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Jim Hall & Chaparral

Published in radical-mag.com

Revolution, immer wieder

In Europa sind sowohl Jim Hall wie auch seine Chaparral-Rennwagen so gut wie unbekannt. Was daran liegen könnte, dass es nur etwas mehr als ein halbes Dutzend Chaparral gab. Und Jim Hall zwar ein höchst talentierter und in den USA auch sehr erfolgreicher Rennfahrer war, aber nur gerade zwölf Formel-1-Rennen bestritt und auch nur drei WM-Punkte schaffte. Doch Jim Hall & Chaparral haben eine wunderbare Geschichte, ihr Einfluss auf den Motorsport ist immens – und ausserdem sind die Rennwagen absolut grossartig, faszinierend. Es ist unbedingt an der Zeit, dass diese Geschichte etwas bekannter wird – wir verschaffen hier einmal einen ersten Überblick.

Jim Hall, geboren am 23. Juli 1935 in Abilene, Texas, kam aus gutem Haus, verlor aber seine Eltern früh. Sein Bruder Dick übernahm die Führung der Ölfirma seiner Eltern, unterstütze Jim – gab ihm auch die Autos, damit er erste Rennen bestreiten konnte. Dick Hall kannte auch Carroll Shelby, und so kam Jim Hall früh in den Genuss von ausgezeichnetem Material. Shelby drückte Jim gern den Schlüssel seiner neuen Rennwagen in die Hand – und Hall gewann die meisten Rennen locker. In jener Zeit wechselte er auch von einem Geologie- zu einem Ingenieursstudium, bald schon wurde ihm ein Job in der Corvette-Entwicklungsabteilung angeboten. 1960 trat er mit einem völlig veralteten Lotus 18, in den er selber einen 2,5-Liter-Climax-Motor eingebaut hatte, zum Formel-1-Grand-Prix in Riverside an, lag damit völlig überraschend lange Zeit an fünfter Stelle – und fiel erst kurz vor Schluss nach technischen Problemen noch auf den undankbaren 7. Rang zurück. Doch er hatte einmal eine Duftmarke gesetzt.

Chaparral 1

Ende der 50er Jahre hatte sich Jim Hall bei Tom Barnes und Dick Troutman einen ein Fahrzeug bestellt, das man heute als Chaparral 1 bezeichnet. Barnes und Troutman waren erfahrene Konstrukteure, berühmt für ihre Scarab, doch es war ein noch sehr klassisches Layout, der 283er-Corvette war vorne eingebaut – und damit konnte man Anfang der 60er Jahre keine Blumentöpfe mehr gewinnen. Es war aber eine durchaus interessante Konstruktion, deutlich kleiner als die Konkurrenz – und folglich auch leichter. Die Bilder oben zeigen den Prototypen mit der Chassis-Nummer 001.

Chaparral 2A/2C

Jim Hall hatte unterdessen sein Studium beendet, den Job bei Corvette gar nicht erst angetreten (aber sich hervorragende Beziehungen zu General Motors verschafft), dafür an seiner Rennfahrer-Karriere gearbeitet. 1962/63 arbeitete er zusammen mit seinem Freund Hap Sharp, mit dem er sich in der Folge oft auch das Cockpit teilte, an seiner ersten Eigen-Konstruktion. Dass es sich dabei um einen Mittelmotor-Rennwagen handelte, war klar; als Antrieb diente aber weiterhin eine Corvette-Maschine. Doch Hall verpasste seinem Fahrzeug zwei ganz entscheidende Neuerungen: Der Chaparral 2A (wie er nachträglich bezeichnet wird) war der erste Rennwagen überhaupt mit einem komplett aus Komposit-Materialien gefertigten Monocoque (Lotus konstruierte im gleichen Zeitraum etwas ganz Ähnliches, wurde aber später fertig – und war in der Ausführung bei weitem nicht so konsequent wie Hall). Es zeigte sich sofort, dass das Chassis deutlich steifer war als alles, was man bisher kannte, was die Fahreigenschaften deutlich verbesserte – und das Gewicht massiv nach unten drückte. Doch das war nicht alles: der Chaparral 2A verfügte ausserdem über ein in Zusammenarbeit mit GM konstruiertes halbautomatisches Getriebe. Gleich beim ersten Einsatz, im Oktober 1963 beim Los Angeles Times Grand Prix, setzte er seinen Wagen gegen starke internationale Konkurrenz auf die Pole-Position, führte das Rennen souverän an – und musste nach einem Kabelbrand aufgeben. 1964 und vor allem 1965 dominierte der Chaparral aber seine Klasse und fuhr oft um den Gesamtsieg mit, 1965 erreichte man bei 22 internationalen Starts 16 Pole-Positions und 16 Siege, darunter auch die 12 Stunden von Sebring, dies gegen die Werksteams von Ford und Ferrari. Im Training hatte Hall den Rundenrekord aus dem Vorjahr von John Surtees auf Ferrari um gleich neun Sekunden unterboten. Beim 2C arbeitete Hall zum ersten Mal mit einstellbaren Spoilern.

