Open Menu
Open Menu
 ::

Lexus LFA – Erinnerungen

Published in radical-mag.com

Zen Zylinder

Der erste Kontakt mit dem Lexus LF-A war wahrlich nicht sehr grossartig. Er ging über gerade einmal 1,86 Kilometer, beim Goodwood Festival of Speed, bei diesem so genannten «Hillclimb», bei dem es stolze 2,5 Kurven, eine Schikane und gefühlte zwei Meter Höhenunterschied zu befahren gilt. Und ausserdem war die Fahrt auf der eher langweiligen Seite, denn schon nach der ersten Kurve lief ich auf einen alten Rennwagen auf, der den «Berg» hochschlich, und weil Überholen streng verboten ist, kroch ich dann mit dem Lexus LF-A halt auch den «Berg» hoch.

Aber auch wenn es nur ein paar Minuten dauerte – ein ganz, ganz feines Gerät ist er, der Lexus LF-A. Es hatte eine kleine Ewigkeit gedauert, bis die Japaner ihren Super-Sportwagen endlich auf der Strasse hatten, schon im Jahr 2000 wurde mit der Entwicklung begonnen, im Januar 2005 hatten sie in Detroit eine erste Studie gezeigt, und es war schon damals klar gewesen, sie würden dies Ding bauen. 2007 folgte eine zweite Studie, dann mit Interieur, 2008 eine dritte, ein Roadster. Doch erst im Oktober 2009 wurde endlich in Tokio die Serien-Version vorgestellt, und ab 2010 wurden die 500 Stück, auf die Lexus seinen LF-A freiwillig limitiert hatte, dann auch gebaut. 2011 wurde ausserdem noch die Nürburgring-Edition vorgestellt, 5 Kilo leichter und 10 PS stärker, davon gab es noch einmal 50 zusätzliche Exemplare.

Doch bleiben wir beim ganz «profanen» LF-A, der ist schon aufregend genug. Angetrieben wird er von einem in Zusammenarbeit mit Yamaha entwickelten 4,8-Liter-V10, der bei 8700/min 560 PS leistet, der bis 9500/min dreht und selbstverständlich nicht künstlich beatmet wird. 40 Titan-Ventile und 10 Titan-Pleuel singen da ein beeindruckendes Lied, die Ventildeckel werden aus Magnesium gefertigt; es gibt keine Benzin-Direkteinspritzung, dafür brauchen die Einzeldrossenklappen nur gerade 120 Millisekunden, bis sie sich vollständig geöffnet haben. Eine für anständige Sportwagen selbstverständliche Trockensumpfschmierung (13 Liter!) sorgt dafür, dass der Lexus auch bei Querbeschleunigungen von 2 g noch nicht auf dem Trockenen liegen bleibt. Das maximale Drehmoment beläuft sich auf 480 Nm bei 6000/min. Wie es sich für einen hochwertigen Sportwagen gehört, ist der LF-A in der Transaxle-Bauweise ausgeführt, also Motor vorne (wobei, das Ding ist weit, weit hinten), Getriebe und Batterie und sonst noch so ziemlich alles hinten. Beim Getriebe handelt es sich um einen automatisierten, sequenziellen 6-Gänger, der die Schaltvorgänge, bei Bedarf und dann mit einem eher kräftigen Ruck, in 0,2 Sekunden ausführen kann. Als Fahrleistungen nennt Lexus ein Sprintvermögen von 0 auf 100 km/h in 3,7 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 325 km/h. Karbon-Keramik-Bremsen verstehen sich von selbst, vorne 390 Millimeter fett, hinten 360 Millimeter.

So ein V10 bietet ein so ganz anderes Klangerlebnis. Es ist nicht das hysterische Kreischen eines (italienischen) V12, es ist näher beim V8, angenehm tief in der Tonlage. Es wird kolportiert, die Yamaha-Spezialisten aus dem Bau für Musikinstrumente seien zugezogen worden, um diesen ganz besonderen Sound, der Formel-1-Klänge imitieren soll, zu entwickeln. Wir hätten aber eigentlich gern etwas mehr davon, er ist fast etwas zu brav, der Lexus LF-A. Zumindest, was die Geräuschentwicklung betrifft. Wobei, das ist natürlich extrem relativ: er ist schon wunderbar laut, wenn er getreten wird, und das tönt dann ab 6000/min bestens, so gut, dass man dies immer wieder auskostet. Aussergewöhnlich: die drei Endrohre der Auspuffanlage. Es sind übrigens auch drei Klangbrücken, die diesen Zehnzylinder-Konzert in den Innenraum übertragen.

