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Renault Zoe: Der schicke Stromer von der Seine

Published in motosound.de

Neue Technik, vertrautes Design: Weil sich die Kunden beim Antrieb stark umstellen müssen, haben sich die Designer beim Zoe eher zurückgehalten.

Das Timing hätte kaum schlechter sein können. Als Renault gemeinsam mit dem Allianzpartner Nissan vor vier Jahren großspurig die elektrische Revolution ausrief, war die Autobranche buchstäblich elektrisiert und Konzernchef Carlos Ghosn gar nicht mehr zu halten. Bis zu 500.000 Strom-Pkw pro Jahr hatte er damals für Renault und Nissan zum Ende des Jahrzehnts prophezeit. Längst ist die Euphorie der Ernüchterung gewichen, bis heute wurden erst 20.000 elektrische Renault und 50.000 E-Modelle von Nissan verkauft, und statt über reine Batteriefahrzeuge favorisiert die Autowelt aktuell Plug-In-Hybrid-Typen. Ausgerechnet in diese Stimmung platzt Renault jetzt mit dem ersten Elektroauto, das man wirklich ernst nehmen kann. Denn nach eigenwilligen und vielleicht gerade deshalb durchaus erfolgreichen Zweisitz-Zwitter Twizy sowie den umgerüsteten Versionen von Kangoo und Fluence bringt die Marke im Juni das Modell Zoe in den Handel. Der Kleinwagen wurde um den Elektroantrieb herum entwickelt und bietet obendrein eine alltagstaugliche Reichweite. So soll er Kleinwagenkäufer elektrisieren und wieder ein bisschen Spannung ins Geschäft mit den Akku-Autos bringen.

Dabei setzt Renault neben einem fröhlich-vergnüglichen Design auch auf den Preis: Das Zoe-Basismodell kostet 21.700 Euro. Damit ist der rund vier Meter lange Fünfsitzer gut 12.000 Euro billiger als der Nissan Leaf. Renault sagt, erstmals sein ein Elektroauto nicht teurer als ein Kompaktmodell mit Diesel-Motor. Doch der Vergleich hinkt, denn erstens ist der Zoe eben kein Kompakt-, sondern ein Kleinwagen, zweitens kostet ein vergleichbarer Clio mit 90 PS starkem Dieselmotor rund 5500 Euro weniger, und drittens muss beim Zoe das wichtigste Bauteil extra bezahlt werden: der Akku. Auch in diesem Fall bietet Renault den Lithium-Ionen-Stromspeicher zur Miete an, wobei je nach Laufzeit und Fahrleistung pro Jahr zwischen 948 und 1464 Euro fällig werden.

Im Betrieb allerdings ist der Zoe billiger als andere Autos. Von der Kfz-Steuer ist der Wagen in Deutschland für die ersten zehn Jahre befreit; und die Wartungskosten sind durch den Wegfall von Auspuff, Ölwechsel & Co. um 20 Prozent geringer.  Einmal “volltanken” kostet übrigens derzeit weniger als sechs Euro. Außerdem ist im Kaufpreis schon eine so genannte Wallbox inklusive Installation zum Schnellladen in der heimatliche Garage inbegriffen. Ohne die geht es allerdings auch nicht. Denn unverständlicherweise kann man den Zoe als aktuell einziges Elektroauto nicht an einer konventionellen Steckdose nachladen. Unterwegs auf dem Restaurantparkplatz, im Hotel oder bei der Schwiegermutter mal eben die Akkus füllen, das ist ausgeschlossen. Und wer keine eigene Garage zur Montage einer Wallbox besitzt, fällt bei Renault von vorn herein durchs Raster der kompatiblen Kunden.

Zwischen Apple und Aldi: Das Interieur sieht klasse aus - solange man nicht allzu genau hinschaut.

In Fahrt bringt den Zoe ein Elektromotor, der 88 PS leistet. Weil der Stromer ein maximales Drehmoment von 220 Nm hat, das unmittelbar beim Losfahren abgerufen werden kann, reicht das für ein angenehm flottes Fahrgefühl. Bis Tempo 100 vergehen zwar 13,5 Sekunden und bei 135 km/h ist mit Rücksicht auf die Reichweite das Toptempo erreicht, doch in der Stadt wirkt der elektrische Clio-Cousin überaus spritzig und lässt beim Ampelspurt viele andere Kleinwagen stehen.Der Spurt von 0 auf 50 ist nämlich in vier Sekunden erledigt.

