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Test Tesla Model 3

Published in radical-mag.com

Schwarz/Weiss

Es ist schon erstaunlich, welche Vorurteile den Tesla weiterhin entgegenschlagen, übel teilweise, noch häufiger einfach dumm, auch von Menschen, die man ansonsten als einigermassen vernunftbegabt betrachten möchte. Es geht dabei nicht um die vielen Daumen nach unten, denen man auf deutschen Autobahnen begegnet, auch nicht um den Fahrer eines BMW 340i, der partout nicht begreifen wollte, dass er in Sachen Durchzug nicht den geringsten Hauch der kleinsten Chance hat. Aber mehr schon um den Audi-Piloten, der an der Tankstelle, an der wir uns mit Zigaretten und Cola eindecken wollten, hämisch lachend meinte: «Na, wieder ein Tesla, der liegengeblieben ist? Da biste falsch hier…» Und dann auch noch: «Stell ihn doch weg, nicht, dass Du hier noch alles abfackelst». Der nicht mehr ganz taufrische Herr drückte dann an der Tankstelle deutlich über 100 Euro für Benzin ab – nein, wir wollten ihm dann nicht mitteilen, dass man für dieses Geld mit dem Tesla Model 3 sogar bei deutschen Strompreisen an der Autobahn mindestens drei Mal so weit fährt wie er mit seinem überteuerten, miefigen Premium-Produkt. Und nein, damit das auch ganz klar ist: wir gehören definitiv nicht zur Sekte der Tesla-Jünger, wir haben immer noch mehr Fragen als Antworten zur Elektromobilität ganz allgemein, doch konstatieren gerade dem Tesla Model 3 sehr gern und mit Überzeugung, dass er eine absolut valable Alternative zu den gängigen Verbrenner-Produkten ist. Mehr noch: Müssten wir uns derzeit die Anschaffung eines neuen Automobils überlegen, der Tesla würde als Model 3 ganz weit oben stehen auf der Liste, wahrscheinlich sogar – ganz oben. Gleichzeitig sind wir froh, dass wir nicht müssen…

Es wird immer Punkte geben bei Automobilen, die können und müssen subjektiv betrachtet werden. Das Design ist sicher auch beim Model 3 eine Diskussion wert. Gut ist sicher, dass es eigenständiger ist als etwa beim Model S, der Wagen einfacher zu erkennen ist auf der Strasse – ob die Linien nun wirklich harmonisch sind, das wollen wir dem Betrachter überlassen. Ob der Mensch ein Fahrzeug mit weissem Interieur braucht, auch das müssen wir dem Einzelnen überlassen; wir möchten es so nicht, auch deshalb nicht, weil die grossflächige Abdeckung unter der Frontscheibe schon ziemlich stark blendet bei Sonneneinstrahlung. Das verwendete Material für Sitze und so sei vegan, sagt Tesla, auch sehr pflegefreundlich; vielleicht sind wir bei «radical» geistig einfach noch nicht reif für solches. Es kann auch sein, dass unser Näschen noch zu sehr sensibilisiert ist auf den Geruch von Leder, Benzin, Öl, genau wie unsere Ohren halt – nicht nur beim Tesla – bei den E-Automobilen den Sound vermissen, Ansauggeräusche des Motors, Auspuffendrohrlärm, das Gefühl für Geschwindigkeit allein über die Akustik. Doch wie geschrieben: das ist alles sehr subjektiv.

Also wenden wir uns jenen Dingen zu, die objektiver beurteilt werden können. Schon bei den bisherigen Tesla-Modellen war das Bedienungssystem auf das Wesentliche reduziert worden, im Model 3 ist es noch heftiger. Wenn man von vorne in den Wagen schaut, sieht es, sorry, etwas gar karg aus, eine nackte Lenksäule mit einem nackten Lenkrad plus noch das Hinterteil eines Bildschirms. Auch auf der Fahrposition muss man sich zuerst einmal daran gewöhnen, dass vor dem Lenkrad gar nichts ist, denn sämtliche Informationen laufen über den riesigen Bildschirm, also auch: Geschwindigkeit und so. Ob das nun wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, wagen wir so ein bisschen zu bezweifeln, denn es fehlt ja eben die Geräuschentwicklung, die uns bei konventionellen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor schon so ein bisschen verrät, wie schnell man denn fährt. So muss man immer leicht nach rechts schauen, und das auch noch ziemlich genau, denn die Tempoanzeige ist ziemlich klein. Auch das Navi ist halt recht weit rechts, das kann durchaus irritieren, zumindest für jene, die es nicht mündlich angesagt haben wollen (bitte wenden; bitte wenden; bitte wenden…) – Head-up-Display? Ansonsten ist das alles ja grossartig, die Darstellung, das Navi sowieso (dazu kommen wir dann noch), auch die gesamte andere Fülle an Informationen; in der souveränen Konsequenz der Bedienung ist Tesla auf Augenhöhe mit Apple (was für Android- und Microschrott-Benutzer dann vielleicht wieder schwierig zu verstehen ist) und ganz, ganz weit weg von allen anderen Automobil-Herstellern. Die vorderen Sitze sind – für unser Empfinden – etwas zu breit und bieten zu wenig Seitenhalt, für die hinteren Passagiere ist mehr Platz als in den allenfalls direkten Konkurrenten A4-Audi, 3er-BMW und C-Klasse von Mercedes. Uns erschien der Kofferraum gross, unbedingt auch gross genug, aber auf dem Papier sind es «nur» 340 Liter hinten (plus 85 Liter vorne); der Zugang ist tatsächlich, also wie auch von anderen Medien beschrieben, relativ schmal. Denn ja, es muss auch das E-Automobil nach den ganz profanen Kriterien eines konservativen Verbrenners beurteilt werden. Oder?

