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Cyberspace im Herrenclub: Jetzt geht der Jaguar XJ in die Online-Offensive

Published in motosound.de

Es ist ein Kampf auf verlorenem Posten, aber er kämpft ihn mit Stil. Denn kein anderer Konkurrent von Mercedes S-Klasse, BMW Siebener und Audi A8 spielt die Rolle des Außenseiters im Oberhaus so würdevoll wie der Jaguar XJ – kein Wunder, bei einer Tradition von mittlerweile acht Generationen und fast 50 Jahren. Deshalb stehen die Briten in Treue fest zu ihrem Flaggschiff, polieren es jetzt sogar noch einmal gründlich auf und bringen in diesen Tagen zu Preisen ab 81 000 Euro eine überarbeitete Version der Luxuslimousine in den Handel.

Allerdings zeugt diese Modellpflege von einem gewissen Sinneswandel der Entwickler. Hat Jaguar den XJ bislang vor allem als ebenso sportliche wie stilvolle Limousine für Selbstfahrer positioniert, locken die Briten nun mit einer Online-Offensive die Nerds und Internetjunkies unter den Besserverdienern. Denn während sich die Änderungen an der Hardware in engen Grenzen halten, spielen sie eine faszinierende neue Software auf und bringen so einen Hauch von Cyberspace in den Herrenclub.

Dreh- und Angelpunkt dafür ist der acht Zoll große Touchscreen, der in der heimeligen Atmosphäre aus Lack und Leder das Fenster in die digitale Zukunft öffnet. Nicht umsonst ist die neue Infotainmentgeneration natürlich immer Online, hat eigene Apps, lässt sich problemlos mit dem Smartphone koppeln und bietet eine Navigation, die umfassender ist als bei vielen anderen Luxuslinern. So lässt sich die Route – auf Wunsch auch daheim am Rechner – von Tür zu Tür geplant werden, es gibt alternativ zur Fahrstrecke auch Empfehlungen für den öffentlichen Nahverkehr und wer seinem Ziel näher kommt, kann es sich auf dem Bildschirm schon mal in einem 360-Grad-Panorama anschauen. Auch das riesige TFT-Display hinter dem Lenkrad haben die Briten neu programmiert. Zwar sieht es im Standard-Modus so unauffällig und zurückhaltend aus wie ein analoger Chronometer aus Glashütte. Doch wer mit der neuen Zeit gehen will, der kann sich ähnlich wie in den Virtual Cockpits von Audi zum Beispiel eine vollflächige Navigationsgrafik ins Blickfeld holen.

Das alles wirkt um so bemerkenswerter, als dass der XJ ansonsten als womöglich letzter Jaguar das Hohelied des britischen Herrenclubs anstimmt und mit der entsprechenden Ausstattung viel klassischer und traditioneller vorfährt als die deutsche Konkurrenz: Dunkles Holz und dickes Leder mit aufwändig gesteppten Mustern erinnern an eine Zeit, als das Empire noch groß und die Queen mächtig war.

Apropos gute, alte Zeit. So ganz ist die auch bei den Jaguar-Ingenieuren nicht vergessen. Denn bei aller Fokussierung auf die neue Software hat es auch noch für ein Update der Hardware gereicht. Beim Design gilt das vor allem für die neuen Scheinwerfer, die jetzt mit markanten LED-Brennern arbeiten, und unter der Haube für den in den meisten Ländern dominanten Diesel. Der V6-Kompressor mit seinen drei Litern Hubraum und 340 PS bleibt zwar genauso unverändert wie der spündig-süße V8-Motor mit seinen wunderbar gestrigen fünf Litern Hubraum, den 550 PS und dem gellend lauten Brüllen der Lader. Doch der drei Liter große V6-Diesel legt mit der Modellpflege deutlich zu. Die Leistung klettert von 275 auf 300 PS und das maximale Drehmoment macht einen Sprung von 600 auf 700 Nm. Entsprechend scharf sind die Krallen, die Jaguar beim Kickdown ausfährt. Während der Selbstzünder im normalen Betrieb nur fern und leise säuselt, hört man dann ein wütendes Fauchen und der Luxusliner macht einen gewaltigen Satz: Von 0 auf 100 in 6,2 Sekunden und mühelos auf 250 Sachen – da bekommt Fracksausen eine ganz andere Bedeutung.

Sollen die digital Natives Nerds doch weiter im Netz surfen, ihr Ziel in der Panorama-Ansicht studieren oder sich vom Auto zur Not sogar zu einer Fahrt mit der Straßenbahn überreden lassen – auch im Zeitalter des Touchscreens hat ein schwerer Gasfuß noch nicht ausgedient und analoge Unterhaltung ihren Reiz.