Wegen des großen Erfolges verlängert: Im XXL-Format buhlen E-Klasse, XF, A4 und X1 um die Gunst der Chinesen
Länge läuft – nicht nur auf dem Wasser, sondern auch auf den Straßen in China. Denn wer etwas auf sich hält im Reich der Mitte, der sitzt hinten rechts statt vorne links – und gönnt sich dort gerne ein paar zusätzliche Zentimeter. Deshalb gibt es in Peking oder Shanghai von der Mittelklasse aufwärts kaum eine Limousine im Standard-Format, sondern ausschließlich gestreckte Versionen. Nicht umsonst liefert Mercedes allen 500 Maybach S-Klassen nach China – und zwar jeden Monat! Von der C-Klasse verkaufen die Schwaben 80 Prozent in XXL und die E-Klasse gibt es abgesehen von den AMG-Varianten im Reich der Mitte traditionell nur mit verlängertem Radstand.
Diesem Anspruch tragen angesichts der riesigen Bedeutung des chinesischen Marktes nahezu alle europäischen Hersteller Rechnung und ziehen ihre Erfolgsmodelle für den Export in die Länge. Deshalb sind es auch einmal mehr die Langversionen europäischer Dauerbrenner, die in dieser Woche auf der Motorshow in Peking m Rampenlicht stehen.
„Die größte E-Klasse für unseren größten Markt“ – so trommelt Daimler-Chef Dieter Zetsche für den Generationswechsel seiner eleganten Stretch-Limousine, die sich um 14 Zentimeter reckt und so im Fond fast schon an die S-Klasse heran reicht. Ähnlich wie beim Maybach haben die Schwaben dabei nicht einfach nur ein Zwischenstück in die Tür gesetzt, sondern die gesamte Silhouette verändert und noch ein Dreiecksfenster in die C-Säule geschnitten. Außerdem gibt es im Fond neben Sitzen mit erweitertem Komfort eine clevere Mittelkonsole, die neben gekühlten Cupholdern und USB-Buchsen eine kleine Sensation birgt: Zum ersten Mal hat dort jetzt auch Mercedes einen Touchscreen eingebaut. Wenn das mal nicht der Beginn einer schwäbischen Revolution ist.
Auch Jaguar hat die chinesische Lust an der Länge mittlerweile erkannt und feiert deshalb mit dem XFL gleich eine doppelte Premiere. Denn der ebenfalls um 14 Zentimeter gestreckte Engländer ist nicht nur der erste seiner Art, sondern zugleich das erste Auto, das die Briten – gemeinsam mit Chery – in China bauen. Und auch Jaguar hat es nicht bei der Fahrt über die Streckbank belassen. Sondern genau wie bei Mercedes verschiebt sich auch hier die Gewichtung von vorn nach hinten und die Rückbank wird kräftig aufgerüstet – klimatisierte Massagesitze, Klapptische und Rear-Seat-Entertainment inklusive. Selbst die Klimaanlage wird umgebaut und soll mit einer Ionisierung für weniger dicke Luft im Dauersmog sorgen. Und falls der Chauffeur mal nicht ganz so auf Zack ist, gibt es sogar eine Art elektronischer Ausstiegshilfe. Denn sobald sich beim Öffnen der Türe von hinten ein Fahrzeug nähert, schlägt ein Warnsystem Alarm.
Zwar fahren E-Klasse und XF im größten Segment des Premiummarktes. Doch auch in der Klasse darunter ist genügend Luft für Langversionen. Deshalb laufen bei den lokalen Partnern Autos wie die Mercedes C-Klasse oder der BMW Dreier ebenfalls über die Streckbank und der neue A4 feiert diese Woche auf der Motorshow in Peking seine Premiere mit neun Zentimetern mehr Radstand. Anders als in der gehobenen Mittelklasse gibt es dort allerdings keine nennenswerten Komfort-Extras, sondern die weitgehend bekannte Ausstattung. Dafür allerdings bietet Audi den langen A4 sogar in der neuen S-Version an.
Die lange Limousine mag klassisch sein und noch immer das Straßenbild in den Geschäftsvierteln der Städte dominieren. Doch auch der Chinese geht mit dem Trend – und der heißt nun mal SUV. Deshalb ziehen die ersten Hersteller jetzt sogar ihre Geländewagen in die Länge. Der BMW X1 mit zwölf Zentimetern mehrmacht auf der Messe den Anfang und lockt dank der zusätzlich verschiebbaren Rückbank mit mehr Beinfreiheit als der große Bruder X5. Der VW Tiguan XL ist bereits fest versprochen und bis der in China gebauten GLA und GLC über die Streckbank fahren, ist es sicher nur eine Frage der Zeit. „Wir haben solche Varianten längst auf dem Radar“, sagt HANS GEORG ENGEL , der das chinesische Forschungs- und Entwicklungszentrum von Mercedes leitet.
Die Chinesen können sich also entspannt zurücklehnen und jetzt auch hinten so richtig bequem die Füße ausstrecken. Doch auch wenn sich mancher deutsche Taxifahrer über eine lange E-Klasse freuen würde, man im Jaguar XFL viel besser sitzt als im engen Flaggschiff XJ und dem X1 der Platzgewinn sicher nicht schadet, gehen die deutschen Kunden erst einmal leer aus: Weil alle Langversionen in China produziert werden und nur für den lokalen Markt bestimmt sind, gibt es für die Luxusliner keinen Weg zurück.