Luxusoase im lauen Wind: Als Cabrio tauscht die S-Klasse das Business-Dress gegen Bermuda-Shorts
Die Mercedes S-Klasse ist die erfolgreichste Luxuslimousine der Welt und fährt deshalb meist in offizieller Mission. Doch jetzt lässt selbst der große Benz fürs dicke Business mal ein bisschen locker, hängt Anzug und Krawatte in den Schrank und öffnet sogar die obersten zwei Knöpfe am Hemd: Denn nach mehr als 40 Jahren bietet Mercedes sein Flaggschiff endlich auch wieder als Cabrio an. Für Preise ab 139 052 Euro wird das Prunkschiff deshalb noch in diesem Frühjahr zur Luxusoase im lauen Wind und bringt ein wenig sommerlichen Teint auf die Gesichter der Herren Vorstandsvorsitzenden und ihrer verwöhnten Gattinnen.
Auf den ersten Blick ist das überfällige Cabrio, das dem Sechser BMW weit voraus ist, Audi eine schmerzhafte Lücke im Portfolio aufzeigt und sich in großen Schritten englischen Luxusmodellen wie dem Bentley Continental oder gar dem Rolls-Royce Dawn annähert, freilich nicht viel mehr als eine offene Variante traditionellen S-Klasse Coupés. Doch mit ein paar billigen Schnitten mit der Blechschere wollten sich die Entwickler nun wirklich nicht zufrieden geben. Deshalb haben sie nicht nur so aufwändig die Struktur verstärkt, dass die S-Klasse zu einem der steifsten und stabilsten Cabrios am Markt wird und selbst auf schlechten Strecken kein Knistern im Gebälk zu spüren ist. Sondern sie haben gleich auch einen neuen Hinterwagen konstruiert und dabei mehr denn je auf eine Konstruktion aus Aluminium gesetzt. So drücken sie das Gewicht des Rohbau beim Cabrio auf den gleichen Wert wie beim Coupé.
Wenn die Schwaben ihre teuersten Kunden schon an die frische Luft setzen, soll es ihnen wenigstens an nichts fehlen. Deshalb will die S-Klasse natürlich auch das komfortabelste Cabrio aller Zeiten sein. Dafür fahren die Entwickler noch einmal ordentlich auf: Von der offenem E-Klasse gibt es den ausfahrbaren Windabweiser im Scheibenrahmen, der zwar nicht schön aussieht und beim Fahren obendrein ein bisschen Lärm macht. Aber zusammen mit dem ebenfalls elektrischen Windschott, das hinter den Rücksitzen ausgefahren wird, streicht einem dann auch bei hohem Tempo tatsächlich nur noch ein laues Lüftchen durch das Haupthaar. Dazu gibt es den bekannten Nackenföhn Airscarf. Man kann nicht nur alle vier Sitze individuell heizen, sondern sogar die Armauflagen vorglühen. Wenn sich das elektrische Verdeck mit einem Druck auf den ziemlich unpraktisch unter der Armlehne versteckten Knopf oder mit der Fernbedienung am Schlüssel bis Tempo 60 auch während der Fahrt binnen 20 Sekunden in den Kofferraum faltet, schaltet die Klimaanlage automatisch so um, dass die Temperatur innen unverändert bleibt. Und obwohl einem in einer S-Klasse eigentlich immer die Sonne scheint, haben die Schwaben das Cabrio auch für schlechtes Wetter gerüstet: Das Verdeck ist so dick gepolstert, dass die S-Klasse bei geschlossenem Dach flüsterleiste bleibt und man keinen Unterschied mehr zum Coupé spürt.
Selbst an so schnöde Nebensächlichkeiten wie den Gepäcktransport hat Mercedes gedacht und für das Cabrio der S-Klasse die erste automatische Verdeckwanne entwickelt: Künftig müssen reiche Sonnenanbeter deshalb nicht mehr von Hand die Trennung zwischen Koffern und Dach aufstellen um das Volumen von 250 auf 350 Liter zu vergrößern, sondern können auch diesen Handgriff einer Elektronik und einem Elektromotor überlassen. Nur eines hat selbst Mercedes nicht hinbekommen: Zwar mag die mit ihren 5,05 Metern ziemlich stattliche S-Klasse vier Sitze haben und zur Not kann man sich tatsächlich auf die Rückbank quetschen, doch ein echter Viersitzer ist auch das größte Cabrio der Republik nicht.
Wo sie schon so viel Energie in die Sonnenseite der S-Klasse gesteckt haben, durften sich die Entwickler beim Antrieb vornehm zurück gelehnt und mussten keine Änderungen vorgenommen. Warum auch? Sowohl der 455 PS starke V8-Motor aus dem S 500 als auch der S63 mit den 585 PS von AMG aus Affalterbach sind über jeden Zweifel erhaben und mit Sprintwerten von bestenfalls 3,9 Sekunden allemal zuverlässige Garanten für ein hinreichendes Maß an frischer Luft. Und für alle die, die es wirklich wissen wollen, gibt es ja bald auch noch den 630 PS starken V12 aus dem S65.
Doch wo man sonst nie genug Leistung haben kann, ist diesmal weniger sogar mehr: Der V8 aus dem 500er ist so kultiviert und hat mit seinen zwischen 1 800 und 3 500 Touren abrufbaren 700 Nm so viel Punch, dass die AMG-Versionen nur für Selbstdarsteller zur Versuchung werden und man sich die fast 50 000 Euro Aufpreis für den 63er getrost sparen kann. Natürlich geht der mit einem größeren Drehmoment zu Werke, klingt kerniger und verbeißt sich noch fester im Vordermann. Aber auch mit dem stärkeren Motor und dem strafferen Fahrwerk wird aus diesem luftgefederten Gleiter kein Fighter, so dass man seinen gesunden Blutdruck gar nicht erst in Gefahr bringen muss. Maximale Entspannung statt aggressiver Anspannung – so lautet in diesem Daimler die Devise. Dafür macht Mercedes im S-Klasse Cabrio nicht nur sein eigenes Klima, lässt das Licht herein oder sperrt Lärm und Luftzug aus. Sondern die Schwaben kümmern sich an der frischen Luft sogar um den passenden Duft: Damit es selbst im Stau oder im Stadtverkehr ein bisschen nach California Dreaming riecht, fächelt aus dem elektronischen Zerstäuber im Handschuhfach exklusiv das Cabrio-Parfüm „Pazifik Mood“.