Der Golf der Grünen: Mit dem neuen Prius will Toyota an der Spitze der Sparer bleiben
Er war der erste und ist noch immer der erfolgreichste: Kein anderes Öko-Auto verkauft sich so gut wie der Toyota Prius. Nach fast 20 Jahren, drei Generationen und über 3,5 Millionen Einheiten längst ein Synonym für die Hybrid-Technik wie Tempo für Taschentücher, hat er die Industrie vor sich her getrieben und die Konkurrenz aufgeschreckt. Für Projektleiter Kouji Toyoshima ist das Segen und Fluch zugleich. Ein Segen, weil es die Arbeit der letzten zwei Jahrzehnte bestätigt und ihm dem Rücken stärkt. Und ein Fluch, weil sich der Golf der Grünen nun einer ganzen Flut von Wettbewerbern stellen muss, wenn am 20. Februar zu Preisen ab 28 150 Euro die vierte Generation in den Handel kommt.
Auf der einen Seite hat sich Toyoshima dabei auf die alten Stärken des Prius besonnen und sich nicht vom Wettrüsten der Konkurrenten anstecken lassen. Den sonst mittlerweile üblichen Lithium-Ionen-Akku baut Toyota deshalb nur daheim in Japan ein, wo das Klima und der Dauerstau den Batterien stärker zusetzen. Für den Export begnügen sich Japaner jedoch mit den Nickel-Metall-Hybrid-Zellen, die billiger aber in Toyoshimas Augen nicht schlechter sind. Und so lange es keine entsprechend große Nachfrage gibt, kommt der Plug-In-Prius nur als Kleinserie, die in Deutschland erst kurz vor dem Jahreswechsel erwartet wird. Frei nach dem Motto „Never Change a Winning Team“ bleibt es stattdessen beim 1,8-Liter-Vierzylinder mit 98 PS und 142 Nm, der jetzt allerdings auf einen rekordverdächtigen Wirkungsgrad von 40 Prozent kommt. Es bleibt beim Elektromotor, der nun sogar nur noch 72 PS und 163 Nm leistet, und es bliebt bei der stufenlosen Automatik, die als Planetengetriebe mit dem Elektromotor und dem Generator verblockt ist. Und weil das Zusammenspiel weiter optimiert wurde, weil Toyota den Prius im Windkanal zum cW-Meister geschliffen hat und weil jede Komponente leichter ist sowie effizienter arbeitet, geht der Verbrauch um rund ein Viertel zurück: 3,0 Liter auf em Prüfstand machen den Prius zum Streber unter den Sparern und stehlen jedem Diesel die Schau.
Aber auf der anderen Seite hat Projektleiter Toyoshima den Prius angesichts der erwachten Konkurrenz völlig neu positioniert. Das Auto soll endlich raus aus der Ecke der Exoten und ankommen im Alltag der Kunden. Man soll den Prius nicht wegen, sondern trotz der Spar-Technik fahren und dabei tatsächlich ein bisschen Spaß haben, verspricht der Chef-Ingenieur. Wie ihm Firmenchef Akio Toyoda ins Lastenheft geschrieben hat, will Toyoshima beim Prius den „Wow“-Faktor wecken ausgerechnet bei dem ökologischen Aushängeschild beweisen, dass ein Toyota seinen Besitzer nicht nur im räumlichen Sinne bewegen kann: „Wir wollen ein Lachen in die Gesichter unserer Kunden zaubern.“
Die echten Unterschiede spürt man deshalb weniger beim Sparen, wenn sich der Verbrauch nach zwei, drei Stunden Alltagsbetrieb auf noch immer sehr vorzeigbare Werte zwischen vier und fünf Litern einpendelt, als beim Fahren: Ob das zackigere Design im Stil des Brennstoffzellen-Bruders Mirai wirklich jugendlicher wirkt oder doch nur den cW-Wert drückt, das liegt im Auge des Betrachters. Die paar Zentimeter mehr Länge merkt man vor allem am größeren Kofferraum, der auch vom Umzug des Akkus unter die Rückbank profitiert und jetzt 501 Liter fasst. Und so richtig nach Hightech und Apple-Store sehen die weißen Plastikkonsolen im Cockpit vielleicht doch nicht aus. Aber man sitzt jetzt spürbar tiefer und bekommt so schon wieder ein bisschen mehr Lust aufs Lenken. Und man muss nur einmal aufs Gas treten, dann fühlt sich der Prius tatsächlich frischer und aufgeweckter an. Der Klang des Verbrenners ist ein wenig sonorer geworden und vor allem besser gedämmt. Das ganze Auto wirkt nicht mehr so teigig, zäh und lustlos, als sei das Fahren doch nur eine lästige Nebensache – selbst wenn man die gewöhnlichen Diesel bei einem Sprintwert von 1,6 Sekunden und einem Tempolimit von 180 km/h meist doch nur von hinten sieht.
Aber vor allem hat Toyota der stufenlosen Automatik endlich das nervige Sägen abgewöhnt: Mit einem optimierten Planetengetriebe bleiben die großen Drehzahlsprünge künftig aus, der Motor orgelt beim Beschleunigen nicht mehr bis kurz vor dem Tinitus und der Prius klingt ein bisschen mehr nach Verbrennungskraftwagen und weniger nach Waschmaschine im Schleudergang. So beschleunigt er sanfter, spricht besser an und ist bei höherem Tempo deutlich ruhiger. Dazu ein Fahrwerk mit spürbar mehr Feedback, eine Lenkung mit größerer Richtlinienkompetenz und dank 60 Prozent größerer Karosseriefestigkeit rundherum das Gefühl, etwas mehr Auto in der Hand zu haben – fertig ist ein Kompakter, der sich aus der Ecke der Alternativen wieder ein wenig weiter in die Mitte des Marktes geschoben hat.
Diese Argumentation stützt Toyota zudem mit einem ganzen Bündel neuer Technologien, die irgendwie in die Ausstattungs- und Optionsliste gepuzzelt werden und den Preis so locker auf 35 000 Euro treiben – von den LED-Scheinwerfern über den Abstandsradar mit Notbremsfunktion und Fußgänger-Erkennung bis hin zum Head-Up-Display. Nur die reichlich angestaubte Fußfeststellbremse haben die Japaner noch immer nicht ausgemustert.
Selbst wenn man dem vierten Prius den Generationensprung beim Blick unter die Haube vielleicht nicht auf Anhieb ansieht, lässt Toyoshima deshalb auf die Arbeit seines Teams nichts kommen: „Wir haben in jeder Generationen neue Maßstäbe bei Verbrauch, Emissionen und Effizienz gesetzt“, sagt der Projektleiter deshalb mit großem Selbstbewusstsein: „Aber nie war der Fortschritt so groß wie bei unserem neuesten Modell.“