Wer den Sturm säht: In diesem McLaren bleibt einem selbst mit offenem Dach die Luft weg
Ordentlich Wind macht McLaren in der Sportwagenszene schon lange. Denn nur fünf Jahre nach der Rückkehr auf die Straße haben die Briten nicht nur mehr als 5000 Autos gebaut und bereits satte Gewinne eingefahren. Sondern sie sind längst auch als ernsthafte Gegner für Ferrari, Lamborghini und Porsche akzeptiert. Doch gegen das, was jetzt kommt, sind der neue 570 S oder der 650 S nur laue Luftnummern. Denn wenn in diesem Sommer die Auslieferung des 675 LT Spider beginnt, wird der Zweisitzer als stärkster und schärfster offener McLaren diesseits der Formel 1 einen wahren Sturm entfachen.
Wie schon letztes Jahr das Coupé setzt der in Erinnerung an den legendären F1 Long Tail benannte LT-Spider auf mehr Kraft und weniger Kompromisse: Die Leistung des V8-Turbos im Heck steigt von 650 auf 675 PS und das Drehmoment klettert um 22 auf 700 Nm. Gleichzeitig speckt der Spider rund 100 Kilo ab, weil die Ingenieure nicht nur noch mehr Karbon und Titan verbauen, sondern wirklich alles weglassen, was irgendwie verzichtbar ist. Die Kabine ist deshalb leer und ausgeräumt und ohne die übliche Dämmung fühlt man sich wie die letzte Erdnuss, die ein hungriger Esser gerade aus der Dose schüttelt, so ungefiltert knallen kleinste Steinchen in die Radhäuser, so roh und wild dröhnt einem das 3,8-Liter-Triebwerk im Nacken und so unvermittelt spürt man bei dem knochentrockenen Fahrwerk noch die winzigste Fahrbahnunebenheit. Dazu eine noch direktere Lenkung, Bremsen mit noch mehr Biss und eine Aerodynamik, mit noch mehr Abtrieb – fertig ist ein Rennwagen, der nur mit Mühe und Not in das Korsett der Straßenverkehrsordnung zu quetschen ist: Man muss kein PS-Profi sein um zu merken, dass die Uhren in diesem Auto anders gehen. Mit mehr Karbon in der Karosse noch steifer, mit weniger Dämmung noch lauter, mit kürzeren Schaltzeiten der Doppelkupplung noch aggressiver und mit der schnelleren Lenkung noch schärfer – es ist als würde man Sex die Socken ausziehen, so intensiv und gefühlsecht geht es im McLaren jetzt zur Sache.
Und mit dem Spider ist es, als würde man beim Beischlaf jetzt auch noch das Licht anschalten. Weniger, weil einem durch das dreiteilige Hardtop die Sonne auf die Stirn scheint oder weil der Fahrtwind an den Haarspitzen zupft. Sondern vor allem, weil der Sound nun noch freier den knappen Innenraum flutet und man das Gefühl hat, man sitze nicht vor, sondern im Motor. Das klappt selbst dann, wenn das Dach geschlossen ist – denn während die Heckscheibe bei offenem Dach als Windschott stehen bleiben darf, kann man sie bei geschlossenem Verdeck auch versenken und so eine Liveschaltung in den Kraftraum installieren.
Doch die ansonsten ziemlich geniale Konstruktion hat auch ein paar Haken. Wer es ernst meint mit der Raserei, der stört sich an den 40 Kilo, die der Leichtbau-McLaren mit der aufwändigen Mechanik wieder aufsattelt. Und wer ungeduldig ist, für den sind die knapp 20 Sekunden Striptease eine arge Geduldsprobe. Denn so schwer es einem beim Spiel mit dem Gasfuß auch fällt: Viel schneller als 40 Sachen darf man nicht fahren, wenn sich das Dach bewegt.
Wenn es aber erst einmal offen ist, mag einem der Wind noch so stürmisch um die Nase wehen, raubt einem dieses Auto trotzdem bei jedem Gasstoß den Atem. Die Puste bleibt einem bei diesem Spider aber nicht allein wegen der Fahrleistungen weg, sondern auch bei der Erwähnung des Preises droht ernsthafte Luftnot. Schließlich kostet der 675 LT mit Klappdach mindestens 340 725 Euro und ist damit schlappe 80 000 Euro teurer als der normale Spider der Super Series. Doch keine Sorge, oft wird es nicht zur Atemnot im Autohaus kommen: Genau wie das Coupé ist auch der 675 LT Spider auf 500 Exemplare limitiert – und schon lange vor der Markteinführung restlos ausverkauft.