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Avant auf Abwegen: Als Allroad wird der A4 zum SUV für Softies

Published in motosound.de

Audi steckt den A4 in eine schmucke Trecking-Tracht. Denn kaum mehr als ein halbes Jahr nach dem Start gibt es den neuen Avant künftig auch wieder als Allroad. Der Geländekombi steht ab Juni bei den Händlern und kostest mindestens 44 750 Euro.

Für einen Offroad-Aufschlag von rund 2 500 Euro gibt es neben optischem Zierrat wie dem markanten Grill mit vertikalen Streben, den wuchtigeren Schwellern und Schürzen, dem angedeuteten Unterfahrschutz und den schwarzen Plastikbinden um die Radläufe vor allem 34 Millimeter mehr Bodenfreiheit und einen entsprechend größeren Aktionsradius. Angeboten wir der Allroad fürs Erste mit fünf Dieseln von 150 bis 272 PS und einem 252 PS-Benziner, die natürlich immer und ausschließlich als Quattro starten.

Zwar haben die Bayern die Auswahl der Fahrprofile erweitert und für leichtes Gelände eigens einen Offroad-Modus programmiert. Doch mal abgesehen vom bequemeren Zustieg und der etwas besseren Aussicht halten sich die fühlbaren Unterschiede im Alltag in engen Grenzen: Solange man auf der Straße bleibt, ist der A4 auch als Allroad ein ungewöhnlich kultivierter Kilometerfresser, der flüsterleise fährt, extrem präzise zu führen ist und vor allem mit seinem vornehmen Ambiente beeindruckt. Erst wenn er ins Abseits rollt, lässt er den Abenteurer raushängen und wühlt sich so unbeirrt durch Schotter oder Schnee, als wolle er den Q-Modellen nacheifern.

Zwar passt der Allroad als SUV für Softies perfekt in eine Zeit, in der die Begeisterung für Geländewagen genauso groß ist wie die Kritik, die den Vorstandpanzern entgegenschlägt. Doch im Grunde wäre der Geländekombi trotzdem nicht mehr als eine geschickt gemachte Modellvariante, die mit wenig Aufwand eine große Wirkung erzielt – wenn bei dem Projekt nicht Männer wie Dieter Weidemann ihre Finger im Spiel gehabt hätten. Denn Weidemann leitet die Quattro-Entwicklung bei Audi und hat für den Allroad mit einem eisernen Prinzip gebrochen: Zum ersten Mal verzichten die Bayern auf einen permanenten Allradantrieb und setzen zunächst beim Zweiliter-Benziner wie so viele andere Hersteller auf ein System, das die Hinterachse nur bei Bedarf zuschaltet. Allerdings machen die Bayern das etwas geschickter und konsequenter als die Konkurrenz. Denn ihre Steuerung den größeren Weitblick, sagt Weidemann. Sie kann schneller und öfter reagieren. Und vor allem koppelt sie die Hinterachse mit einer zweiten Trennkupplung tatsächlich komplett ab. Nur so werden die großen Schlepp- und Reibmomente vermieden, die den größten Teil des Quattro-Mehrverbrauchs ausmachen, erläutert der Entwickler.

Dass man am Steuer von alledem nichts mit bekommt, liegt an einer aufwändigen Elektronik, die 100 Mal pro Sekunde Dutzende von Parametern abfragt und so permanent den maximal möglichen Grip des kurveninneren Vorderrades berechnet. Noch bevor diese Grenze überschritten wird, schließen sich die zwei Kupplungen und der Allrad fährt wieder auf allen vieren. „Damit erreichen wir einen zeitlichen Vorsprung von immerhin einer halben Sekunde“, sagt Weidemann  und wundert sich selbst, wie selten die Kupplungen schließen müssen: Auf  seiner 120 Kilometer langen Normrunde, die den ganz normalen Autofahrer-Alltag simuliert, fährt sein Allroad Sommers wie Winters allenfalls 15 Prozent als Quattro und auf der Autobahn sogar noch viel seltener.

Für das System und dessen Abstimmung haben Weidemann und seine Kollegen allerdings viele hunderttausend Kilometer abgespult. Und sie haben hunderte von Managern mit auf Testfahrt genommen, um sie von diesem Prinzipienbruch zu überzeugen. „Das haben wir viel Geduld gebraucht und jede Menge Klinken geputzt “, räumt der Ingenieur ein.

Fünf Jahre Entwicklung sind eine verdammt lange Zeit und für eine Marke wie Audi sind Änderungen beim Quattro-Konzept wie eine Operation am offenen Herzen.  Und das alles für 0,3 Liter weniger Verbrauch im Alltagsbetrieb, Herr Weidemann? Der Quattro-Mann lässt diese Kritik nicht gelten und kontert mit zwei anderen Zahlen: Denn erstens sinkt mit der neuen Ultra-Technologie der Mehrverbrauch der Quattros auf 0,2 Liter, was verschwindend wenig ist für den Gewinn an Sicherheit und Performance. Und zweitens müsse man die Technik im Großen und Ganzen sehen, sagt Weidemann und sieht keinen Grund, weshalb der Ultra-Quattro nicht Schritt für Schritt über die komplette Modellpalette eingesetzt wird. Bei einem weltweiten Quattro-Anteil von knapp 50 Prozent wird aus der kleinen Einsparung spätestens dann eine richtig große Sache