So modern die Antriebstechnik und das Infotainment-Konzept sein mögen, so rückständig ist das Interieur: Schön gedacht, aber schlecht gemacht – dieser Eindruck bleibt nach der ersten Testfahrt hängen. Das Cockpit mit dem stromsparenden TFT-Monitor hinter dem Lenkrad und der weißen Mittelkonsole sieht zwar aus wie von Apple, fühlt sich aber an, als wäre es aus der Grabbeltheke von Aldi. Die harten Kunststoffe wirken billig und lieblos, die Sitzbezüge wirken fast schon fadenscheinig und die Rücksitzlehne ist nicht mehr geteilt, sondern nur im Ganzen umklappbar. Offenbar sind die Renault-Sparkommissare beim Versuch, den Preis des E-Autos maximal zu drücken, über das Ziel hinaus geschossen.

Anschluss gesucht: Laden kann man den Zoe nur an speziellen Stationen an denen sich ein so genannter Menneckes-Stecker (Typ 2) einstöpseln lässt.

Tadellos sind dagegen Platzangebot und Raumgefühl in dem Kleinwagen. Mit den Akkus im Wagenboden und dem vergleichsweise kleinen Motor vorn unter der Haube bleibt auch bei kaum mehr als vier Metern Länge innen genügend Platz für vier Erwachsene und im Heck reichlich Raum fürs Gepäck – selbst wenn das Ladekabel in der eigenen Transporttasche fast so viel Platz wegnimmt, wie eine Getränkekiste. Der Stromspeicher unter dem Innenraum bedingt übrigens eine leicht erhöhte Sitzposition, was das Ein- und Aussteigen erleichtert und einen besseren Ausblick verschafft.

Auch das Fahrverhalten ist so, wie man es von einem Stadtflitzer erwartet – wenngleich die gut 1,5 Tonnen Leergewicht sich in Kurven und beim Federn bemerkbar machen. Trotzdem ist der Zoe wendig, schlägt sich wacker beim Ritt über Kopfsteinpflaster oder Straßenbahnschienen und lässt einen in der Großstadt schnell vergessen, dass man in einem ganz besonderen Auto fährt.

Vielleicht ist das die auffälligste Erkenntnis bei der Testfahrt mit dem Zoe: die große Unbekümmertheit, mit der man den Wagen bewegt. Beim Modellen wie dem Nissan Leaf oder auch beim Smart ed ist die Sorge um die Restreichweite allgegenwärtig, mit dem Zoe hingegen, der jede Chance zur Energierückgewinnung nutzt, auf speziellen E-Auto-Reifen rollt und mit einer Wärmepumpe ausgestattet ist, fährt man vergleichsweise sorglos. Die 210 Kilometer Aktionsradius, die Renault nach dem offiziellen Verbrauchszyklus für E-Autos angibt, kann man jedoch getrost vergessen. Die Renault-Verantwortlichen selbst sprechen von einer “echten” Reichweite zwischen 100 bis 150 Kilometer. Allerdings meldete die Batterieanzeige unseres Testautos auch nach drei Stunden Fahrt durch die Stadt und über den Autobahnring noch immer genug Energie für mehr als 60 weitere Kilometer. Und weil die Elektronik des Zoe mit vier unterschiedlichen Stromarten klar kommt, reichen manchmal schon 30 Minuten an einer Ladesäule, um die Akkus (22 kWh) wieder zu 80 Prozent zu befüllen.

Flotter Feger: 135 km/h Spitze und bis zu 150 Kilometer Reichweite - im Prinzip reicht das für die meisten Fahrten völlig aus.

Um das entspannte, leise Fahrgefühl zu unterstützen und die Sorge vor einem abrupten Ende der elektrischen Ausfahrt vergessen zu machen, hat Renault unter anderem ein besonders aufwändiges Navigationssystem mit allen öffentlichen Ladesäulen installiert sowie eine Fernsteuerung für Klima- und Akkumanagement eingebaut. Dazu gibt es ein ganzheitliches Beruhigungsprogramm  mit automatischer Innenluftbefeuchtung, sanft-sphärischen Fahrgeräuschen, damit Fußgänger den Elektro-Flüsterer nicht überhören und einen Parfumspender, der den Innenraum auf Wunsch beduftet. Die Essenz trägt übrigens den Namen „Calming“ – Beruhigung.

Original: Blog | MOTOSOUND

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