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Test Toyota GR Yaris

Published in radical-mag.com

Spiel des Jahres*

Die Sitzposition ist zu hoch. Und der Rückspiegel ist zu feist, hängt zu tief im Bild. Damit haben wir es dann auch schon mit Kritikpunkten in diesem Test Toyota GR Yaris.

Nein, dass ausgerechnet Toyota ausgerechnet in dieser Zeit ausgerechnet ein solches Ding raushaut, damit haben die Japaner wohl nicht einmal selber gerechnet; bei der Entscheidungsfindung müssen Drogen im Spiel gewesen sein und alle Controller im Urlaub. 25’000 Stück wollen die Japaner innerhalb eines Jahres produzieren (in Japan, nicht wie beim Yaris sonst üblich in Frankreich), dann ist wieder fertiglustig; sie werden sich wohl selber in den A. beissen für diese Beschränkung, anscheinend gibt es jetzt schon diverse Märkte, auf denen es knapp wird mit der Zuteilung. Und man hätte wohl auch ein paar Franken mehr nehmen können, die Kundschaft steht Schlange und würde den schärfsten aller Toyota (aller Zeiten?) wohl auch nehmen, wenn da eine 5 vorne stehen würde. Jetzt sind es in der Schweiz 37’900 Franken für die schon feine Basisausführung – der Gazoo Racing Yaris ist ein Geschenk. Ob ein optisch adrettes, darüber kann man jetzt durchaus geteilter Meinung sein, aber es ist irgendwie nicht wichtig, ein WRX-STi-Subaru war auch nie schön, aber immer, sorry, geil. Und der GR Yaris bewegt sich auf dem gleichen Niveau, ähnliche Gene, ähnlich bescheuert, einfach 25 Jahre moderner.

Irgendwo gibt es sicher einzwei Blechteile, die sind beim GR Yaris gleich wie beim so drögen Kleinwagen Yaris. Aber eigentlich hat Gazoo Racing in Zusammenarbeit mit dem vierfachen Rallye-Weltmeister Tommy Mäkinen (der nie für Toyota gefahren ist, aber dafür für Subaru…) alles vom Yaris entfernt, was unnötig war (alles?), dann ein quasi neues Auto gebaut, das die nächsten Jahre die WRC dominieren soll und halt nebenbei auch noch an 25’000 Kunden verkauft werden kann. Es gibt eine mehr als nur anständige Hinterachse (Doppelquerlenker anstatt Verbundlenker), es gibt mächtige Scheibenbremsen rundum (anstatt bloss Trommeln hinten), es gibt eine fast komplett neue Karosse (hinten 95 Millimeter als beim Standard, gut 30 Kilo leichter – und trotzdem viel stabiler), es gibt einen ganz edlen Allradantrieb mit elektronischer Steuerung (und im Circuit-Package mit gleich zwei Torsen-Differentialen) und einen 1,6-Liter-Dreizylinder, der extra für dieses Modell entwickelt wurde. 261 PS (mindestens, wie Gazoo Racing mit diesem japanischen Lächeln mitteilt), 360 Nm maximales Drehmoment ab 3000/min, manuelles 6-Gang-Getriebe. Das alles hat mit einem normalen Yaris etwa gleich viel zu tun wie das Schweizer Ständemehr mit Demokratie (ok, der war jetzt unnötig, weil: politisch), hat also mit diesem Kleinwagen etwa gleich viel zu tun wie ein 2,5-Tonnen schweres E-SUV mit der Energiewende.

Die nackten Zahlen mögen jetzt nicht sonderlich beeindruckend sein, 5,2 Sekunden für den Sprint auf 100 kann manch ein MQB flotter, maximal 230 km/h schafft jeder Benz mit OMG-Anbauteilen. Doch das interessiert nur Längsbeschleuniger, diese geistigen Geradeaus und Schattenparker und Warmduscher: das Geläuf für den Toyota ist nicht die deutsche Autobahn, sondern der Schweizer Berg, halt alles mit Kurven. Und da ist der GR Yaris wahrlich der König, der Kaiser, der totale Überflieger des Jahres. Gut, auch die Michelin-Reifen sorgen für gnadenlosen Grip, aber es ist nicht nur das – das Ding hält und hält und hält. Man muss sehr bewusst Fehler provozieren, damit sich der Japaner überhaupt provozieren lässt, selbst im Sport-Modus (70 Prozent der Kraft wandern nach hinten) kann man viel zu früh viel zu heftig auf den Pinsel, und der Japaner fährt lächelnd, locker genau dorthin, wo er soll. Klar, da rechnen Computer wie wild mit Gaspedalstellung, Lenk- und Gierwinkel und solchen Sachen, aber was solls – es zählt das Resultat, und das Resultat ist (wir AntielktronischeHelferlein geben es ungern zu) grossartig. Im Normal-Modus ist er vielleicht etwas gar brav (60 Prozent vorne, alle Systeme auf Sicherheit), Sport ist dann, wie schon erwähnt, cool, Track ist heiss, 50:50, aber die Fallschirme öffnen sich erst sehr spät.