Es wurde ja schon angetönt: das Ding zieht ab wie blöd. Ja, das kennen wir von anderen E-Autos, die gröbsten Varianten des Model S können das noch heftiger, doch schon die mittlere Version des Model 3 (Long Range Dual Motor) mit seiner 75-kWh-Batterie ist ein wildes Gerät, verfügt über umgerechnet 460 PS und ein maximales Drehmoment von 630 Nm, beschleunigt in 4,6 Sekunden auf 100 km/h und rennt maximal 235 km/h schnell. Es ist aber nicht bloss die Art und Weise, wie der 1,9-Tonner seine Leistung erbringt – er bringt sie auch tatsächlich auf die Strasse. Geradeaus ist eh klar (und wurde schon kurz erwähnt mit einem gedemütigten BMW), der Drehmoment-Hammer fällt sofort, da hat der Konkurrent noch nicht einmal die Gänge sortiert. Man kann auf der deutschen Autobahn auch richtig heftig, hart bremsen, hart beschleunigen, der Tesla zieht sauber durch bis zur Höchstgeschwindigkeit (auf dem Tacho sprich Bildschirm erreichten wir 238 km/h, dann war wieder zu viel Verkehr). Doch er kann auch Kurven ganz anständig. Nein, ein Sportwagen ist er nicht, 1,9 Tonnen, das Fahrwerk ist mehr auf der komfortablen Seite, doch das geht auch um enge Biegungen ganz gut, obwohl die Lenkung jetzt nicht so ausgelegt ist, dass sie besonders viel Rückmeldung geben würde. Da ist im E-Auto, das schon die Software trägt für zukünftiges autonomes Fahren, auch ganz viel Elektronik – und die kann immer nur ein Kompromiss sein. Und ja, man merkt das stattliche Gewicht schon, er schiebt dann schon über die Vorderachse nach aussen. Doch es ist dies Jammern auf hohem Niveau, sicher kann der BMW-Pilot die Strasse besser spüren und der Audi ist härter auf die Gasse abgestimmt und der Benz, äh, keine Ahnung, doch Tesla hat da schon Fortschritte gemacht, da würd’ uns jetzt noch so manch ein Produkt einfallen, das Fahrfreud’ nicht besser kann. Und dazu muss dann jetzt auch dies mal geschrieben sein: dieses grobe Rausballern aus der Autobahnausfahrt, dieses Runterpinseln am Kurvenausgang, diese kleinen Fluchten über die (deutsche) Autobahn, das alles sind Hobbies einer sehr überschaubaren Minderheit. Die ganz grosse Mehrheit rollt friedlich einher, dies Fahrfreud’-Gedöns geht wohl etwa 90 Prozent der Lenker- und -innen sowohl ab wie wohl auch noch auf den Geist, Fahrverhalten definieren sie passiv und folglich in erster Linie mit Komfort – und so gesehen macht Tesla mit dem Model 3 eh alles richtig. Würde jetzt in deutschen Landen noch ein Tempolimit eingeführt…

