Dickschiff für Donald: Mit dem CT6 will Cadillac nicht nur im Weißen Haus und an der Wallstreet punkten
Schillernd, stattlich, stolz und mit wo man hinschaut Ecken und Kanten – der Cadillac CT6 wirkt unter den üblichen Luxuslimousinen in etwa so exotisch wie Donald Trump unter den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten. Doch genau so, wie es der US-Milliardär im Rennen um das Weiße Haus mittlerweile fast schon auf die Zielgerade geschafft hat, ist auch die vornehme GM-Tochter voller Hoffnung für ihr neues Flaggschiff und rechnet sich gute Chancen im Ringen mit der Mercedes S-Klasse, dem Audi A8 oder dem BMW Siebener aus. Kurz danach allerdings ist es dann auch vorbei mit den Parallelen zwischen dem Cadillac und dem Kandidaten. Denn während Trump vor allem auf Plattitüden und Parolen setzt und in einer alten Zeit gefangen scheint, macht Cadillac einen großen Sprung in die Zukunft und präsentiert sich mit dem neuen Flaggschiff moderner denn je. Kein Wunder also, dass Konzernmutter General Motors guter Hoffnung ist, auf Basis des CT6 bald auch den neuen Dienstwagen für den nächsten US-Präsidenten bauen zu dürfen.
Man braucht allerdings weder ein Mandat fürs Weiße Haus, noch eine Adresse an der Wallstreet oder sonst irgendwo in Amerika für diese Erfahrung. Denn mit ein paar Monaten Zeitversatz bringt Cadillac den Luxusliner zu Preisen ab 73 500 Euro im September auch zu uns. Während in Amerika allein der Name reicht, setzt Cadillac bei uns im Ringen um Respekt und Anerkennung in der Oberliga vor allem auf Leichtbau: Wo die alten Ami-Schlitten bislang bleischwer waren und deshalb auch mit riesigen Motoren nur mäßige Fahrleistungen auf die Straße gebracht, aber dafür einen unsäglichen Durst entwickelt haben, feiert Cadillac das neue Flaggschiff als Fliegengewicht: „So groß wie ein Siebener, aber leichter als ein Fünfer“, lautet die Formel für die weitgehend aus Aluminium gefertigte Architektur, mit der das Gewicht im besten Fall auf 1 659 Kilo sinkt.
Zwar reicht das selbst mit einer Zylinderabschaltung für den auf 3,0 Liter gesund geschrumpften V6-Motor nicht für einen rekordverdächtigen Verbrauch. Denn offenbar fordern die Achtgangautomatik und mehr noch der Allradantrieb ihren Tribut, so dass im Datenblatt der EU-Version süffige 9,6 Liter protokolliert werden. Doch dafür überrascht der CT6 mit einer Eigenschaft, die man von amerikanischen Limousinen bislang kaum kannte: Fahrspaß.
Das liegt zum einen natürlich daran, dass 417 PS und 555 Nm mit dem Alubomber tatsächlich leichtes Spiel haben und der CT6 untermalt von einem gierigen Grollen entsprechend behände davon zieht. Nicht umsonst knackt er die 100er-Marke nach 5,7 Sekunden und hat auch später so viel Elan, dass ihn die Entwickler sicherheitshalber bei 240 Sachen wieder einbremsen. Aber die Dynamik rührt vor allem vom Diäterfolg, weil der CT6 nicht ganz so großen Fliehkräften ausgesetzt ist und entsprechend scharf durch die Kurven schneidet. Dazu noch das adaptive Magna-Ride-Fahrwerk, der im Sportmodus spürbar hecklastige Allradantrieb und natürlich die Hinterachslenkung – schon steuert man einen Sportler im Smoking. An den Siebener kommt der CT6 damit vielleicht nicht heran. Doch zumindest im vergelich zur S-Klasse hat der Cadillac-Fahrer die Mundwinkel weiter und über den mittlerweile arg angestaubten A8 reden wir da besser gar nicht mehr.
Dazu versprechen die Amerikaner jede Menge Luxus aus der alten und der neuen Welt: Wer ein Auto nach konventionellen Maßstäben bewertet, der soll den CT6 wegen seiner feudalen Sessel mit fünf Massageprogrammen und einer besonders feinfühligen Heizung, den fürstlichen Platzverhältnissen und der Stille wie in einem Schweizer Banktresor schätzen lernen. Und wer im digitalen Leben angekommen ist, den will Cadillac mit einem LTE-Hotspot, mit LED-Scheinwerfern, einem verbesserten Nachtsichtsystem und einem Kameraüberwachung locken, die weiter geht als je zuvor. Denn die vier Video-Augen zeigen den CT6 auf dem riesigen Touchscreen in der Mittelkonsole nicht nur beim Parken aus der Vogelperspektive, sondern sie zeichnen während der Fahrt auch ein komplettes Road-Movie auf und ergänzen das Bild des Innenspiegels so gründlich, dass man dreimal so viel sieht wie in einem konventionellen Auto.
Auf dem Papier liest sich das alles sehr vielversprechend. Aber in der Praxis stechen die Unterschiede zu den Platzhirschen aus Deutschland dann doch schneller ins Auge, als den Amerikanern lieb sein dürfte. Denn die Bedienung es schillernden Infotainment-Systems ist unnötig kompliziert, die vielen Assistenten hinken in Sachen Autonomie eine halbe Generation hinterher und bei der Materialauswahl spürt man sehr deutlich, weshalb Audi, BMW oder Mercedes ein paar Tausender mehr verlangen.
Zwar ist der CT6 tatsächlich der leichteste Luxusliner in seiner Liga und lässt einen das beim Fahren auch in jeder Kurve spüren. Doch wenn das Weiße Haus daraus tatsächlich die nächste Präsidentenlimousine bauen lässt und es wirklich Donald Trumps neuer Dienstwagen werden sollte, dürfte er davon nicht mehr viel mitbekommen. Denn erstens sitzt er als Präsident nur im Fond und zweitens wird das Leichtgewicht all der Panzerung am Ende doch wieder zum Dickschiff.