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Tesla Model S: Die elektrische S-Klasse

Published in motosound.de

Lautlos in der Luxusklasse: Das Model S kann es mühelos mit einem BMW 6er oder einem Mercedes CLS aufnehmen.

Einen Audi A7 zum Vergleich? Lieber nicht. Dann vielleicht einen Mercedes CLS? Bedaure, nein. Und wie wäre es mit einem Porsche Panamera? Sorry, leider gerade kein Fahrzeug verfügbar. Wenn man die deutschen Nobelmarken mit dem Tesla Model S konfrontiert, dann werden die Platzhirsche in der Business-Class plötzlich ein bisschen scheu. Mit dem elektrisch angetriebenen Luxusliner aus der neuen Welt wollen sie sich lieber nicht vergleichen lassen. Aus gutem Grund. Denn zumindest auf den ersten Blick können sie gegen die Limousine aus dem sonnigen Kalifornien, die jetzt zu Preisen ab 68.000 Euro auch in Deutschland ausgeliefert wird, nur verlieren. Zu cool, zu neu, zu sexy ist der Stromer, mit dem Visionär Elon Musk nicht weniger will, als die automobile Welt verändern.

Ein bisschen was von diesem Pioniergeist spürt man schon beim Einsteigen, lange bevor man überhaupt ans Fahren denkt. Schon dass sich die bündig versenkten Türgriffe der Hand wie auf ein scheinbar geheimes Zeichen entgegen recken, ist eine Schau. Aber wenn man sich zum ersten Mal hinters Steuer setzt, verschlägt es einem fast den Atem: Dort, wo andere Luxusautos noch von Bedienknöpfen übersät sind, findet man im Model S gerade mal zwei Schalter – die für den Warnblinker und das elektrisch zu öffnende Handschuhfach. Ansonsten ist da nur ein wirklich großer Touchscreen, ungefähr in Format DIN A4. Ständig online, ist dieser riesige Tabletcomputer die Schnittstelle zum Fahrzeug und der Welt außerhalb des Autos. Über den Rechner regelt man – was nicht immer ganz einfach ist – die Stellung des Schiebedaches ebenso wie die Direktheit der Lenkung oder das Lichtszenario der Scheinwerfer. Man navigiert mit Google Maps, man scannt abertausende Radiostationen im Internet und surft so einfach durchs World Wide Web, dass auch der längste Stau seinen Schrecken verliert. Dass so ein Auto auch im Cockpit nur einen animierten Tacho haben kann, versteht sich von selbst. Die Fensterheber in den Türen und der Blinkerhebel wirken fast wie Überbleibsel aus einer anderen Zeit – und kommen einem deshalb doppelt vertraut vor. Natürlich auch, weil sie aus den Regalen von Tesla-Anteilseigener Mercedes stammen. Den Stuttgartern gehören 4,7 Prozent von Tesla, außerdem haben Mercedes-Ingenieure eifrig am Model S mit entwickelt.

Anderes Ambiente: Der Krieg der Knöpfe ist ausgefochten - im Tesla Model S gibt's nur noch einen riesigen Touchscreen.

Im Auto gibt’s jede Menge Platz auf allen Plätzen, ein zurückhaltendes Design und viel Freiraum für die Füße: Weil die gesamte Antriebstechnik im Wagenboden steckt, ist der Fahrzeugboden völlig eben und das Passagierabteil wirkt auch deshalb besonders geräumig. Auch am Gepäck muss man nicht sparen: Wo andere Limousinen den Motor haben, bietet das Model S ein Fach von 150 Litern – und unter die elektrische Heckklappe passen noch einmal 900 Liter. Dabei ist der hintere Laderaum so groß, dass man dort gegen Aufpreis auch noch eine dritte Sitzbank aus dem Kofferraumboden klappen kann, zwei Kinder finden dort locker Platz. So wird das Model S zum Siebensitzer und damit um einiges flexibler als die noblen Kombivarianten der deutschen Premiumhersteller.

Schade nur, dass die Designer irgendwann der Mut und die Konstrukteure die Liebe zum Detail verlassen hat. Denn so unkonventionell der Innenraum des 4,97 Meter langen Luxusliners auch ist, außen wirkt das schnörkellose Fließheckmodell wie eine schlecht gemachte Mischung aus Audi A7 und Porsche Panamera mit einer Frontpartie im Stil zwischen Aston Martin und Maserati. Und nach mittlerweile 20.000 gebauten Exemplaren sollte sich die Produktion so eingespielt haben, dass die Sitze nicht mehr wackeln, der Wind nicht mehr durch die Ritzen pfeift und die Fugen nicht im Zick-Zack über die Konsolen laufen. In dieser Hinsicht zumindest müssen Audi, Mercedes oder Porsche den Vergleich nicht scheuen.