Womit wir bei einem entscheidenden Thema wären: Verbrauch. Was bei einem E-Auto auch gleich viel mit der Alltagstauglichkeit zu tun hat. Tesla gibt für den «Long Range Dual Motor» mit einer Batteriekapazität von 75 kWh eine Reichweite von 560 Kilometern nach WLTP an, was einem Durchschnittsverbrauch von 13,4 kWh entsprechen würde; in den Datenblättern wird dann aber ein Durchschnittsverbrauch von 16 kWh genannt, was noch etwa 470 Kilometern Reichweite entsprechen würde (nein, man muss das nicht verstehen, diese unterschiedlichen Angaben). Bei vernünftiger Fahrweise, anständigen Temperaturen und sinnvollem Umgang mit den Systemen (Klimaanlage etc.) sind nach unseren Erfahrungen in diesem nasskalten Frühling 450 Kilometer absolut möglich; Reichweitenangst ist sowas von gestern. Anderes Beispiel, eine Fahrt von Bern nach Frankurt, wie wir sie auch mit dem Nissan Leaf unternommen hatten. 90 Prozent geladen bei Abfahrt, ein Zwischenstop zum «Tanken» für 30 Minuten vor Karlsruhe, Ankunft in Frankfurt nach 442 Kilometern in 4 Stunden und 2 Minuten mit noch 73 Kilometer Reichweite. Ja, das geht allenfalls schneller mit einem Diesel und vielleicht auch mit einem Benziner – aber der (zeitliche) Unterschied ist wohl gering, die 30 Minuten an der Schnellladesäule dürfen durchaus auch als Sicherheitsaspekt betrachtet werden, ein paar Minuten Pause, ein Kaffee. Und nein, geschlichen sind wir nicht, Tempomat 150 km/h (mehr geht beim Tesla nicht), kurze Geplänkel wie etwa jenes mit dem BMW, da vor Frankfurt auf den langen Geraden: voll. Und es machte durchaus: Spass. Auf der Rückfahrt dann: washaltgeht. Da stieg der Verbrauch dann zeitweise auf über 30 kWh, das sind dann noch knapp mehr als 200 Kilometer Reichweite, zwei Mal je 40 Minuten «Tanken» – und am Schluss ist man sicher nicht schneller (im Porsche 911 Turbo mit seinen 68 Literchen übrigens auch nicht). Mehr noch als in anderen Fahrzeugen ergibt es im Tesla Sinn, wenn man in seiner Fahrweise Vernunft walten lässt. Mitdenkt.

Und was Tesla halt um Meilen (oder: mindestens drei, vielleicht auch fünf Jahre in real time, Milliarden in real money) besser kann als alle anderen E-Auto-Anbieter: Infrastruktur. Man gibt im Navi das Ziel ein – und der Tesla berechnet sauber, wie man am schnellsten ans Ziel kommt, wo man laden soll (und kann), was möglich ist. Und korrigiert sich gleich selber, wenn der Verbrauch höher ist (oder geringer). Der erfahrene Tesla-Pilot gibt auch gleich noch die Rückreise ein, dann ist er alle Sorgen los. Das Ding ist: die Supercharger sind vorhanden, bei allen anderen Herstellern halt erst so ein bisschen angedacht. Klar, Ionity tut was, aber wer denkt, dass Tesla aus lauter Ehrfurcht jetzt nichts mehr tut, gar zittert, der irrt sich gewaltig; der Vorsprung der Amerikaner in Sachen Infrastruktur lässt sich gar nicht mehr aufholen. Das Model 3 lässt sich theoretisch mit 250 kW aufladen (das wären dann weniger als 20 Minuten für eine volle Dröhnung), wir schafften es an den Superchargern auf 90 bis 120 kW – das sind Werte, von denen Audi, Benz & Co. bislang gerne schreiben, sie aber halt flächendeckend nicht annähernd liefern können. Und nochmals, das Navi – daran werden die Konkurrenten sich auf alle Ewigkeit die Zähne ausbeissen, da sind zehn Jahre Erfahrung in der heutigen Zeit unschätzbar viel wert. Allerdings: Noch lässt sich das Model 3 nicht an allen Superchargern laden – wir sind gleich zwei Mal gestrandet, doch das müssen wir unter «Bedienerfehler» abbuchen.

Dass der jüngste Tesla im Monat März des meistverkaufte Automobil in der Schweiz war (nicht das meistverkaufte E-Auto, das meistverkaufte Auto überhaupt!), das hatte in erster Linie damit zu tun, dass die Amerikaner endlich liefern konnten. Doch das Model 3 hält sich weit vorne, man darf davon ausgehen, dass es am Ende des Jahres unter den Top 10 sein wird. Was nicht weiter wundert, denn in der Schweiz gehören 3er-BMW, C-Benz, A4-Klasse seit Jahren zu diesen Bestsellern – und sie kosten auch nicht weniger als so ein Tesla. Das Basismodell gibt es ab 47’200 Franken (so viel kostet ein anständig motorisierter und ausgestatteter Skoda Octavia auch), die grosse Reichweite ist ab 56’900 Franken zu haben, für den bösen Performance sind mindestens 66’700 Franken zu entrichten. Ja, da gibt es auch noch reichlich Zusatzausstattungen, aber die Liste der SA ist bei den deutschen Premium-Herstellern deutlich länger, haut heftiger ins Portemonnaie. Es bleiben als Fazit ganz viele gute Gründe, weshalb der Tesla Model 3 so weit oben auf unserer Liste steht.

Mehr zu Tesla finden Sie in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Tesla Model 3 erschien zuerst auf radicalmag.

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