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Fahrbericht VW Touareg

Published in radical-mag.com

Aufsteiger

Oh ja, es sind viele spannende Neuerungen im neuen Touareg von Volkswagen verbaut. Darüber spricht man, die Medien werden sie beschreiben und zeigen, alles wird auch in der Werbung gepriesen. Gehen wir diese Feinheiten doch gleich zu Beginn einmal durch:
– das Innovisions-Cockpit, das sieht tatsächlich sehr gut aus, clever, vor dem Lenkrad ein 12-Zoll-Screen mit feiner Auflösung, gleich direkt (und leider nicht so schön) angefügt noch ein gewaltiger 15-Zöller. Das wirkt wie ein riesiger Breitbildfernseher, derart konsequent hat das noch gar niemand durchgezogen, dagegen wirkt selbst Tesla etwas veraltet. Die Bedienung soll intuitiv sein, heisst es zumindest – sogar wir digitale Neandertaler könnten uns wohl daran gewöhnen. Muss man haben, das gibt es vorerst nur im Touareg. Kostet aber halt Aufpreis, und das in allen angebotenen Ausstattungsversionen (Basis, Elegance, Atmosphere, R-Line), 3030 Franken werden fällig.

– auch das neue, komplett individualisierbare Head-up-Display ist wirklich eine feine Sache, ein deutliches Plus an Übersicht; wenn man das Innovisions-Cockpit schon hat, dann braucht man dies unbedingt auch. Kostet aber halt noch einmal 1300 Franken.
– gut, ein Nachtsichtgerät gab es bei Cadillac schon im vergangenen Jahrtausend, aber das System von VW kann halt mehr, sieht Menschen am Strassenrand (und warnt sie sogar), das ist sicher ein g’scheites Assstent. Aber auch dies nicht gratis, es müssen happige 1830 Franken abgedrückt werden.
– gern lobt sich Volkswagen auch für die tatsächlich edle Luftfederung sowie die Allradalenkung im neuen Touareg. Es ist dazu zu vermelden, dass der Fahrkomfort wirklich fein ist und die Agilität erstaunlich. Doch es kommt auch solches selbstverständlich nicht gratis, flotte 2860 Franken legt man da noch einmal drauf.
– ein ganzes Bündel an neuen Assi-Systemen, Auspark-Assi, Kreuzungs-Assi, Spurwechsel-Assi, Stau-Assi – ja, gern, aber das dies bitte für 2510 Franken zusätzlich, bitte, danke.
– die neuen LED-Scheinwerfer, die abseits der Strassen auch 180 Grad in die Pampa leuchten können – nein, geschenkt sind sie selbstverständlich auch nicht, 2060 Franken zusätzlich.

Ja, der Fortschritt. Er muss sein, nicht nur in der Automobil-Industrie ist Stillstand Rückschritt, der Shareholder will immer mehr, den Kunden dürstet es nach Neuem. Und er war noch nie: for free. Aber einen derartig gnadenlosen Versuch der Monetarisierung haben wir noch gar nie erlebt. Irgendein Zückerchen gab es bei Neuauflagen immer – beim Touareg gibt es ganz viele. Und alle kosten. In den vergangenen 16 Jahren hat Volkswagen über eine Million Touareg verkauft; das ist schon ziemlich beeindruckend, auch deshalb, weil mit relativ simpler Technik richtig fettes Brot verdient wurde. Man darf davon ausgehen, dass die Grund-Marge bei der dritten Generation noch einmal deutlich erhöht werden kann, schliesslich basieren unterdessen alle SUV des VW-Konzern auf dem modularen Langeweilebaukasten, der Touareg ist also auch ein Lamborghini Urus und ein Bentley Ben-Tanga (immer diese Korrektur-Programme…) und ein Audi Q7 und ein Porsche Cayenne. Und auch wenn der Touareg quasi das Einsteiger-Modell ist – VW schafft die Begehrlichkeiten, dass die Kunden gewillt sein werden, so richtig viel Ausstattung in den Wagen zu investieren. Was das SUV aus Wolfsburg (oder mehr so: aus Bratislava, Slowenien) in Premium-Preiskategorien katapultiert.

