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Luxus am laufenden Meter: Mit extralangem Radstand fährt Bentley jetzt Rolls-Royce in die Phantom-Parade

Published in motosound.de

Dagegen war selbst der Auftritt von Barak Obama und Angela Merkel fast ein bisschen bescheiden. Denn wer in diesen Tagen aus dem G7-Hotel Schloss Elmau tritt, sieht eine Fahrzeugflotte, gegen die sogar der Fuhrpark von sieben Staatschefs kaum anstinken kann:  Bentley präsentiert den überarbeiteten Mulsanne und fährt deshalb auf dem Hochplateau mit der imposanten Kulisse buchstäblich groß auf. Das kann man nach dem Updaten für den Luxusliner durchaus wörtlich nehmen. Denn xx Jahre nach der Premiere des Mulsanne bekommt die staatstragende Limousine nicht nur ein dezent nachgeschärftes Design mit einem gefährlich an Rolls-Royce erinnernden Kühlergrill und pfannkuchengroßen LED-Scheinwerfern sowie endlich ein halbwegs zeitgemäßes Infotainment-System. Sondern wenn die Briten in diesen Tagen zu Preisen ab 297 191 Euro die Orderbücher für das dickste Ding im VW-Konzern öffnen, können die Kunden erstmals zwischen drei Varianten wählen: Neben dem Standardmodell und dem Speed für den engagierten Selbstfahrer gibt es nun auch eine Langversion, die mit 25 Zentimetern mehr Radstand zur ultimativen Chauffeurslimousine wird. Damit stößt Bentley geschickt in die Lücke, die sich mit dem Generationswechsel des Rolls-Royce Phantom auftut: Denn auch wenn die nächste Auflage des wichtigsten Konkurrenzmodells erst für 2018 im Kalender steht, lässt die BMW-Tochter bereits jetzt die Produktion des aktuellen Modells auslaufen.

Für einen Aufpreis von ein bisschen mehr als 50 000 Euro haben die Briten aber nicht nur die Achsen 3,52 Meter auseinander gerückt und die Länge des Luxusliners auf 5,83 Meter gestreckt. Sondern sie haben den Fond zu einer exklusiven Reiselounge aufgewertet, die es mit jedem Privatflieger aufnehmen kann. Auf Knopfdruck surrt deshalb der Beifahrersitz nach vorne und wie sonst nur im Maybach wird der Thronsessel in der zweiten Reihe zu einer Liege, die einem sanft den Rücken krault und die Kehrseite wärmt. Wer sich den Müßiggang in den wunderbar weichen Kissen allein nicht leisten, der checkt auf den elektrisch ausfahrbaren Bildschirmen schnell noch die Aktienkurse oder klappt aus dem Mitteltunnel zum Arbeiten einen der zwei Tische heraus, die mit ihrem Ballett aus fast 800 Einzelteilen schon allein eine Schau sind.

Zwar ist der Mulsanne nicht ganz so schnell wie ein Privatjet und auch mit der neuen Online-Navigation ist man auf Straßen angewiesen und deshalb bisweilen vom Stau bedroht. Doch es gibt ein paar gute Gründe, die trotzdem für die Flughöhe Null sprechen – das noch einmal softere Fahrwerk, das einen wie auf Wolken bettet aber anders als der Flieger keine Turbulenzen kennt. Und die himmlische Ruhe an Bord, die Bentley mit noch mehr Isolierung und aktiven Motorlagern sogar noch einmal gesteigert hat. Hätte das Auto noch eine echte, mechanische Uhr – ihr Ticken wäre wahrscheinlich das einzige, was man im Fond noch hören würde.

So kuschelig und gemütlich es auf den Liegesesseln auch sein mag, so gerne man sich den gekühlten Champagner in die maßgefertigten Kelche füllt, so dringend die Akten auf dem noblen Klapptischchen auch sein mögen und so neugierig man mit dem Tablet-Computer spielt, der auf Knopfdruck aus der Rückenlehne des Vordersitzes surrt und mit einem Griff demontiert werden kann – es gibt selbst in diesem Auto ein Argument, das den Besitzer aus seiner Luxuslounge treibt und hinters Lenkrad lockt: Der 6,75 Liter große V8-Liter-Motor unter der mächtigen Haube. Zwar hat er nur 512 statt der 537 PS aus dem Speed, und 2,7 Tonnen bleiben 2,7 Tonnen. Doch wenn kurz jenseits der Leerlaufdrehzahl 1 020 Nm zupacken, dann fühlt sich selbst so eine riesige Limousine plötzlich federleicht an. Während der Achtzylinder tatsächlich ein wenig die Stimme anhebt und sich die Achtgang-Automatik zumindest in dem bei diesem Auto eher überflüssigen Sport-Modus ein paar spürbare Schaltpunkte erlaubt, nimmt der Mulsanne so unmerklich Fahrt auf, als würde er von einem Magneten gezogen und nicht von einem Motor getrieben. Von 0 auf 100 in 5,5 Sekunden und Spitze immerhin 296 km/h – was schon in einer normalen Luxuslimousine ziemlich eindrucksvoll wirkt, wird in diesem langen Lutatsch zu einem echten Spektakel. Allerdings braucht es den Weitblick eines Kreuzfahrt-Kapitäns und das Augenmaß eines Sportschützen, um das Dickschiff tatsächlich derart dynamisch zu bewegen. Denn jetzt, wo der Mulsanne nicht nur länger, sondern mit der Modellpflege auch breiter geworden ist, werden selbst weite Straßen plötzlich ganz schön eng. Von den verwinkelten Hotelzufahrten in der Welt der Reichen und Schönen ganz zu schweigen.

Ein aufgefrischtes Design, das zeitgemäßes Infotainment, die spektakulären Tablet-Computer zum ausklappen und mitnehmen und nun auch der lange Radstand – für das Ringen mit Rolls-Royce fühlt sich Bentley-Chef Wolfgang Dürheimer mit dem überarbeiteten Mulsanne gut gewappnet. Zumal die geschiedene Schwerster jetzt ohnehin erst einmal Pause macht und die Produktion ihres Flaggschiffs für den Generationswechsel knapp zwei Jahre unterbricht. Doch eines wurmt Dürheimer trotzdem noch: Dass in den mächtigen Bug kein Zwölfzylinder passt. Nicht dass der Achtzylinder schwächeln würde oder sonst einen Tadel hätte – schließlich ist der 6-3/4 eine Legende und gehört seit einem halben Jahrhundert zu Bentley. Doch die vielen neuen Kunden der Marke sind sich dieser Tradition womöglich nicht bewusst, räumt Dürheimer ein. Und weil es nicht sein kann, dass im größten Auto nicht auch der dickste Motor steckt, steht das für den Nachfolger ganz oben auf der Liste, sagt der Bentley-Chef: „Der nächste Mulsanne kommt auf jeden Fall auch mit Zwölfzylinder.“ Das werden sie bei Rolls-Royce in Goodwood nicht gerne hören.