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Business Casual: Als Cabrio macht sich die E-Klasse gar vollends frei vom Alltag

Published in motosound.de

Ohne Krawatte zur Hauptversammlung und in Jeans zur IAA – wenn Dieter Zetsche auf eine Bühne tritt, dann pfeift der Daimler-Chef auf die tradierte Kleiderordnung der Geschäftswelt. Und selbst die E-Klasse als Inbegriff der Business-Baureihe tut es ihm jetzt gleich. Denn schon als Coupé hat es der Bestseller deutlich lockerer angehen lassen. Und wenn jetzt zu Preisen ab 54 228 als letzte Karosserievariante der wahrscheinlich wichtigsten Mercedes-Baureihe auch noch das Cabrio folgt, wechselt die E-Klasse gar vollends auf Business Casual und flüchtet aus dem vom Terminkalender diktierten Alltag.

Diese Flucht lässt sich Mercedes mit einem Aufpreis von 8 000 Euro zwar teuer bezahlen, doch dafür dauert sie auch nur 20 Sekunden. Denn länger brauchen die Elektromotoren nicht, um das riesige Stoffdach nach hinten zu falten und die E-Klasse zum Müßiggänger zu machen. Weicher geschwungene Konsolen, mehr Zierrat bei Lüftern und Leisten und hinter der Rückbank eine Schmuckplanke wie das Deck einer Yacht, die die Sonne auf der Haut und den Wind in den Haaren: Bei wem da nicht die Anspannung abfällt, der geht besser zum Arzt als zum Autohändler.

Dabei ist die offene E-Klasse ein Auto für alle Sinne: Während der Fahrwind bei aktiver Aircap nur ganz sanft an den Haarspitzen zupft und bei offenen Fenstern kräftig durch die Locken wirbelt, fächelt einem die Klimaanlage aus dem Flacon im Handschuhfach den Duft eines Sonnentages in die Nase und die Heizdrähte in Sitzen und Armlehnen machen die Insassen zusammen mit dem Klimagebläse im Nacken immun gegen die tatsächliche Temperatur. Sommer ist in diesem Auto buchstäblich eine Frage der Einstellung und weniger des Wetters.

Während man sich in weicheren Sesseln fläzt, sich wie immer elektrisch den Gurt anreichen lässt und den Blick über das mit ziemlich verspielten Lüfterdüsen aus der schnöden Sachlichkeit entführte Cockpit der E-Klasse spazieren führt, hält das Cabrio eine weitere Überraschung bereit. Denn so locker und leger es sich auch gibt, so verbindlich lässt es sich bewegen. Erst recht, wenn man von den zunächst fünf Motoren – zwei Diesel und drei Benziner mit 194 bis 333 PS weiter oben einsteigt und zum Beispiel den E300 wählt. Ohnehin knapp zwei Zentimeter tiefergelegt als die Limousine und mit einer etwas engagierteren Sitzposition, wird der  Zweitürer dann von kommoden Gleiter zum kräftigen Gran Turismo, die maximal 370 Nm entfalten eine segensreiche Wirkung, wuchten das Cabrio in 6,6 Sekunden auf Tempo 100 und wenn’s sein muss auch auf 250 Sachen und der Zweitonner schneidet viel engagierter durch die Kurven, als es der angestrengt-asthmatische Klang der vierzylindrigen Mogelpackung vermuten lässt . Spätestens dann ist es im Fond auch nicht mehr ganz so gemütlich, wie es uns Baureihenchef Christian Früh gerne weiß machen will – mehr Beinfreiheit hin und tief ausgeschnittene Sitze her.

So leicht und locker das Cabrio auch durchs Leben gleiten möchte, kann will sich der Sonnenstern aber nicht ganz frei machen von der Last des Alltags. Wie es sich für eine E-Klasse gehört, bietet deshalb auch das Open-Air-Modell sämtliche Assistenzsysteme bis hin zum Autobahnpiloten aus der Limousine. Und weil Schwaben schließlich vernünftige Menschen sind, denen jede Verschwendung fremd ist, geht das beim Generationswechsel in der Länge um zwölf, im Radstand um elf und in der Breite um sieben Zentimeter gewachsene Cabrio mit 310 bis 385 Litern Kofferraum auch als vollwertiger Viersitzer durch. Nicht umsonst prangen sogar Leseleuchten für die Hinterbänkler im Verdeck und in der Seitenverkleidung im Fond funkeln die Schalter für die beheizte Rückbank.

Selbst wenn dort außer auf dem kurzen Hüpfer zum nächsten Café oder ins Strandbad kaum je jemand sitzen wird, ist das eine wichtige Eigenschaft der E-Klasse. Denn nur so kann sie sich zumindest halbwegs von der Konkurrenz aus den eigenen Reihen emanzipieren, bevor sie zwischen dem billigeren Cabrio der C-Klasse und der noch feudaleren aber hinten weniger großzügigen S-Klasse mit Faltdach aufgerieben wird.

So viel Lust die E-Klasse auf den Sommer macht, hat die Sache nur einen Haken: Sie kommt erst im September auf den Markt. Doch erstens will auch die offene E-Klasse ein Ganzjahres-Auto sein, hat deshalb ein perfekt gedämmtes Verdeck und wird erstmals auch mit Allrad angeboten. Und zweitens bleibt uns so bei aller Lässigkeit ein Vorstandschef mit freiem Oberkörper erspart. Ganz so casual muss es je nicht gleich sein.