Ziemlich aussergewöhnlich ist auch das Cockpit gestaltet – das ist für uns gesetztere Herren etwas gar viel Mäusekino. Wer nicht mit Playstation und Co. aufgewachsen ist, und solche Menschen soll es ja durchaus geben, sitzt etwas ratlos vor dem mehrschichtigen TFT-Bildschirm, auf dem wild die verschiedensten Anzeigen flimmern. Man kann aus gefühlten 100 Fahrmodi auswählen, für das Getriebe, das Fahrwerk, und Hochachtung vor jenen, die da die Übersicht bewahren. Dafür sind die Sitze ganz grosses Theater, Schraubstöcke in edelstem Leder, sonst gibt es noch einen Mix aus Alu und Carbon, und das sieht alles nicht ganz so aus, wie wir uns «aus einem Guss» vorstellen.

Doch sobald man unterwegs ist, hat eh keine Augen mehr für solches, sondern nur noch für den Drehzahlmesser, der zwar analog dargestellt wird, aber natürlich auch digital ist. Es ist wahrlich fantastisch, wie schnell das Aggregat bei einem kräftigen Tritt hochdreht, wie herrlich das gut 1,5 Tonnen schwere Vieh abgeht. Hochdrehen, ein Zupf am Schaltpaddel, und die Orgie geht von vorne los. Die Lenkung ist so präzis, direkt, wie man sich das nur wünschen kann; das kann auch ein Ferrari 458 nicht besser (den wir damals als Optimum angesehen haben), der Wunsch des Piloten ist dem Wagen Lenkbefehl, und das in «real time» (man muss auf den ersten Kilometern sogar aufpassen, dass man die Kurvenradien nicht zu eng zieht, weil man sich diese so unmittelbare Reaktion nicht gewohnt ist). Auch gebremst wird hervorragend, vielleicht sind die Karbon-Keramik-Dinger fast etwas zu bissig – ausser natürlich, man ist auf der Rennstrecke unterwegs. Auf einer solchen fühlt sich der Lexus am wohlsten, obwohl er durchaus Gran-Turismo-Qualitäten hat. Doch es ist fast schade, mit diesem Sportwagen durch den öffentlichen Verkehr zu schleichen.

Man gast also fröhlichst an (wir taten es nach Goodwood dann auch einmal noch auf öffentlichen Strassen), und das Ding zuckt mit keiner Wimper. Die Gewichtsverteilung beträgt 48:52, die Balance ist fantastisch, der Wagen verhält sich unglaublich neutral, was immer man mit ihm auch anstellt. Das ESP, das bei der Toyota-Tochter VSC heisst, lässt sogar sanfte Driftwinkel zu, doch so schnell kann man eigentlich gar nicht unterwegs sein, ausser, man provoziert das ganz bewusst. Was höchst erfreulich ist: der Lexus ist alles andere als bretterhart, man darf ihn als durchaus komfortabel bezeichnen.

Es ist jetzt noch schwierig, etwas zum Preis zu sagen: 375’000 Euro waren es einmal – unterdessen sind die Preise aber schon massiv gestiegen, im Netz werden teilweise hirnrissige Summen verlangt (799’000 Euro…). Ist er ein Sammlerstück? Unbedingt. Lexus mag zwar unter den Sportwagen-Freunden nicht den Klang haben wie Ferrari oder Porsche, doch der LF-A ist sicher unter den High-Tech-Spielzeugen (dazu gehört auch noch der Nissan GT-R) das absolut hochstehendste, faszinierendste. Ist er schön? Hmm, form follows function – aber diese Design-Maxime war noch nie falsch, also passt das auch beim Lexus.

«radical» hat ja gerade Sommerferien. Und deshalb publizieren wir manchmal ein paar Erinnerungen an besonders beeindruckende Fahrzeuge der vergangenen Jahre; da kommen noch mehr. Mehr guten Lesestoff gibt es aber immer in unserem Archiv. Photos: ©Walter Pfäffli.

Der Beitrag Lexus LFA – Erinnerungen erschien zuerst auf radicalmag.