Big im Business: So will die neue E-Klasse zum Star von Viel- und Firmenfahrern werden
Am Mercedes-Himmel geht ein neuer Stern auf. Denn nach reichlich Vorgeplänkel ziehen die Schwaben jetzt in Detroit das Tuch von der neuen E-Klasse. Ab April als Limousine und im Herbst dann auch wieder als Kombi, will der große Benz fürs dicke Geschäft nicht weniger sein als das intelligenteste Modell in der Business-Klasse, sagt Entwicklungsvorstand Thomas Weber: „Die E-Klasse ist der Kern der Marke Mercedes-Benz und definierte in der Vergangenheit immer wieder aufs Neue die Maßstäbe im Segment. Jetzt führt sie diese Tradition mit zahlreichen Innovationen in die Zukunft“, sagt Weber mit Blick auf die stark erweiterte Autonomie für die Assistenzsysteme, auf mehr Effizienz, Sicherheit und Komfort, weniger Stress auf langen Strecken und mehr Spaß auf der Landstraße.
Betont clean und ohne Kanten gezeichnet wie eine Mischung aus C- und S-Klasse, wächst die Limousine dabei in allen wichtigen Dimensionen: Den Radstand strecken die Schwaben um fast sieben Zentimeter auf 2,94 Meter und die länge wächst um vier Zentimeter auf 4,92 Meter. Trotzdem wird das Auto bis zu 70 Kilo leichter. Aber es ist weniger der ohnehin nur marginale Zuwachs an Platz, der den Generationswechsel zu einem Quantensprung macht. Sondern es ist das neue Interieur, mit dem Mercedes bei der E-Klasse Maßstäbe setzt. Zumindest, wenn man nicht die Basisversion für Knauser und Taxler bestellt, die unverständlicherweise noch mit konventionellen Instrumenten und sogar ohne Navigation auskommen muss. Für alle anderen E-Klassen gibt die Devise „Cinemascope“ statt „Kaminzimmer“ und hinter der riesigen Bildschrimwand fühlt man sich fast wie im Cockpit der Enterprise.
Dazu gibt es neben den neuen Blackberry-Tasten am Lenkrad genau wie in C- oder S-Klasse auf dem Mitteltunnel die Kombination aus Drehrad und Touchpad und weil es offenbar dem Geist der Zeit entspricht eine Ambientebeleuchtung mit 64 Farben. Je nach Geschmack wirkt das allerdings genauso verspielt wie der ziemlich ornamental beleuchtete Startknopf, der vor dem Anlassen auch noch pulsiert – so viel Spielerei passt zu einem Mini, aber nicht zu einem Mercedes.
Wie es sich für ein gutes Kino gehört, haben die Schwaben aber nicht nur an der Leinwand bzw. den Displays gearbeitet, sondern auch an den Sitzen. Denn als Traumwagen von Vielfahrern und Handlungsreisenden präsentiert die E-Klasse ihre digitale Datenshow gerne in Überlänge. Und damit man am Ende trotzdem entspannt und ausgeruht aussteigt, bieten die neuen Sessel mehr Massagefunktionen als die Hot-Stone-Sitze aus der S-Klasse. Und genau wie bei der großen Schwesterlimousine sind natürlich auch hier alle Konsolen und Auflagen beheizt. Außerdem hat Mercedes zum ersten mal eine Sitzverlängerung entwickelt, bei der es keine lästige Krümmelfalte mehr gibt. Schluss also mit den Popcorn-Resten an der Hose, um im Bild mit dem Kino zu bleiben.
Dass Mercedes sich so viel Mühe mit dem Innenraum gegeben hat, liegt auch an der Vielzahl der neuen Assistenzsysteme. Denn das Fahren selbst wird in der Baureihe W213 so nebensächlich wie nie zuvor. Schuld daran ist der „Drive Pilot“, mit dem die Schwaben die Grenzen des autonomen oder zumindest assistierten Fahrens wieder ein Stück weiter verschieben. Schließlich hält die Limousine jetzt auf weiten Strecken alleine die Spur, nimmt mit Blick auf die Fahrbahnmarkierung oder den Vordermann auch Kurven ohne Zutun des Fahrers und braucht selbst zum Überholen nur noch ein kurzes Kommando mit dem Blinkerhebel. Zwar muss der Fahrer regelmäßig Anwesenheit und Aufmerksamkeit quittieren. Aber statt wie bislang ins Lenkrad zu greifen, muss er jetzt nur noch die Sensortasten im Lenker berühren, um der Elektronik wieder ein paar Sekunden Ruhe und Entspannung abzuringen.
Aber die E-Klasse fährt nicht nur weitgehend alleine auf der Autobahn. Sie scannt auf Kreuzungen auch den Querverkehr oder weicht bei drohenden Kollisionen mit Fußgängern nach einem dezenten Hinweis des Fahrers alleine aus. Und statt den Fahrer beim Parken nur zu unterstützen, rangiert sie per Fernbedienung vom Smartphone aus selbst in die Lücke. Auch sonst spielt das Handy übrigens buchstäblich eine Schlüsselrolle in der neuen E-Klasse. Weil man die Zugangsdaten fürs Auto auf dem Telefonchip speichern kann, darf der Zündschlüssel auch mal zu Hause bleiben.
Bei so vielen elektronischen Errungenschaften rücken die Neuheiten unter dem Blech fast in den Hintergrund. Dabei hat die Limousine auch in den klassischen Gewerken nachgelegt. Nicht minder leidenschaftlich als von Bits und Bytes erzählt Chefingenieur Michael Kelz deshalb von den drei unterschiedlichen Fahrwerken und den fünf Fahrvorprogrammen, die er so weit gespreizt hat, dass der Taxler im nacktem Basis-Modell genauso zufrieden ist wie der Schnellfahrer im E 63, für den AMG um die 600 PS bereit stellen wird. Er schwärmt vom neuen Vierzylinder-Diesel OM 654, der mit seinem Alublock einen großen Anteil daran hat, dass die E-Klasse schon ohne Hybrid nur noch 3,9 Liter verbraucht. Als E 220d mit 190 PS steht dieser Zweiliter-Motor gleich im April in der Startaufstellung, genau wie der E200-Benziner mit 184 PS und einem Normverbrauch von 5,9 Litern.
Bei zwei Motoren wird es aber natürlich nicht bleiben: Sondern bei den Dieseln reicht das Spektrum mittelfristig von Vierzylinder mit 150 PS bis zum 258 PS starken V6 und bei den Benzinern geht es hinauf bis zum Sechszylinder mit 333 PS. Dazu noch drei Modelle von AMG, der Plug-In und später auch ein 48-Volt-Hybrid sowie die Erdgas-Umrüstung, schon ist das Dutzend komplett.
Die erste Testfahrt mit den beinahe autonomen Prototypen, eine Sitzprobe im neuen Innenraum und nun die aufwändig inszenierte Premiere in Detroit – viel gibt es nicht mehr, was Daimler jetzt noch zur E-Klasse verraten könnte – außer den Preisen. Doch wenn Mercedes zurück an die Spitze des Segments will, darf es keinen großen Aufschlag geben, so dass rund 43 000 Euro für den Einstieg eine gute Schätzung sind. Aber die E-Klasse wäre kein echter Mercedes, wenn man den Tarif nicht mit ein paar Extras glatt verdoppeln könnte. Und davon gibt es künftig schließlich mehr denn je.