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Mercedes G 63 AMG 6×6: Daimler probt den Dessert-Storm

Published in motosound.de

  Sahid steht im schartigen Schatten einer dürren Palme und versteht die Welt nicht mehr. Dass wer Geld hat hier in Dubai und überall sonst in den Arabischen Emiraten mit einem Geländewagen durch die Wüste brettert

 

Die Wüste bebt: Wenn der Viertonner durch den Sand stürmt, zittert beinahe der Boden unter den Füßen.

Sahid steht im schartigen Schatten einer dürren Palme und versteht die Welt nicht mehr. Dass wer Geld hat hier in Dubai und überall sonst in den Arabischen Emiraten mit einem Geländewagen durch die Wüste brettert und nur noch die Touristen auf Kamelen reiten, daran hat er sich längst gewöhnt. Doch ein Ungetüm wie jenes, das da gerade mit ohrenbetäubendem Lärm die Dünen stürmt, wilde Pirouetten dreht und die ganze Gegend in eine Wolke aus Sand und Staub hüllt, das hat er noch nie gesehen. Wo auch? Schließlich ist der beduinenweiße Mercedes G 63 AMG 6×6 ein Prototyp, von dem es bislang nur zwei Exemplare gibt. Aber der Versuchsträger hat es faustdick unter den weit ausgestellten Radhäusern. Denn wo alle anderen Geländewagen auf allen Vieren durch die Wüste pflügen, stürmt dieser hier mit gleich sechs angetriebenen Rädern über den Sand – und ist deshalb kaum zu stoppen.

Mit Vollgas treibt Testfahrer Erwin Monisch den Koloss die körnigen Hänge hinauf, lässt ihn über Kuppen springen, im Drift um Kurven stieben und auf der Kammlinie der Düne surfen wie einen Wellenreiter. Der Motor brüllt, die Fliehkraft wirft die Passagiere derart herum, dass man schon nach wenigen Minuten  beinahe die Orientierung verloren hat.Oben, unten, vorne, hinten – in diesem von 544 PS ausgelösten Sandsturm sieht alles gleich aus.

Diesen Wüstensturm lässt Daimler nicht aus strategischen Gründen los, wenngleich die G-Klasse ursprünglich als Militärfahrzeug entwickelt wurde und auch die sechsrädrige Version vor ein paar Jahren zunächst für die Australische Armee entwickelt wurde. Sondern hier in Dubai gibt Baureihen-Leiter Axel Harries einem Auto den letzten Schliff, das er das „ultimative Wüsten-Funcar“ nennt. Vor allem arabische Scheichs und russische Oligarchen sollen auf das Auto anspringen. Die haben nämlich sonst schon alles  in der Garage, doch mit diesem Trumm dürften sie durchaus zu beeindrucken sein.

Stretch-Geländewagen: Mit der dritten Achse wächst der G 63 auf fast sechs Meter Länge.

Anders als die 6×6-Modelle für Australien trägt das zivile Modell natürlich keine Tarnfarben, sondern den Smoking des Werkstuners AMG: Gleißend helle LED-Leuchten brennen einen Strahl durch die staubige Wüstenluft, das Chrom der Überrollbügel funkelt in der Sonne und wenn man den Sand von der Ladefläche fegt, kommt darunter eine feine Schreinerarbeit aus Bambusholz zum Vorschein.

Deutlich höher als das Serienmodell, viel breiter und auch ein gutes Stück länger, gibt der 6×6 von außen den Supermacho. Innen dagegen macht er einen auf S-Klasse: Lack und Leder wohin man blickt und im Fond durch den gestreckten Radstand so viel Platz, dass es für bequeme Einzelsitze reicht. Wo das G-Modell sonst selbst in der teuersten Version hinten kaum gemütlicher ist als ein Truppentransporter, wird er jetzt plötzlich zur Luxuslimousine. Und auf die Prische passt zur Not auch noch ein junges Kamel.

Außen Super-SUV, innen Luxusliner und unter der Haube ein Sportwagen: Zwar wird der Vortrieb mit Rücksicht auf Reifen und Bremsen bei 160 Sachen gestoppt, doch mit dem 5,5 Liter großen V8-Bi-Turbo aus Affalterbach schmelzen die knapp vier Tonnen dahin wie Eiswürfel im Cocktail: Wenn bei Vollgas 544 PS und 760 Nm Drehmoment wüten, drückt es die Insassen tief in die Sitze, der Bug bäumt sich auf und der Wagen stürmt voran wie ein Rennkamel auf der Zielgeraden.

Viel hilft viel: Bei 544 PS und 760 Nm Drehmoment werden auch vier Tonnen Stahl plötzlich ganz leicht.

Dass er sich dabei von Nichts stoppen lässt, ist ein Verdienst der ausgefuchsten Offroad-Ausrüstung, die Projektleiter Harries aus Rüstungs- und Rallye-Technik kombiniert hat. Wie ein Dakar-Rennwagen hat der G 6×6 einstellbare Gasdruckdämpfer, mit denen er schadlos auch die größten Sprünge pariert. Von den Militärfahrzeugen übernimmt er die Portalachsen, mit denen sich Bodenfreiheit und Watttiefe fast verdoppeln, die gewaltigen 37-Zoll-Räder mit einem Meter Durchmesser kennt man von Dünenbuggys und mit einer einzigartigen Reifendruck-Regelanlage kann man während der Fahrt Luft ablassen oder die Pneus wieder aufpumpen. So vergrößert man in der Wüste auf Knopfdruck die Aufstandsfläche und der Koloss lastet plötzlich geradezu leicht auf dem Sand bevor er danach auf der Schnellstraße nur einen Knopfdruck später wieder sicher und sauber seine Spur zieht. So wird der G zum Giganten für alle Wege, mit dem man bis ans Ender der Welt fahren könnte. „Zur Not auch darüber hinaus“, sagt Testfahrer Monisch. Nur in der Stadt mag man den Koloss nicht bewegen: Dort wirkt er wie ein übermotorisierter Lastwagen, den man mit seinem riesigen Wendekreis kaum um die Kurve, geschweige denn in eine Parklücke bekommt. Aber andererseits: Wer mit diesem Auto vor dem Burj al Arab oder einem anderen Luxushotel in Dubai vorfährt, muss sich um einen Stellplatz ohnehin keine Sorgen machen.

Abenteuer-Auto für Superreiche: Mit diesem Geländewagen wird die Wüste zu einem großen Sandkasten.

Der Segen des Vorstands für das luxuriöse Wüstenschiff steht zwar noch aus, doch lässt Projektleiter Harries keinen Zweifel daran, dass dieser 6×6 zumindest in einer Kleinserie gebaut wirden wird. „Ab Oktober können wir liefern“, sagt er. Bis dahin wird das Fahrwerk noch den letzten Schliff erhalten, und es muss noch der Preis kalkuliert werden. Klar ist, dass der 6×6 wohl mehr als doppelt so viel kosten wird wie der normale G 63 AMG. Mal abgesehen vom elektrisch angetriebenen SLS wird das Monstrum also sicher zum teuersten Mercedes der Modellpalette.

Aber zumindest hier am Golf interessiert sich dafür ohnehin keiner, sagt Testfahrer Erwin Monisch: „Hier gibt es so viele gut betuchte Kunden, die einfach nur ein neues Spielzeug wollen. Und dafür zahlen sie fast jeden Preis.“

Original: Blog | MOTOSOUND

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