Klein, aber Schwein: Der neue BMW M2 ist die in Blech gepresste Freude am Fahren
Spaßbefreite Elektro-Autos, knatternde Dreizylinder sowie Familienkutschen mit hohem Dach und angetriebener Vorderachse – was hat BMW seinen Kunden in den letzten Jahren nicht alles zugemutet. Doch keine Sorge, die Freude am Fahren ist noch nicht vergessen. Sondern als Trost für alle Bedenkenträger bringt die M GmbH jetzt mit dem neuen M2 einem BMW reinsten Wassers an wischt alle Zweifel aus der Welt: Nein, zumindest in Garching haben sie noch nicht vergessen, wie man Lust und Leidenschaft buchstabiert und wie man Autos baut, aus denen man am liebsten gar nicht mehr aussteigen möchte. Sondern es braucht mit dem M2 nur ein paar weniger Kilometer, dann gräbt sich dem Fahrer ein Grinsen ins Gesicht, das nie mehr vergeht. Selbst dann nicht, wenn man am Ende der Probefahrt die Sprache aufs Geld kommt. Denn auch wenn der ab Mitte April lieferbare M2 mit einem Grundpreis von 56 700 Euro etwa doppelt so viel kostet wie der kleinste Zweier und knapp 17 000 Euro über dem M235i liegt, ist er mit weitem Abstand das billigste M-Modell, das BMW zu bieten hat. Und mehr Emotionen pro Euro bietet ohnehin kein anderes Auto aus München.
Quell dieser Freude ist der bekannte Reihensechszylinder, dessen neu programmierte Elektronik jetzt 370 PS aus dem Dreiliter-Turbo kitzelt – fast 50 PS mehr als im M235i. Das ist zwar noch immer ein Hauch weniger als beim A 45 AMG des Hauptkonkurrenten aus Stuttgart. Doch erstens wirkt ein Sechszylinder einfach souveräner als ein Würfel mit vier Töpfen. Und zweitens springt die M GmbH nicht auf die alberne Allradwelle, sondern lässt es nach alter Väter Sitte beim Heckantrieb und sichert sich so unangefochten den Sieg in der Spaßwertung.
Denn während die Gänge – natürlich auf Wunsch von Hand! – nur so durch die engen Gassen fliegen, die Knöchel vom festen Griff um das dicke Sportlenkrad schon langsam weiß werden und die rote Nadel weit über 6 000 Touren schnellt, prügelt der Sechszylinder den Wagen so vehement voran, dass einem Hören und Sehen vergeht: Im besten Fall nach 4,3 Sekunden hat man 100 Sachen auf der Uhr, beim Überholen auf der Landstraße ist man ruckzuck auf 160, 180 und selbst da hat der bayerische Bolide noch so viel Dampf, dass die Ingenieure bei 250 km/h nur vorübergehend die Reißleine ziehen. Wer will und dafür extra zahlt, kann den gewöhnlichen Kompakten auch mit bis zu 270 km/h davon fahren.
Aber es ist ohnehin nicht das Spitzentempo, dass im M2 zur stetigen Verlockung wird. Sondern mit dem Fahrwerk und Lenkung aus M3 und M4, mit dem elektronischen Sperrdifferential an der Hinterachse und natürlich mit seinem Heckantrieb zieht es den Kraftprotz unter den Kompakten wie von selbst auf eine kurvige Landstraße, die gar nicht eng und verwinkelt genug sein kann. Dort ist der Zweier in seinem Element. Unerschütterlich hält er den Bodenkontakt, scharf schneidet er durch die Kurven, und bei jedem Zwischenspurt lässt er ganz leicht das Heck kommen, bevor ihn ein geschickter Lenkengriff oder zur Not das Stabilitätsprogramm mühelos wieder einfängt.
Dabei klingt der M2 so echt und ehrlich wie ein Rockstar beim unplugged-Konzert. „Ja, auch wir haben vor den vier Endrohren eine Klappensteuerung“, muss Projektleiter Frank Isenberg fast schon peinlich berührt einräumen. Und natürlich feuert die Elektronik ihr Zwischengas nicht nur für die geschmeidigen Gangwechsel, sondern auch für den Showeffekt. Doch umso stolzer erzählt er davon, dass er das Gewicht nicht mit exotischen Materialen unter 1 500 Kilo gedrückt hat. Sondern durch den Verzicht auf überflüssige Dämmung. Und jedes noch so kleine Funktionsgeräusch, das jetzt aus Antrieb oder Karosse in den Innenraum dringt, genießt man wie das authentische Knacken einer Schallplatte in einer antiseptischen Welt gefühlskalter MP3-Files. So ist der M2 nicht nur ungestümer als die meisten anderen BMW, sondern er ist auch ein bisschen ungehobelt und deshalb nur umso reizvoller.
Das gilt auch für das Design des Coupés. Innen lebt der M3 deshalb zumindest noch einen Hauch von Purismus und ertrinkt nicht im üblichen Cocktail aus Glanzlack und Alcantara. Und außen spielt er so unverhohlen mit seiner Kraft, dass sich i3-Fahrer vor Scham abwenden und das BMW-Logo von ihrem Elektroauto knibbeln werden: Als hätten die Ingenieure das Blech nur mit der allergrößten Mühe über die Muskeln dieses Zweier zerren können, platzt die Karosserie beinahe aus allen Nähten. Die um bis zu acht Zentimeter weiter ausgestellten Koftflügel über den 245er Reifen vorn und den 265ern im Heck sehen deshalb aus, als hätte Mister Universum seinen Bizeps in ein Kinder-Shirt gezwängt. Und das Heck ist so breit, dass man diesen Zweier auch dann noch als M2 erkennen kann, wenn man ihn so sieht, wie ihn die meisten Verkehrsteilnehmer sehen werden: Als blauen Punkt, der rasend schnell am Horizont verschwindet.
Politisch korrekt ist so ein Auto nun wirklich nicht, und natürlich passt es auch nicht in die Zeit. Aber es passt zur Marke und zahlt in diese mindestens so viel ein wie jedes neue Öko-Modell. Und vielleicht bekommen auf diese Weise sogar all die spaßbefreiten Elektro-Autos, die knatternden Dreizylinder und die Familienkutschen mit hohem Dach und angetriebener Vorderachse einen Sinn. Denn je mehr vernünftige Autos die Bayern bauen, desto leichter können sie sich solche wundervollen Ausreißer wie den M2 erlauben.