Ikone in Not: Mit diesem Facelift will Mercedes den SL über die Runden retten
Mercedes ohne SL ist wie Porsche ohne 911. Denn in über 50 Jahren ist der offene Zweisitzer zur Ikone gereift und aus dem Portfolio der Schwaben deshalb nicht mehr weg zudenken. Dummerweise haben die Strategen in Stuttgart das in den letzten Jahren irgendwie vergessen und den offenen Klassiker ohne Not arg in die Bredouille gebracht. Denn seine Rolle als luxuriöser Cruiser macht ihm demnächst das Cabrio der S-Klasse streitig und für die sportliche Open-Air-Erfahrung, wird es von AMG bald einen offenen GT geben. Und Konkurrenten wie der BMW Sechser, der Porsche 911 oder das Maserati Gran Cabrio machen ihm das Leben auch nicht leichter. Die Einsicht kommt zwar ein bisschen spät, aber jetzt versucht Mercedes mit einer Handbremswende zu retten, was noch zu retten ist und gönnt dem Kult-Roadster deshalb ein gründliches Facelift. Zum ersten Mal zu sehen ist die überarbeitete Version des Zweisitzers diese Woche auf der Autoshow in Los Angeles und in den Handel kommt sie im April.
Wie nötig die Kurskorrektur ist, kann man an der Tiefe des Eingriffs erkennen, den sich zumindest die Designer erlaubt haben: Sie haben den gesamten Vorderwagen neu gestaltet, den mittlerweile üblichen Diamant-Grill eingebaut, die Schürzen und Schweller kräftig geöffnet und dem SL mit serienmäßigen LED-Scheinwerfern einen entschlosseneren Blick verpasst. Außerdem bekommt er eine neue Haube mit weithin sichtbaren Powerdomes und Kotflügel mit riesigen Kiemen , die seine sportliche Seite betonen sollen.
Am Heck tut sich dagegen vergleichsweise wenig und auch innen bleibt der Neue ganz der Alte, weil es in dieser Luxusoase ohnehin nur wenig Handlungsbedarf gegeben hat. Überfällig waren dagegen die Korrekturen am versenkbaren Hardtop. Ob sich die Gepäcktrennmatte nun händisch bewegen lässt oder das Ladevolumen elektrisch variiert, ist vergleichsweise nebensächlich. Doch dass ausgerechnet der deutsche Luxusroadster schlechthin seine Besitzer buchstäblich im Regen stehen lässt, weil man das Verdeck nicht während der Fahrt bedienen kann, das ist jetzt endlich vorbei: Zumindest bis Tempo 40 und wenn man den ersten Impuls noch im Stand gegeben hat, funktioniert das Dach nun auch beim SL mit rollenden Rädern.
So kräftig Designer und Karosseriebauer zugelangt haben, zu zurückhaltend waren die anderen Gewerke. Innen gibt es deshalb vor allem eine neue Generation von Infotainment-Systemen, auf den Steuerchips der Assistenzsysteme läuft schlauere Software mit neuen Eingriffsmöglichkeiten und auf das ABC-Fahrwerk kann jetzt mit einer leichten Neigung die Querkraft in Kurven etwas besser ausgleichen.
Unter der Haube frischt Mercedes nur den Basis-Benziner im SL 400 auf. Er legt in der Leistung 35 PS und im Drehmoment 20 Nm zu und steht künftig mit 367 PS in der Liste. Daneben gibt es aus dem Werk den unveränderten SL 500 mit 455 PS und von AMG aus Affalterbach den SL 63 mit einem 585 PS starken V8 oder den noch immer einzigartigen SL 65, der es auf 630 PS bringt. 250 Sachen schaffen damit alle vier Motorvarianten spielend, für den Sprint auf Tempo 100 braucht der SL zwischen 4,0 und 4,9 Sekunden und auf dem Prüfstand gönnt er sich zwischen 7,7 und 11,9 Litern.
Über die nächsten zwei, drei Jahre kann sich der SL damit vielleicht noch retten. Zumal die offene S-Klasse erst noch zu den Händlern kommt und der GT Roadster noch gar nicht präsentiert ist. Doch langfristig müssen sich die Schwaben etwas mehr einfallen lassen als frische Schminke und neue Software. Das wissen offenbar auch die Produktstrategen in der Portfolio-Kommission. Wen man aus diesem Kreis der Entscheider auch anspricht, bestätigt die Dringlichkeit dieser Überlegung, auch wenn er lieber nicht beim Namen genannt werden will: „Wenn wir uns da nicht etwas ganz Schlaues einfallen lassen, wird es wirklich eng für unsere Ikone.“