Rarer Renner für reiche Raser: Als GTS ist der M4 mit allen Wasser gewaschen
Es sind nur drei Zahlen, doch mehr braucht Frank van Meel nicht, um den neuen M4 GTS zu beschreiben: 3,8 Sekunden von 0 auf 100, ein Leistungsgewicht von 3,0 Kilogramm pro PS und eine Nordschleifen-Zeit von weniger als 7:28 Minuten machen das Power-Coupé für den Chef der M GmbH zu dem mit Abstand schärfsten und leidenschaftlichsten Modell im Portfolio. Streng genommen gibt es allerdings noch zwei weitere Zahlen, die diesen mühsam in die Regularien der Straßenverkehrsordnung gezwungenen Rundstreckenrenner charakterisieren: Der Preis von 142 600 Euro, der geschmeidige 65 000 Euro über dem konventionellen M4 liegt, und die limitierte Stückzahl von 700 Exemplaren, die nur wenige Wochen nach der Vorstellung des Kraftmeiers vergriffen war. Auch wenn der M4 GTS in diesen Tagen zu den Händlern rollt, können sich Spätentschlossene deshalb den Weg zum BMW-Betrieb ihres Vertrauens sparen.
Was ziemlich schade ist. Denn sie verpassen ein Fahrgefühl, wie es selbst bei BMW mittlerweile selten geworden ist. Wo sogar M5 und M6 zu potenten Designer-Spielzeugen mutiert sind und der konventionelle M4 nicht viel mehr ist als ein Vierer unter Dopingverdacht, gibt der M4 GTS buchstäblich den Sportler reinsten Wassers: Kaum fällt man in die engen Karbonschalen und spürt den Zug der Hosenträgergurte, bekommt man eine Gänsehaut. Sobald der Motor sein wütendes Brüllen, Röhren und Rotzen durch den vierflultigen Titanauspuff jagt, kribbelt das Trommelfell. Und wenn sich mit dem ersten Gasstoß die Doppelkupplung schließt, ballt sich der Magen zu einem schweren Klumpen und das Lustzentrum wandert direkt in den rechten Fuß. So und nicht anders muss sich ein Sportwagen anfühlen.
Dabei sieht der M4 GTS mit seiner messerscharfen Klinge am Bug, der neuen, von großen Nüster durchbrochenen Motorhaube und dem riesigem Bügelbrett auf dem Heck nicht nur aus, als würde er auf Sitte und Ordnung pfeifen. Sondern er bewegt sich tatsächlich hart an den Grenzen der Zulassungsvorschriften, sagt von Meel: „Der GTS ist das Maximum dessen, was auf der Straße an Rennwagen möglich ist“.
Und er bietet ein Minimum dessen, was man bei BMW auch in einem Rennwagen an Lack und Leder erwarten darf. So hat die schnelle Truppe aus Garching zwar aus Gewichtsgründen neben Hauben und Dach auch die Türverkleidungen und die Mittelkonsole aus Karbon gebacken und sogar bei Kleinigkeiten wie den Schräubchen für den verstellbaren Spoiler oder dem Haltegestänge für das Cockpit auf das Gewicht geachtet. Und weil sie sogar die Rückbank geopfert haben, ist der GTS mit seinen 1 510 Kilo tatsächlich über einen Zentner leichter als ein normaler M4. Doch auf eine Klimaanlage muss man bei dem heißen Ritt trotzdem genauso wenig verzichten wie auf den Abstandstempomaten oder natürlich das aufwändige Infotainmentsystem, für das die Bayer auch einen Rundstreckentrainer programmiert haben.
Ganz im Gegensatz zu seinem gemeinen Auftritt erweist sich der GTS beim Fahren als überraschend gutmütiges Auto: Ja, er ist brutal schnell, bretthart und brüllend laut. Und wenn die Bremsen wie Zangen in die Karbonscheiben beißen, werden die Augen des Fahrers gefährlich groß. Doch wo andere Sportwagen dieses Kalibers kantig und eckig werden und sich nur noch von kundiger Hand auf Linie halten lassen, fährt der M4 GTS bis weit in den Grenzbereich rund und harmonisch, wird nur ein kleines bisschen leicht im Heck und tänzelt ein wenig mit seiner knackigen Kehrseite, bevor er sich wie von selbst wieder gerade stellt und mit irrwitzigem Tempo aus der Kurve zieht. Natürlich ist man in diesem Auto atemlos. Erst recht, wenn man es weit jenseits der Verkehrsregeln auf einer Rennstrecke bewegt. Doch bleibt einem am Steuer des GTS nie die Luft weg vor Schreck, selbst wenn man mitten der Kurve mal den Fuß lupft und korrigierend ins Lenkrad greift.
Was den GTS neben der Fastenkur, der ausgefeilten Aerodynamik und natürlich dem Gewindefahrwerk so scharf und schnell macht, ist sein mächtig getunter Motor. Statt 431 leistet der Dreiliter-Turbo jetzt 500 PS und das maximale Drehmoment klettert von 550 auf 600 Nm. Das erreichen die Bodybuilder aus Bayern nicht mit einem neuen Chip und mehr Druck im Lader, sondern mit einer handfesten Technologie-Premiere: Als erstes Serienmodell nutzt der M4 GTS die wiederentdeckte Wassereinspritzung. Mit ihr wird im Sammler ein feiner Wassernebel in den Abgasstrom gespritzt, der die Ladeluft herunterkühlt. Das mindert die Klopfneigung, erlaubt eine höhere Verdichtung, mehr Ladedruck und einen früheren Zündzeitpunkt.
Das wirkt: Der Motor atmet entsprechend freier durch, und der M4 schreitet noch schneller aus: Von 0 auf 100 km/h beschleunigt das Power-Coupé jetzt in 3,8 Sekunden und eingebremst wird es erst bei 305 km/h – und das ganz ohne das M Drivers Package, das man bei den anderen M-Modellen für den erweiterten Auslauf noch immer mitbestellen muss. Obwohl die Leistung deutlich steigt, geht sogar durch den feinen Wassernebel sogar die thermische Belastung des Motors zurück. Wer immer brav den Fünf-Liter-Tank im Kofferraum nachfüllt, hat deshalb nicht nur mehr, sondern auch noch länger Spaß mit seinem M4.
Die Wassereinspritzung ist aber nicht die einzige Neuerung, mit der die M GmbH die Kleinserie zum rasenden Technologieträger macht. Sondern zum ersten Mal in einem Serienauto kommen beim M4 GTS auch Rückleuchten mit der neuen OLED-Technik zum Einsatz. Diese so genannten organischen Leuchtdioden sind dünner und strahlen flächiger als konventionelle LED und ergeben damit ein noch technokratischeres Bild. Am Heck ist diese Technik besonders gut aufgehoben. Schließlich werden die allermeisten anderen Autofahrer den M4 GTS wenn überhaupt dann von hinten sehen.