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BMW i3: Alles wird anders

Published in motosound.de

Bote einer neuen Zeit: Ohne charakteristische Niere am Bug wäre der i3 kaum als BMW zu erkennen.

Was für eine schwere Geburt: Sechs Jahre lang hat BMW getüftelt, gegrübelt und geforscht. Am Anfang standen sieben Mitarbeiter und eine leere Fabriketage im hintersten Winkel des Werkes. Der Auftrag an die Sieben lautete, ohne Ballast und ohne Grenzen auf einem weißen Blatt die Zukunft der Mobilität zu skizzieren. Mittlerweile sind geschätzte drei Milliarden Euro investiert, eine Handvoll Fabriken in Japan, den USA, Bayern und Sachsen aus- oder neu gebaut worden und alle Unternehmensbereiche des Autobauers von der elektrischen Revolution infiziert: Alles wegen eines vergleichsweise unscheinbaren Kleinwagens mit dem Kürzel i3, der ab Ende November lautlos und ohne Abgase zu den Händlern stromern wird.

Natürlich wird dieses Auto nicht im Alleingang die Welt retten. Und auch wenn es mit einer Karbonkarosserie auf einem Alurahmen eine neue Konstruktionsart in die Großserienfertigung einführt, wird es den Automobilbau nicht grundlegend verändern. Doch zumindest für BMW ist dieses Auto eine Revolution. Denn alles ist anders bei diesem coolen Kubus, und die Bayern machen gar nicht erst den Versuch, das zu kaschieren.

Treibende Kraft: Nur im Schnittmodell sieht man den 170 PS starken E-Motor, der unter dem Kofferraum platziert ist.

Das beginnt beim Design: Viel zu kompakt ist der Wagen für die sonst so protzige Modellpalette, ungewöhnlich kurz ist er geraten, dafür ragt er ziemlich hoch auf. Und dann der Innenraum: BMW-Fahrer müssen sich hier komplett neu orientieren und brauchen ein neues Wertesystem. Lack und Leder machen Platz für Sichtkarbon und Öko-Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen; auch das Cockpit ist völlig neu. Hinter dem Lenkrad befindet sich nur noch ein kleiner Bildschirm, und wo sonst der Zündschlüssel eingesteckt wird, wächst jetzt ein Knubbel aus der Lenksäule, an dem man die Fahrtrichtung einstellt. Den klassischen Schalthebel sucht man genauso vergebens wie analoge Instrumente, stattdessen gibt es einen riesigen Monitor über der Mittelkonsole, der manchen Tablet-Computer aussehen lässt wie einen Schwarz-Weiß-Fernseher.

Das Ungewöhnlichste ist die Sitzposition. Man steigt lässig ein durch Portaltüren, die sich in gegenläufiger Richtung öffnen und dann fällt man geradezu auf dünne Sitze, die viel bequemer sind als sie aussehen. Die hohe Sitzposition ist ein Genuss und ergibt in Kombination mit den tief nach unten gezogenen Seitenfenstern eine ungewöhnlich gute Aussicht – da fühlt man sich fast ein wenig abgehoben und der Welt entrückt. Während einen das Mobiliar in einem X3 oder X5 geradezu gefangen nimmt und in die Kommandoposition zwingt, sitzt man hier auf und nicht im Sitz und nimmt automatisch eine lässigere Haltung ein. Krampfende Hände am Lenkrad und zusammengebissene Zähne wie etwa im 3er mit Vollgas auf der linken Spur wird man im i3 nie erleben.

Schöne neue Welt: Dezent und aufs Wesentliche reduziert – so präsentiert sich das Innenleben des i3.

Aber schließlich ist ja auch das Fahrgefühl nicht so wie gewohnt. Flüsterleise und dadurch fast gespenstisch kommt der i3 auf Touren. Das geschieht wie immer bei Elektroautos extrem flott. Doch während anderen Stromern spätestens am Ortsausgang die Puste ausgeht, zieht der i3 munter weiter. Nicht die Straßenbahn, sondern wenn, dann der ICE, war das Vorbild für den 170 PS starkn und 250 Nm Drehmoment entwickelnden E-Motor, der unter dem Kofferraumboden platziert ist und die Hinterräder antreibt.

Das Auto spurtet es in 7,2 Sekunden von 0 auf 100 und lässt – typisch BMW – die meisten anderen Kleinwagen hinter sich. Und weil die schweren Akkus ganz unten im Wagenboden verstaut sind und der Radstand mit 2,57 Metern für ein Vier-Meter-Auto üppig ist, liegt der Wagen dabei satt auf der Straße. Da können die Kurven ruhig kommen.

Egal wie wie vorausschauend man jedoch fährt und wie oft man den rechten Fuß lupft – irgendwann ist der Akku leer. Im Normzyklus sollen die 22 kWh Speicherkapazität der Lithium-Ionen-Akkus für 190 Kilometer reichen, mit der Spaßbremse im Eco-Pro-Modus kommt man angeblich bis zu 200 Kilometer weit. Im realen Autoalltag halten die BMW-Leute eine Reichweite von 130 bis 160 Kilometer für realistisch. Danach muss der i3 an die Steckdose. An einer Schnellladestation lassen sich 80 Prozent der Akkukapazität in 30 Minuten aufnehmen. Mit normalem Haushaltsstrom dauert dies allerdings bis zu acht Stunden. Wem das zu lang ist oder wer generell mehr Reichweite möchte, kann den i3 auch mit Range Extender bestellen. Dieser 34 PS starke Zweizylinder-Benziner aus der Motorradsparte des Hauses hat jedoch keine Verbindung zu den Rädern und treibt ausschließlich einen Generator an. So produziert er den Strom für weitere 100 Kilometer Fahrt.

Revoluzzer der Raumfahrt: Der i3 ist kurz wie ein Mini und dafür so hoch wie ein Van.

Also alles prima auf dem Weg in die Zukunft? Zumindest so lange, bis man die Preisliste erblickt. 34.950 Euro kostet das Basismodell, doch vor allem die elektrischen Extras gehen richtig ins Geld: Der Range Extender für 4500 Euro wird zum wahrscheinlich teuersten Reservekanister der Welt, für die Wallbox an der heimischen Garagenwand werden schon ohne Montage knapp 1000 Euro fällig und wer die Schnellladung nutzen möchte, der muss weitere 1500 Euro locker machen.

Das werde die Kunden aber kaum abschrecken, glaubt BMW und spricht von einer unglaublichen Resonanz auf den Revoluzzer. Mit konkreten Zahlen zu Vorbestellungen oder Verkaufserwartungen halten sich die Bayern zwar zurück, doch immerhin haben sie schon 100.000 Anfragen für Testfahrten registriert. Offenbar sind die ersten Autos auch schon verkauft. „Wer jetzt einen i3 bestellt, der hat dieses Jahr keine Chance mehr“, sagt Produktmanager Oliver Walter. Die Lieferzeit für den i3 soll aktuell bei rund vier Monaten liegen.

Original: Blog | MOTOSOUND

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