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Reisebericht Tesla Model S 100D

Published in radical-mag.com

The Times they are a-Changin‘

Es ist dies so etwas wie das doppelte Lottchen – ein ausführlicher Versuch zum Tesla Model S 100D, das wir ausführlich fahren durften. Es kamen da einiges an Kilometern zusammen, rund 3000 in weniger als zwei Wochen. Eine Erfahrung, die wir nicht missen möchten, denn sowohl der cha. wie auch der pru. galten ja bisher nicht als die grossen Verfechter der E-Mobilität, auch für das Unternehmen Tesla sowie den Guru Elon Musk hegten (und hegen) wir nicht nur Sympathien. Ist jetzt alles anders? Markus berichtet hier zuerst von seinen Erfahrungen, es folgt dann noch eine zweite Story.

Ich gelte ja nicht gerade als der grösste Fan der Elektromobilität, obwohl ich wohl bereits alles gefahren bin, was sich elektrisch bewegen lässt. Ob Lohner-Porsche oder den ersten Mitsubishi iMIEV – mich hat das Thema immer interessiert, aber halt: nicht begeistert. Der elektrische SLS von den Benzen, ja, der war schon ganz schön heiss – aber auch unendlich schwer, teuer und für den Alltag eher mässig interessant. Klar gibt’s auch noch den Renault Zoe, zum Beispiel, ein gutes Auto für die Kurzstrecke. Und es gibt da noch: Tesla. Beim Produkt aus dem Hause Musk war ich seit je her gespalten. Klar, er hat nicht nur geredet, sondern auch geliefert. Aber ein Autobauer, der kein Geld verdient, der Tonnen seltener Erden braucht, um seine Gefährt in Gang zu setzen – naja, Applaus habe ich nie gespendet. Klar, die Dinger gehen ab wie Sau, die Längsdynamik ist wirklich toll. Aber erstens sollte man die Ampere-Käfer nicht zu sehr reizen, sonst ist das Ding schon nach drei Viertel der Passstrecke zu heiss und die Verbrenner mit 200 PS ziehen wieder an dir vorbei. Und zweitens: ganz billig und vor allem ganz leicht ist die Sache nicht. Doch über diese Themen gibt’s im Test mehr zu erfahren. Wir wollen uns hier auf die Reisequalitäten des Tesla Model S 100D beschränken.

Mehr per Zufall war ich an dem Tag in der Chäsi zu Höchstetten, als der Tesla geliefert wurde. Und ich wollte zwei Tage später nach Italien, Kurztrip, in 36 Stunden hin und wieder zurück. Geht das wirklich mit einem Elektroauto? Tesla sagt ganz klar: ja, gar kein Problem. Also fing ich an, mich mit der Reisefreundlichkeit zu beschäftigen. Routenplanung (geht prima auf der Tesla-Website), Supercharger-Stationen anschauen, Pausen einplanen – nach einer halben Stunde war klar, der Trip nach Biella und in die Umgebung stellt kein Problem dar. Zumindest digital nicht.