Ach, drei Zylinder sind natürlich nicht das, was uns in der Nacht die schönen Träume beschert, auch Downsizing und dann wieder Aufblasen über Turbo nicht. Es ist Mono-Scroll (was man in einer leichten Anfahrschwäche bemerkt), doch ansonsten viel Aufwand, spezielle Kugellager und nahe am Wastegate angeordnete Steuerelemente sollen für ein verbessertes Ansprechen der Turbine sorgen. Irgendwie ist das nicht so wichtig, man hält ihn einfach bei Laune, am besten immer über 4500/min, was ja kein Problem ist, der 6-Gänger lässt sich auf kurzen Wegen knackig schalten, man darf auch in den roten Bereich bei 7000/min. Der Toyota wird das vertragen, denn er ist ja ein Toyota. Und wenn man ihn so treibt, also so richtig grob, dann ist da unglaublich viel Fahrfreud’. Und wir wollen dann da den Porsche-Piloten sehen, der dem extrem agilen, nur 3,95 Meter langen (und doch 1,3 Tonnen schweren) Japaner auf einer kurvigen Bergstrasse noch folgen kann – die Grenze des GR Yaris ist das Fahrvermögen, das Talent, der Mut des Piloten, andere kennt er eigentlich nicht (und wir überlegen uns auch das mit der Physik noch einmal, da schraubt er sich in Höhen, da werden auch Alpine & Co. blass). Doch, manchmal geht er so ein kleines Bisschen über die Vorderräder, aber das ist dann mehr: Bedienerfehler.

Wir haben dann etwas gemacht, was wir seit WRX-Zeiten nicht mehr gemacht haben: Schotter. Wir kennen da diese Gasse, an deren Ende auch noch ein hübsches Restaurant lockt, da geht es schön kurvig einige Kilometer bergauf, Verkehr hat es nur am Wochenende. Mit dem GR Yaris knallt man dort hoch, ach, man muss es selber erleben, der Spassfaktor ist gewaltig, gute, direkte Lenkung (braucht es beim Gegenlenken). Und auch hier wieder: wie sich die Räder in die Strasse krallen, krass. Und der 6-Gänger, perfekt, kurze Wege, mit etwas Kraftaufwand zu bedienen, doch das fühlt sich alles richtig an; auch die erste Welle bringt man vor der Spitzkehre bestens rein.

Die Bremsen sind ebenfalls gut, fein dosierbar, standfest; er wurde übel auch den Berg runter getrieben, es kümmerte ihn nicht. Der Sound ist: na ja. Und ob das Bedienkonzept im GR Yaris jetzt wirklich auf der Höhe der Zeit ist: keine Ahnung. Wir haben nicht mal den Radio eingeschaltet, im Navi auch nichts gesucht, nie mit den Verwandten telefoniert. Braucht man in einem solchen Automobil nicht, man freut sich mehr darüber, dass der Schalthebel so gut zur Hand liegt (die Pedale, übrigens, liegen zu weit auseinander, das wäre neben der zu hohen Sitzpositionen noch ein Kritikpunkt). Und wenn Sie uns jetzt fragen, ob die Qualität der verarbeiteten Materialien dem Preis entspricht oder die Anbindung ans Smartphone auch prompt funktioniert: wen interessiert denn solches? Ok, wir wissen es nicht, wir haben nicht darauf geachtet – wir waren so sehr damit beschäftigt, noch eine Bergstrecke zu finden, dass wir da halt ein paar Dingens verpasst haben. Das ist aber so ganz prinzipiell kein schlechtes Zeichen. Verbrauch: 8,5 Liter, dies mit schwerem Fuss.

Nochmals, zum Mitschreiben: Preis, Leistung, das Verhältnis unter den beiden, plus Fahrspass plus technische Kompetenz – der Toyota GR Yaris ist definitiv «best buy». Gehet und kaufet, unbedingt mit dem Circuit Pack (mit 4900 Franken auf den ersten Blick etwas teuer, aber hey, es lohnt sich) – und sagt dann Ende 2021 nicht, wir hätten es Euch nicht rechtzeitig mitgeteilt.

*Spiel des Jahres wird seit 1979 vergeben, ist so etwas wie der Oscar der Brett- und Kartenspiele (also quasi der Bruder von «The Car of the Year»). Die diesjährigen Gewinner haben wir noch nicht gespielt, manche jener der vergangenen Jahre schon, da waren wunderbare Sachen dabei, an denen man als spielfreudiger Mensch lange Jahre Freud’ haben kann. Man kann ja auch nicht immer nur GR Yaris fahren. Mehr spannende Fahrzeuge haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Toyota GR Yaris erschien zuerst auf radicalmag.