Chaparral 2D

Der 2D war eine konsequente Weiterentwicklung der 2A/2C für das Jahr 1966, jetzt aber mit einer geschlossenen Karosserie. Hall konstruierte für das Fahrzeug verschiedene Aufbauten, die je nach Strecke verwendet werden konnte, mal mehr, mal weniger Flügel, manchmal auch ein Schnorchel für den 327er-Corvette-Motor. Der 2D gewann nur ein wichtiges Rennen: die 1000 Kilometer auf den Nürburgring.

Chaparral 2E

Als die Chaparral 2E in Birmingham zum ersten Mal auf der Rennstrecke auftauchten, da fielen der Konkurrenz die Kinnladen ungebremst auf den Boden. Für die Can-Am-Serie hatte Hall ein Fahrzeug konstruiert, wie es die Welt noch nie gesehen hatte. Nicht nur, dass er sämtliche Kühlelemente in Seiten-Kästen untergebracht hatte, vor allem hatte er über den Hinterachse einen gewaltigen und zudem verstellbaren Flügel angebracht. Zusammen mit den Frontflips liess sich dieser über ein Pedal verstellen – man erinnert sich, die Chaparral verfügten über ein halb-autoamtisches Getriebe, der Pilot hatte also einen Fuss frei. Für Höchtgeschwindigkeit liess sich das Teil flachstellen, beim Bremsen und in den Kurven entwickelte es eine ganz neue Form von Anpressdruck. Die 2E waren der Konkurrenz meilenweit überlegen (obwohl sie immer noch mit dem «kleinen» Corvette-Motor antraten), hatten aber zu oft technische Probleme. Allein schon mit diesem Fahrzeug veränderte Jim Hall den Motorsport so sehr wie wohl noch niemand vor ihm.

Chaparral 2F

Der 2F war die Weiterentwicklung des 2E für die Sportwagen-Weltmeisterschaft, selbstverständlich wieder mit diesem gewaltigen Flügel, aber diesmal mit geschlossener Karosserie. Das Gerät war wieder extrem schnell – und extrem anfällig, denn es wurde erstmals der neue 427er-Corvette-Motor verwendet – und dies auch noch gekoppelt an eine komplett neu entwickelte 3-Gang-Automatik. Wenn der 2F aber einmal lief, was selten genug passierte, dann machte er alles platt.

Chaparral 2G

Es handelt sich hier wieder um eine Weiterentwicklung aus dem 2E für die Can-Am, für die Saison 1968 wurde aber der böse Corvette-Motor mit der unterdessen einigermassen standfesten 3-Gang-Automatik eingesetzt. Die Konkurrenz hatte die riesigen Flügel längst adaptiert, also war die Überlegenheit der Chaparral nicht mehr so drückend.

Chaparral 2H

Die «downforce» hatte Hall mittlerweile im Griff, das Problem war nun aber der Luftwiderstand. Zwar liess sich das mit immer stärkeren Motoren überwinden, doch das war nicht die Lösung, die Chaparral anstrebte. Was sich Hall für die Saison 1969 ausdachte, war wieder eine Revolution. Da war einerseits die Form, der Wagen war ein einziger, grosser Flügel. Der dann aber wieder Flügel brauchte, damit er am Boden blieb. Hall baute dem «weissen Wal» zudem ein selbstjustierendes Fahrwerk ein, das die Bodenfreiheit immer auf dem gleichen Niveau hielt. Obwohl der Wagen – wahrscheinlich – über grosses Potential verfügt hätte, wurde seine Entwicklung nicht weiter verfolgt.

Chaparral 2J

Denn schon 1970 trat Chaparral mit dem 2J, wieder so einer eigenwilligen Konstruktion, genannt der Staubsauger. Der 2J war sicher nicht der schönste Chaparral, aber sicher der effizienteste. Im Heck war zwei riesige Ventilatoren eingebaut, die, angetrieben von einem 55 PS starken Zweizylinder, die Luft unter dem Fahrzeug absaugten – das Fahrzeug klebte förmlich am Boden. Um diesen Vakuum-Effekt noch zu verstärken, verah Hall den 2J ausserdem mit Schürzen aus Polycarbonat, welche die Bodenfreiheit konstant auf dem Minimum hielten. Selbstverständlich war der «sucker car» der Konkurrenz wieder weit überlegen – und wurde bald schon von der Rennstrecke verbannt. Ja, der Brabham-Staubsauger arbeitete in der Formel 1 nach dem genau gleichen Prinzip, aber halt erst acht Jahre später.

Nachdem sein 2J verboten worden war, zog Jim Hall seine Chaparral vom Rennsport zurück. Er wirkte später noch als Team-Manager, gewann in dieser Funktion noch diverse Titel und wichtige Rennen (unter anderem Indy 500), doch an den Wahnsinn und die grossartigen Chaparral-Zeiten konnte und wollte er später nicht mehr anknüpfen. Wir gehen dann zu den einzelnen Modellen noch mehr ins Detail, doch wir müssen dafür zuerst noch besseres Bild-Material suchen. Andere Exoten und Helden finden sich in unserem Archiv.

Der Beitrag Jim Hall & Chaparral erschien zuerst auf radicalmag.