Knauser aus Korea: Mit dem Ioniq will Hyundai vor allem dem Toyota Prius ans Leder
Das Image vom Billiganbieter und Preisbrecher haben sie schon abgestreift und sich stattdessen mit solidem Design und üppiger Ausstattung als asiatische Alternative zu VW etabliert. Doch jetzt geben sich die Koreaner schon wieder einen neuen Anstrich und wollen auch in der Öko-Wertung ganz nachvorne fahren: „Wir machen Hyundai und Kia zu einem der führenden Anbieter von umweltfreundlichen Fahrzeugen“, sagt Chefstratege Minsoo Kim und verspricht für beide Marken bis zum Ende des Jahrzehnts rund zwei Dutzend Modelle mit alternativen Antrieben.
Das erste und zugleich wichtigste Auto dieser grünen Armada ist der Ioniq, mit dem Hyundai konsequenter als jeder andere Hersteller auf den Toyota Prius zielt. Der 4,47 Meter lange Fünfsitzer, der daheim in Korea seit dem Jahreswechsel verkauft wird, seine internationale Prämiere im März auf dem Genfer Salon feiert und in Deutschland im Herbst in den Handel kommt, sieht deshalb nicht nur aus wie eine hübsch gemachte Kopie des Sparweltmeisters, bei der die Designer die schlimmsten Sünden an der strömungsgünstigen Tropfenform geschickt kaschiert haben. Sondern er nutzt auch ein ganz ähnliches Antriebskonzept mit vergleichbaren Eckdaten.
Unter der Haube schnurrt deshalb ein nagelneuer Vierzylinder-Turbo-Direkteinspritzer mit 105 PS und 147 Nm, den Kia eigens für den Einsatz an der Sparfront optimiert hat. Mit bis zu 200 bar Einspritzdruck sowie einer separaten Kühlung für Motorbock und Zylinderkopf steigt der thermische Wirkungsgrad des Turbo-Triebwerks auf 40 Prozent und liegt damit auf einem Niveau mit dem bisweilen etwas asthmatisch klingenden 1,8-Liter aus dem neuen Prius. Genau wie bei Toyota arbeitet der Verbrenner im Team mit einer im Getriebe integrierten E-Maschine, die bei Hyundai auf 44 PS kommt. Sie wird gespeist aus einem 1,56 kWh großen Akku, den sie beim Bremsen durch Rekuperation selbst wieder auflädt. Das macht der E-Motor so gut, dass man den Ioniq im Stadtverkehr nach ein paar Kilometern Übung auch mit einem Pedal fahren kann und die konventionellen Bremsen kaum mehr benötigt.
Überhaupt sind die beiden Motoren ein gut eingespieltes Team: Wenn sie sich mit der vereinten Anzugskraft von 147 Nm beim Benziner und 170 Nm bei der E-Maschine ins Zeug legen, flirrt der digitale Zeiger nach 10,8 Sekunden über die 100er-Marke und wer es darauf anlegt, kann bis zu 185 km/h erreichen und so mit den meisten Dieseln in diesem Segment mithalten. Nur das rein elektrische Fahren ist keine Stärke des Ioniq. Wer den Gasfuß schön leicht macht, surrt zwar tatsächlich ohne Sprit von der Ampel weg und mit reichlich Geduld schafft der Hyundai ohne den Verbrenner angeblich sogar mehr als 100 km/h. Doch weil der E-Betrieb selten der effizienteste ist und sich die Ingenieure der optimalen Gesamtbilanz verpflichtet haben, kann man den Ioniq anders als den Prius nicht mal für ein paar hundert Meter in den Batteriebetrieb zwingen. Stattdessen gibt es nur die Wahl zwischen einem eher gemütlichen Standard-Modus oder einer Sport-Programmierung, in der das Auto spürbar die Muskeln anspannt. Spätestens dann merkt man auch, dass der Ioniq den vielen Alublechen sei dank relativ leicht ist und mit dem Akku im Boden einen tiefen Schwerpunkt hat.
So nah sich die beiden Sparer aus Fernost auch sind, gibt es doch ein paar kleine aber entscheidende Unterschiede. Dass Hyundai unter dem Rücksitz eine moderne Lithium-Polymer-Zelle einbaut statt wie Toyota eine altbackene Nickel-Metall-Hydrid-Batterie mag dabei noch als technische Feinheit für den Wettkampf der Ingenieure durchgehen. Doch dass der Ioniq auf eine konventionelle Doppelkupplung statt des stufenlosen Planetengetriebes setzt, ist ein kluger Schachzug. Denn während der Prius auch nach der Komfortoffensive zum Generationswechsel noch immer ungewöhnlich laut ist und jede intensivere Beschleunigung mit dem Wiehern der Drehzahlsprünge quittiert, klingt der Ioniq wie ein ganz normales Auto – und fühlt sich auch so an. Dass die Designer dabei auf Sperenzchen wie den in die Mitte gerückten Tacho, einen winzigen Schaltstummel oder weiße Konsolen mit imitiertem Apple-Ambiente verzichtet haben, unterstreicht diesen Unterschied um so mehr: Der Prius fällt auf und eckt bisweilen an. Der Ioniq dagegen ist im guten, wie im schlechten völlig unauffällig. Dass er mit einem avisierten Normwert von 3,3 Litern dabei drei Zehntel über dem Toyota liegt, nimmt man da bereitwillig in Kauf. Zumal sich der Verbrauch hier wie dort in der Praxis bei etwa fünf Litern einpendeln wird.
Der Ioniq sieht seiner alternativen Grundform zum Trotz nicht nur weniger irritierend aus als der Toyota und fährt mit seiner wunderbar unaufgeregten Doppelkupplung so viel besser, dass man den Hybridantrieb nach ein paar Kilometern schon wieder vergessen hat. Sondern er ist auch das klügere Konzept. Denn während die Japaner beim Prius allein auf den Hybridantrieb setzen und den Plug-in erst später und dann auch nur als Kleinserie nachreichen, will es der Ioniq allen recht machen und kommt deshalb in drei Varianten: Zur Markteinführung im Herbst wird es ihn deshalb bei uns mit leicht retuschiertem Design auch gleich als reines Elektroauto mit etwa 250 Kilometern Reichweite geben und im Jahr darauf kommt er auch mit einem Plug-In-Baustein, der das beste aus beiden Welten vereinen will und gute 50 Kilometer stromern kann.
„Wir wollen dem Kunden nicht vorschreiben, mit welchem Antrieb er in die Zukunft fahren soll“, sagt Entwicklungschef Woong Chul Yang: „Sondern unsere Vision für die Mobilität von Morgen fußt auf einer Auswahl mehrerer Technologien, aus denen sich jeder Kunde die für seine Lebensumstände passende heraus suchen kann.“
Zwar ist den Koreaner mit dem Ioniq tatsächlich ein großer Wurf gelungen. Und mit ein bisschen Glück können sie sogar die rund 20 Prozent Preisvorteil nach Europa retten, mit denen sie daheim gegen den Hybrid-Meister, so dass ihr grüner Hoffnungsträger bei etwa 24 000 und nicht wie der Prius bei 26 850 Euro starten würde. Doch bis sie tatsächlich am Thron des Toyota sägen können, wird es wohl noch ein bisschen dauern, räumt Chefstratege Kim ein. Denn selbst wenn sie die Produktion mit allen drei Varianten bis 2017 auf 75 000 Fahrzeuge pro Jahr steigern können, bleiben sie damit weit hinter ihren Vorbildern aus Japan zurück. Die bauen und verkaufen die gleiche Flotte in nicht einmal drei Monaten.