Ob all diesen Gimmicks geht fast vergessen, dass der Touareg tatsächlich ein feines Gefährt ist. Wir fuhren (auf unsäglich öden Strecken) so einen maximal Ausgestatteten, also Luftfederung und alles – und können den Komfort, die Ruhe, sogar die Souveränität nur rühmen. Torkelnde SUV, das war einmal, der Volkswagen lässt sich heftig ums Eck hauen – und gleitet wie eine Sänfte. Zwar gibt es weiterhin Allrad, doch so ein Touareg im R-Line-Kleid macht schon optisch klar, dass ihm der glatte Asphalt am liebsten ist, 21-Zöller und so. Als Antrieb stand nur der 3-Liter-Diesel mit 286 PS zur Verfügung, 600 Nm maximales Drehmoment, 2070 Kilo Leergewicht, was für dieses Trumm von 4,88 Metern Länge, 1,98 Metern Breite und 1,72 Metern Höhe im positiven Sinne ordentlich erscheint. Das geht mit der seidenweich schaltenden 8-Gang-Automatik sehr flott voran, bei Bedarf, da mag man gar nicht meckern – und fragt sich dann halt doch, wo in diesem Bereich auch nur ein Hauch von Fortschritt bleibt, irgendwie steckt der ganze Hirnschmalz wohl im Innenraum und den Assi-Systemen. Wem das nicht reicht: es kommt noch ein 4-Liter-Diesel mit 421 PS und 900 Nm maximalem Drehmoment. Den Plug-in-Hybriden gibt es vorerst nur in China, die brauchen das dringender, die produzieren ihren Strom ja hauptsächlich mit Kohlekraftwerken (war der jetzt unpassend?). Benziner? Ja, nach dem Sommerferien, 340 Pferde.

Beim Design hat man hat sich in Wolfsburg den grossen Aufwand gespart, der Touareg sieht aus wie eine um 10 Prozent vergrösserte Blaupause des Tiguan. Daran ist nichts verkehrt, der Tiguan verkauft sich ja bestens – und Familienähnlichkeiten haben bei VW ja mittlerweile Tradition. Die Platzverhältnisse sind grosszügig, auch hinten ist man sehr wohl – und dann packt das VW-Flaggschiff auch noch mindestens 810 und maximal 1800 Liter weg (ein cleveres Gepäcksystem, in jedem Kia serienmässig, kostet, na, was wohl?). Für das Raucherpaket nehmen die Wolfsburger auch noch einen Fuffziger; wir würden gerne auch mehr bezahlen, wenn dafür die fiesen Plastik-Höhlen, auch als Cup-Holder bezeichnet, aus der Mittelkonsole verschwinden würden. Verarbeitung und Materialqualität sind bei Volkswagen eh längst auf der Höhe der Premium-Schwester im Konzern, auch wenn es sich schwer vergleichen lässt, da die meisten Audi ja in der Garage stehen, eingebremst von einem oder gleich mehreren Rückrufen. Und damit das auch noch deutlich ausgedrückt ist: im Vergleich zum neuen Touareg sehen BMW und Mercedes mit ihren Oberklasse-SUV sowas von alt aus, man mag es fast gar nicht glauben, das muss aus dem letzten Jahrtausend stammen. Ach ja, ausgezeichnete Sitze, zumindest dann, wenn man jene mit dem Stempel von AGR (Aktion gesunder Rücken) bestellt (also: mit entsprechendem Aufpreis); da hat VW jetzt auch gemerkt, was Opel schon lange weiss.

In der Basis-Version, die auch gleich so bezeichnet wird, kostet der neue Touareg (mit der 231-PS-Variante des 3-Liter-Diesel) 69’900 Franken. Günstig ist das nicht – und wie erwähnt: es kommt dann noch so einiges dazu. So offensichtlich es ist, dass der Touareg seine Konzern-Brüder derzeit heftig in den Schatten stellt (und seine Konkurrenten ebenfalls), so klar ist nach vergangener Aufzählung aber auch, dass nicht nur das SUV, sondern auch sein Preis Premium ist. So deutlich war die Ansage bei Volkswagen noch nie, nicht einmal damals beim Phaeton zielte man in Wolfsburg so heftig nach oben. Die Rechnung wird wahrscheinlich auch aufgehen – es dürfte aber vielen bisherigen Touareg-Kunden eine preiswertere Einstiegsvariante fehlen. Wobei, da ist ja noch der neue Tiguan Allspace mit seinen 4,7 Metern Länge, der kommt schon fast an die erste Generation Touareg (4,72 Meter) heran.

Mehr Volkswagen haben wir in unserem Archiv. Und was es übrigens wirklich braucht in einem VW, das lesen Sie: hier.

Der Beitrag Fahrbericht VW Touareg erschien zuerst auf radicalmag.