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Test Porsche 718 Boxster GTS

Published in radical-mag.com

Herzerwärmend

Der Himmel strahlte in diesem klaren Blau des Frühwinters, die Berge waren schon weiss gezuckert. Es würde eine der letzten Möglichkeiten sein, noch in die unteren Alpen-Regionen zu fahren, bald würde der erste Schnee kommen – und entsprechend frisch war es schon an diesem Morgen. Und trotzdem, selbstverständlich musste das Dach runter, es gibt ja kein schlechtes Wetter, sondern nur die nicht dazu passende Kleidung, also die warme Jacke, eine Kappe über die Ohren, die (aufpreispflichtige) Lenkradheizung eingeschaltet. Und dann hinein ins Vergnügen, der Gurnigel ist am Morgen unter der Woche eine jener Gassen, auf denen man kaum jemandem begegnet, sie ist keine der wichtigen Verkehrsachsen, und auch der Rennleitung ist das zu weit weg vom schön warmen Büro und der Kaffeemaschine. Und schon nach wenigen Kilometern ist mir warm ums Herz: ja, Handschaltung, ja, auch so ein bisschen Lärm (dazu kommen wir dann noch) – und ja, zwar auf dem Asphalt, aber auch draussen in der Natur, im offenen Fahrzeug ist man da einfach näher dran, die Sinne sind offener und werden intensiver bedient, man riecht auch einmal einen Bauernhof oder das frische Holz beim Sägewerk.

Erst kürzlich hatten wir es ja schon einmal von GTS-Modellen von Porsche, beim Panamera GTS. Dort hatten wir auch geschrieben, dass Porsche das bravourös macht, noch ein Derivat und noch ein Derivat, und dass GTS so ein bisschen der Markenkern ist. Beim 718 Boxster ist das Kürzel auch der (vorläufige?) Gipfel der Baureihe, der 2,5-Liter-Vierzylinder schafft hier beachtliche 365 PS, ist dem 911 schon ganz nah; wenn man das Leistungsgewicht betrachtet, dann erst recht. Ja, er macht das schon hervorragend, die Leistungsentfaltung mit den 430 Nm maximalem Drehmoment, die zwischen 1900 und 5000/min zur Verfügung stehen, ermöglicht sowohl entspanntes Gleiten wie auch die böse Kurvenhatz, Kraft hat er immer reichlich, die 1,4 Tonnen Leergewicht stellen da definitiv kein Hindernis dar. 4,3 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 sprechen zudem eine deutliche Sprache, theoretisch sollen 290 km/h Höchstgeschwindigkeit drinliegen. Die brauchen wir aber nicht, sondern: Berge. Kurven. Lächeln.

Viel wurde schon geschrieben über die Vorderachse des Boxster. Dass, wäre sie besser (oder zumindest besser abgestimmt), der 718er den 911er noch stärker konkurrenzieren würde. Wer nun solches kundtut, der muss ein ausgesprochen feines Händchen plus einen extrem sensiblen Hintern haben, nur auf der letzten Rille auf der Rennstrecke unterwegs sein und zudem noch komplett unterfordert von jedem Fahrzeug mit weniger als 500 PS. Ja, vielleicht könnte die Lenkung einen ganz kleinen Hauch direkter sein, ja, vielleicht duckt er sich ein Spürchen zu tief weg, wenn man massiv auf der Bremse einlenkt, aber bitte, das ist definitiv kein Grund zur Klage, das spürt man höchstens, wenn man einen direkten Vergleich fährt. Was wir hier nicht tun, denn hier haben wir einfach ganz viel Freude an diesem Wagen, grossartig, wie er bremst, grossartig, wie er sich auf Gas (und Sport+) auch durch enge Serpentinen ziehen lässt. Seine Balance ist wunderbar – und der 4,38 Meter lange Wagen ist viel weniger nervös als die von uns so gern hochgelobte Alpine, sicher auch dank der mechanischen Hinterachssperre. Verwindung: null. Aber dafür, nochmals: manuelles Getriebe – das ist unter den Sportwagen leider, leider sehr selten geworden. 8,2 Literchen nur soll er gemäss Werksangabe trinekn, und das geht auch, wenn man hauptsächlich rollt. Das muss man ja aber nicht unbedingt wollen, und deshalb sind 10 Liter eher wahrscheinlich. Oder auch mal 12.

Wir mögen das Konzept des Boxster, Mittelmotor, zwei Plätze, das ist sauber, konsequent. Wir mögen ihn auch, weil er noch ein Fahrer-Auto ist, enges Gestühl, man wird eingefasst wie von einem massgeschneiderten Schuh, ist deshalb ganz automatisch konzentriert auf das Wesentliche, das nicht aus Connectivity und Hilfen für autonomes Fahren auf Level tralala besteht. Klar hat der 718 auch so manches Assi-System und das Handy lässt sich innert Sekunden koppeln und spiegeln, doch wer will denn telefonieren, wenn er offen über die Alp rauscht und mit Zwischengas die Kühe erschreckt? Die Bedienung ist optimal, alles da, was man braucht, Lenkrad, drei Pedale, Schalt- und Blinkerhebel – zum Glücklichsein bedarf es ja eigentlich wenig. Ok, GTS bedeutet ja auch noch reichlich Alcantara und überhaupt viel Schwarz im Innenraum, und ja, das sieht gut aus; die Verarbeitung ist wie immer bei Porsche auf höchstem Niveau, wir haben zumindestens nichts gefunden, worüber wir meckern hätten können. Doch: die Geräuschentwicklung ist auch im GTS jetzt nicht so wild, als dass sie Herzrasen verursachen würde. Da geht mehr, das sollte man bei Porsche besser können.

Nun denn, so ein Porsche 718 Boxster GTS kostet ab 109’060 Franken; Sonderangebote sehen anders aus. Weil in der Preisliste vom neuen 911 derzeit nur der Carrera S zu finden ist (ab 156’700 Franken), darf er dann aber unter den Porsche-Modellen doch wieder als Sonderangebot bezeichnet werden. Denn eigentlich fehlt ihm nichts, ausser vielleicht zwei Zylinder. Doch, das ist etwas, was er halt nicht hat: Image. Aber man hört munkeln, dass es für die 718-Baureihe doch noch gut kommen könnte, es ist ein Cayman GT4 Clubsport auch in einer Strassenversion auf gutem Weg, mit dem Mezger-Motor…

Mehr Porsche haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Porsche 718 Boxster GTS erschien zuerst auf radicalmag.

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