Captain Future im Kronwagen: So feudal fährt der Angeber von Übermorgen
Überbevölkerung, Urbanisierung, Umweltsorgen, Digitalisierung und die Macht der sozialen Netze – unsere Welt wird in 25 Jahren nicht mehr die gleiche sein. Doch eines wird sich bis dahin nicht ändern: Es wird noch immer Reiche und noch Reichere geben und solche, die ihren Wohlstand auch zeigen wollen. Das zumindest ist die feste Überzeugung von Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös, der sich deshalb schon jetzt Gedanken über die ultimative Luxuslimousine von Übermorgen macht und dafür die Studie Vision Next100 ins Rampenlicht rollt. So ganz ernsthaft und vor allem konkret sind diese Überlegungen natürlich noch nicht. Sondern zu allererst einmal will die britische Tochter damit den runden Geburtstag der bayerischen Mutter feiern. Doch selbst wenn man aus dem ebenso imposanten wie skurrilen Schaustück keine Rückschlüsse auf den nächsten oder übernächsten Phantom ziehen kann, weist das Projekt „103 EX“ durchaus den Weg in eine spannende Zukunft.
Die beginnt, wie es sich für Rolls-Royce gehört, mit einem spektakulären Auftritt. Denn als wäre die 5,90 Meter lange und 1,60 Meter hohe Karosse mit ihren freistehenden, 28 Zoll großen Kutschenrädern mit einem Design von Turbinen-Schaufeln, dem noch mal aufpolierten Pantheon-Grill und der gewachsenen Kühlerfigur aus Glas am dramatisch verschlankten Bug nicht schon imposant genug, wird die Vorfahrt zur großen Show inszeniert. Erst strahlt die Front in hellem Glanz, dann öffnet sich das kuppelförmige Dach, bevor die – natürlich hinten angeschlagene – Tür aufschwingt und sich aus der Bauchbinde eine Trittstufe faltet und LED-Spots einen roten Lichtteppich auf dem Asphalt ausrollen – viel stilvoller und spektakulärer kann der Angeber von Übermorgen seine Ankunft kaum zelebrieren.
Während der Fahrt ist der Kronwagen für Captain Future ein Refugium der Ruhe und ein intimer Rückzugsort, in dem nichts die Privatsphäre stört. Doch zumindest beim Ein- und Aussteigen gibt der Luxusliner den Blick frei in eine Lounge, die bei allem Luxus für einen Rolls-Royce ungewöhnlich leicht und luftig wirkt. Die Passagiere fahren auf einem seidenen Sofa, das über einem wollenen Webteppich zu schweben scheint, und genießen völlig neue Ausblicke. Die Kuppel verglast und der Blick durch die Panorama-Scheibe nicht von einem Lenkrad oder einem Cockpit abgelenkt, wird die Welt da draußen zu einer Bühne, auf der das Leben die spannendes Stücke aufführt. Und wer sich sein eigenes Programm machen möchte, der surft eben auf einem transparenten Bildschirm, der sich formatfüllen im Innenraum aufspannt und das digitale Universum ins Auto holt.
So spektakulär ein Auto wie dieses auch aussehen mag, ist es gut möglich, dass es sogar als Serienmodell ein Einzelstück bleibt. Denn Design-Chef Giles Taylor will die Kunden künftig nicht nur über Farben und Materialien entscheiden lassen, sondern auch in die Formgebung mit einbeziehen. Mit neuen, sehr viel flexibleren Fertigungsverfahren soll die alte Idee des Coachbuilding neu belebt und aus der Massenware Automobil wieder ein individuelles Manufakturprodukt werden.
Mit solchen Nebensächlichkeiten wie dem Fahren muss man sich in der Luxuslimousine von übermorgen längst nicht mehr beschäftigen. Darüber wacht eine virtuelle Assistentin, die Müller-Ötvös als die digitale Enkelin der Kühlerfigur „Spirit of Ecstasy“ vorstellt. Genau wie das Modell, das dem Künstler Charles Sykes als Vorlage für die Flying Lade diente, trägt sie den Namen “Eleanor” und kümmert sich wie ein gut geschulter Butler um das Wohlergehen. Sie koordiniert deshalb nicht nur alle Termine, sorgt ungefragt für das richtige Klima und das passende Unterhaltungsprogramm. Sondern sie fährt pünktlich den Wagen vor und garantiert eine sichere Fahrt an ein Ziel, das sie aus dem Wissen um die Wünsche ihrer Herrschaft bereits selbst gewählt hat.
Wie das Auto dabei angetrieben wird, darüber verlieren die Briten noch nicht viele Worte. Emissionsfrei wird es sein und wahrscheinlich elektrisch. Und jetzt, wo sie den ungewöhnlich schlanken Bug als automatisch öffnenden Gepäckraum für die beiden maßgeschneiderten Überseekoffer mit den Namenszügen der Firmengründer CJ Rolls und FH Royce nutzen, müssen sie den oder die Motoren wohl irgendwo anders, wahrscheinlich direkt in den Radnaben unterbringen. Aber erstens wird das Fahren selbst ohnehin zur Nebensache, wenn es von „Eleanor“ erledigt wird. Und zweitens hat diese nonchalante Ignoranz technischer Details bei Rolls-Royce schon eine gewisse Tradition. Nicht umsonst haben die Briten früher auch die Motorleistung nur mit „ausreichend“ angegeben.