Schnell und sauber: Mit dem stärksten Motor hängt das Model S an der Ampel jeden Porsche ab - und schafft immerhin 210 km/h Höchstgeschwindigkeit.

Und wo wir grad beim Meckern sind: Nicht ganz auf der Höhe ist auch ein Teil der technischen Ausstattung. Einerseits gibt wahrscheinlich kein anderes Auto mit einem derart faszinierenden Anzeige- und Bedienkonzept. Aber von einem Technik-Pionier in der Luxusklasse darf man auch ein paar moderene Assistenzsysteme erwarten. Es muss ja nicht gleich ein Autopilot sein, der bei Firmenchef Elon Musk ganz oben auf der Prioritätenliste steht. Doch der simple Tempomat und die Rückfahrkamera des Model S sind zu wenig in einer Welt, in der die etablierte Konkurrenz dem Fahrer ein ganzes Heer von Helfern zur Seite stellt. Head-Up-Display? Spurführungshilfe? Nachtsichtsystem? LED-Scheinwerfer? Staufolgefahren? Da muss Tesla leider passen.

Das Fahren im Tesla allerdings macht so viel Spaß, dass man sich das Steuer von keinem Assistenten der Welt aus der Hand nehmen lassen möchte. Bei maximal 416 PS und soliden 600 Nm Drehmoment ab der ersten Millisekunde wird jeder Ampelspurt zum Adrenalinschub, Überholen wird zum Kinderspiel und die Autobahn zur Flaniermeile. Zwar muss man die Verbrenner irgendwann doch ziehen lassen. Aber dank 210 km/h Spitze für das stärkste, dann aber auch 91.200 Euro teure Top-Modell gibt es nicht viele andere Stromer, die dem Model S die Schau stehlen können. Zumal der Wagen für ein US-Fabrikat überraschend gut abgestimmt ist. Die Luftfederung ist im sportlichsten Modus angenehm stramm und die elektrische Servolenkung sehr direkt, das Fahrgefühl insgesamt ähnelt dem in einem BMW.

Egal wie fest man aufs Pedal tritt und wie forciert man Richtung Zukunft startet – die Reichweite verändert sich kaum. Während bei anderen Elektroautos jede heftige Beschleunigung deutliche Reichweitenverluste zur Folge hat, und man deshalb irgendwann fast zwangsweise so fährt, als hätte man rohe Eier unter den Füßen, ist das im Model S völlig anders. Klar, das liegt an der Batterie! Denn der Akku des kalifornischen Luxusliners fasst bis zu 85 kWh und ist damit nicht nur 800 Kilo schwer, sondern auch fast vier Mal mal so groß wie etwa jener im BMW i3.

Batterie im Boden: Der Aufbau des Model S hat mit einem konventionellen Auto nur noch wenig gemein.

Die Reichweite ist also kein Thema, das Laden dagegen schon. Denn die Kehrseite der riesigen Akkukapazität sind schier endlose Standzeiten: Bis zu 24 Stunden kann es an einer normalen Haushaltssteckdose dauern, bis der Stromspeicher des Tesla wieder voll ist. Und selbst am Drehstromanschluss sind es acht Stunden. Elon Musk weiß, dass das zu lang ist und überzieht das Land deshalb mit einem Netz von Schnellladestationen. An bald schon 80 Standorten in Deutschland können Tesla-Fahrer bis zu 50 Prozent der Akkukapazität in rund 25 Minuten aufladen – und müssen dafür nicht einmal bezahlen. Denn den Strom fürs Model S spendiert vorerst das Unternehmen. Auch das ist eine neue Form des Marketings und bei etablierten Herstellern unvorstellbar. Kostenloser Sprit von Mercedes? Da würden ganze Straßenzüge auf Monate verstopft.

Ein spektakuläres Innenleben in einer vergleichsweise langweiligen Verpackung, ein aberwitzig aufwändiger Antrieb für erstaunliche Fahrleistungen und ein Image wie sonst vielleicht nur das iPhone. Mister Musk wird mit dem Model S nicht die Welt retten und wahrscheinlich wird sie sich wegen dieses Autos auch nicht großartig verändern. Aber eines ist gewiss: Das Tesla Model S ist das erste Elektrofahrzeug, in dem man mühelos den Alltag bewältigen kann. Audi A7, Mercedes CLS oder Porsche Panamera? Die Hersteller mögen solche Vergleiche scheuen. Die Kunden hingegen werden allmählich sehr genau abwägen, und vermutlich zu einem überraschenden Schluss kommen.

Original: Blog | MOTOSOUND

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