Bote des Glücks: Der Talisman Grandtour ist ein Kombi für Genießer
Renault verspricht Firmenfahrern und Familienvätern jetzt ein buchstäblich großes Stück vom Glück. Denn pünktlich zum Start der Feriensaison bringen die Franzosen den Talisman zu Preisen ab 28 950 Euro auch als Grandtour in den Handel und machen ihr Flaggschiff damit gar vollends zum idealen Langstreckenauto. Denn wo zum Beispiel der Passat Variant den Praktiker, der Skoda Superb den versnobten Aufsteiger und der Dreier Touring den Dynamiker, will der Grandtour ein Kombi für Genießer sein und verwöhnt die Insassen deshalb nach Strich und Faden.
Dabei nutzt Renault vor allem die Technologiebausteine aus dem Espace und zaubert ein für die Mittelklasse der Importeure ungewohnt vornehmes Ambiente. Bei 4,87 Metern Länge, 2,81 Metern Radstand und extra dünnen Kuschelsitzen bietet der Kombi deshalb nicht nur reichlich Platz auf allen Plätzen. Sondern mit Massagefunktion und Relax-Kopfstützen, Wohlfühl-Licht und einer ziemlich entrümpelten Bedienung rund um den großen, senkrechten Touchscreen wird er zur Wellness-Oase auf Rädern und umschmeichelt Normalverdiener und Durchschnittsdeutsche so, wie es sonst nur S-Klasse-Fahrer kennen. Savoir vivre – die Franzosen wissen einfach, wie man es sich nett macht und das Leben auch im Auto genießt.
All das kennt man natürlich schon von der Limousine. Doch im exakt 1 000 Euro teureren Kombi erlebt man diesen Komfort noch einmal in einer ganz anderen Dimension. Vor allem im Fond. Denn unter dem längeren Dach sitzt man in der zweiten Reihe noch ein bisschen besser, und hinter der große Klappe mit der tiefen Ladekante kann man ordentlich was verstauen: 572 Liter schluckt der Grandtour bei voller Bestuhlung und 1 681 Liter, wenn man die Rückbank mit zwei Fingerzügen umgelegt hat.
Zwar proben die Franzosen mit dem stolz und selbstbewusst gezeichneten Talisman endlich wieder den großen Auftritt. Doch unter der Haube backen sie eher kleine Brötchen: Wo insbesondere die deutschen Hersteller noch immer auf den Sechszylinder setzen oder zumindest bei zwei Litern Hubraum bleiben, folgt Renault konsequent der Idee vom Downsizing und beschränkt sich auf ein paar Schrumpfmotoren. Die beiden Benziner mit 150 oder 200 PS haben deshalb nur 1,6 Liter Hubraum und bei den drei Dieseln von 110 bis 160 PS stehen 1,5 oder 1,6 Liter im Datenblatt. So lange man mit dem Talisman gemütlich und gelassen dahin gondelt, auf der Landstraße flaniert und auf der Autobahn nur im Verkehr mitschwimmt ist das alles in Ordnung.
Doch wer ambitioniert fahren möchte, der bringt die kleinen Triebwerke schnell an ihre Grenzen. Selbst der stärkste Diesel, der mit 380 Nm, einem Sprintwert von 9,3 Sekunde und einem Spitzentempo von 213 km/h auf dem Papier noch ganz solide aussieht, wirkt in der Praxis ungewöhnlich kurzatmig und zugeschnürt. Das ist doppelt schade. Denn wer ihn trotzdem fordert, kann den ansonsten ordentlichen Verbrauch von 4,6 Litern ohnehin vergessen. Und auch die dickste Isolierverglasung wird hinfällig, wenn die Rumpfmotoren nur oft genug gegen den Drehzahlbegrenzer orgeln und so die Kabine mit ihrem Sägen fluten.
Dabei hätte der große Kombi durchaus das Zeug zum Kurvenbeißer. Schließlich ist er der einzige in dieser Klasse, der mit einer Allradlenkung aufwartet. Die lässt den langen Lulatsch nicht nur in der Stadt besonders handlich wirken und erleichtert so das Rangieren. Sondern das spürt man auch auf einer kurvigen Landstraße, wo der Radstand virtuell um eine Klasse schrumpft und man am Steuer eines Mégane Grandtour wähnt.
Doch streng genommen ist der Talisman dafür gar nicht gemacht. Sondern das große Glück mit dem großen Kombi erlebt man auf einer großen Fahrt wie der in den Urlaub. Erst recht, wenn man den Multisense-Regler für die Charaktereinstellung von Sport wieder auf Comfort stellt, die Ambientebeleuchtung von einem aggressiven Rot in ein beruhigendes Blau wechselt und einem der Sitz automatisch den ganzen Ärger aus dem Rücken knetet. Da verliert selbst der längste Stau seinen Schrecken und der Urlaub fängt schon mit dem Losfahren an.