andere Komfortfunktionen, so dass die Italiener jede Menge Schalter aus der Mittelkonsole werfen konnten. Entsprechend elegant und aufgeräumt sieht der Ghibli innen jetzt aus – und bietet auf dem Mitteltunnel obendrein mehr Ablagefläche für Tassen oder Telefone.
So, wie der Fahrer die Welt im Ghibli mit neuen Augen sieht, so hat Corradi auch dem Auto buchstäblich den Blick geschärft. Es gibt nun vier Kameras für ein neues Surround-View-System, das beim Rangieren hilft, und ein Radarauge hinter dem Dreizack, mit dem der Maserati endlich automatisch Abstand hält. Dazu ein Notbremsassistent und eine Spurverlassenswarnung – und schon bietet der Luxusliner aus dem Süden wenigstens so viel Unterstützung wie diesseits der Alpen ein Auto aus der Kompaktklasse.
Zum Streber reicht es dem Ghibli damit zwar noch lange nicht. Doch zumindest muss der Gigolo jetzt keinen ernsthaften Verweis mehr fürchten und kann weiter mit seinem Charme und seinem feurigen Charakter spielen. Der fußt vor allem auf dem leidenschaftlichen Design und auf den lustvollen Motoren. Selbst der Diesel, mit dem Maserati zur Premiere des Ghibli Neuland betreten hat und mittlerweile das Gros seines Absatzes bestreitet, wirkt deshalb viel engagierter als bei der Konkurrenz.
Mit 275 PS und imposanten 600 Nm liegt der drei Liter große V6-Motor zwar auf Augenhöhe mit BMW & Co. Aber er dreht ein bisschen höher, knurrt ein bisschen lauter und geht insgesamt beherzter zur Sache. Spätestens wenn im Sportmodus ein giftiger Unterton ins Spiel kommt und auf einen zweiten Knopfdruck auch Federn und Dämpfer die Muskeln anspannen, zeigt der Ghibli Zähne. Dann wird die Limousine zum Sportwagen mit vier Türen, verbeißt sich hungrig in die Kurven und stürmt tapfer voran. Überholen auf der Landstraße wird zu einer leichten Übung und die linke Spur auf der Autobahn zur Stammstrecke. Nicht umsonst lässt der Luxusliner die 100er-Marke in 6,3 Sekunden hinter sich und rennt souverän gegen das selbst gesteckte Limit von 250 km/h. Lebendig, lustvoll, leistungsstark – das ist bei einem Maserati keine Überraschung. Aber beim Blick auf den Bordcomputer reibt man sich dann schon mal die Augen. Denn selbst wenn die 5,9 Liter aus dem Normzyklus beim besten Willen nicht zu schaffen sind, bekommt man einstellige Werte für den Alltagsverbrauch in einem Maserati nur selten zu Gesicht.
Neben dem Diesel gibt es einen V6-Benziner mit ebenfalls drei Litern Hubraum, der im Topmodell auf 410 PS kommt, 285 km/h ermöglicht und auf Wunsch auch mit Allrad angeboten wird. Die einzige technische Neuerung im Line-Up gilt der Basisversion dieses Benziners, die mit einer neuer Software 20 PS mehr leistet und so jetzt 350 PS erreicht.
Charme und Leidenschaft wie kein anderer in dieser ach so nüchternen Business-Klasse, ein Fahrverhalten, das die Lebensgeister der Bürohengste weckt, und endlich zumindest so viel Ausstattung, dass man sich nicht mehr in einem Billigmodell fühlt – so hat Maserati den Ghibli zur Hälfte der Laufzeit wirkungsvoll aufgefrischt und den Abstand zu E-Klasse & Co zumindest ein bisschen verringert. Fürs Erste wird das der Limousine auch intern helfen und ihr den Spitzenplatz im Absatz sichern. Doch lange wird sie die Führung kaum halten: Spätestens wenn im nächsten Jahr der Geländewagen Levante voll in die Statistik fährt, ist der Ghibli allenfalls noch zweiter Sieger.