Mit 408 km Reichweite ging es tags darauf los, ab auf die Autobahn in Richtung des Grossen St. Bernhard. Auf dem riesigen Navi-Bildschirm die klare Ansage: Du kommst ohne Nachladen ans Ziel, vor Ort werden noch 11 Prozent in den Batterien stecken. Und dies, obwohl der Anstieg zum Tunnel des grossen St. Bernhard happig ist. Aber eben, danach geht’s ja auch lange wieder bergab, Rekuperieren heisst das Zauberwort. Das Auto rollt auf Schweizer Autobahnen easy einher, auf der Fahrt in Wallis hat man wunderbar Zeit, sich ein paar Gedanken zu machen. Zum Gefährt, zur Umweltbilanz, zum Image von Tesla. Ob all dem vergisst man, was einem Petrol-Head wie mir ganz tief eingeimpft ist: die Reichweiten-Angst. Locker ziehe ich neben dem ersten Supercharger auf der Route vorbei, die Anzeige steht immer noch bei fast 250 Kilometer – und bis zum Ziel sind es keine 180 mehr. Also rauf in Richtung Tunnel. Und ja, dort erfreut man sich der Längsdynamik des Tesla. Einen Lastwagen auf den kurzen Überholstrecken aufschnupfen? Das kostet dich nicht mal ein Lächeln, 611 PS, 967 Nm – noch Fragen? Klar fasziniert diese Leitung, aber darum geht es ja heute nicht. Also durch den Tunnel rüber nach Italien. In Aosta dann die erste Rast. Im Autoporto ausserhalb der Stadt hat es einen Supercharger. Der ist schnell gefunden, auch wenn mich das Navi (Google Maps) auf eine 28 Kilometer lange Schlaufe schicken wollte; Ortskenntnisse sind der Elektronik also immer noch überlegen. Das Auto anschliessen, Kaffee trinken. Klar, die Umgebung, also dieser Autoport lädt eigentlich in keiner Weise zum Verweilen ein, eigentlich nichts als ein grosser Lastwagenparkplatz. Ziemlich versifft, ausser dort, wo die Supercharger stehen, die Säulen sauber, der Boden gewischt. Der Barista ist noch am hantieren mit dem Kolben, als ich zum ersten Mal auf die Tesla-App schaue. 117 kW haut das Dinger derzeit rein, was einer Reichenweitenzunahme von fast 530 Kilometer pro Stunde bedeutet. Das ist: richtig viel. So beschliesse ich, nur einen Espresso zu schlürfen, nach genau 19 Minuten bin ich wieder beim Auto und habe die Reichweite um 170 Kilometer erhöht. Und ja, ich bin begeistert. Hätte ich getankt und einen Kaffee getrunken, ich wäre nicht viel schneller wieder unterwegs gewesen. Schnell bin ich am Tagesziel, habe immer noch beruhigende 200 km auf der Uhr und geniesse daher völlig entspannt die einheimischen Spezialitäten.

Anderntags geht früh am Morgen los, noch ein paar Besorgungen machen, der P 100D wird ziemlich beladen, so 140 Kilogramm oder fast zwei Standard-Menschen sind nun zusätzlich an Bord des Stromers. Auf der ersten Etappe, wieder nach Aosta, lasse ich es fliegen, schliesslich hat uns der nette Tesla-Mann bei der Übergabe gesagt, je leerer die Akkus sind, desto schneller geht das Laden. Also Stecker rein, gemütlich ein Panino essen und nach einer Dreiviertelstunde sind wieder 370 km auf der Reichweitenanzeige. Das reicht locker, um nach Hause zu kommen. Auf dem Rückweg zum Tunnel dann der grosse Schnee. Aber, der Tesla hat ja Allradantrieb, oder besser gesagt, einen Elektromotor an der Vorder- und Hinterachse. Also kein Problem, so lange man keine Niederländer mit Sommerreifen vor sich hat. Und noch etwas Gutes hat der Schneefall. Zum ersten Mal spüre ich wirklich, wie schwer das Ding ist. Die fast 2,6 Tonnen schieben dann schon ganz schön, wenn’s rutschig ist. Sonst ist mir das gar nicht so aufgefallen, bin ja aber auch nicht mit dem Messer zwischen den Zähnen den Berg hochgeheizt. Völlig entspannt komme ich nach 4,5 Stunden Reisezeit zu Hause an. Zum Spass gebe ich meine letzten paar Reiseziele im Ausland in den Routenplaner ein und siehe da, ich wäre überall problemlos hingekommen. Das funktioniert also.

Natürlich kann man das Auto auch konventionell aufladen – also ohne Supercharger. Zu Hause, auf der Arbeit oder an Ladestationen, die für andere Elektrofahrzeuge gedacht sind. Auch hier hat sich Tesla einiges überlegt. Andere Stromer kamen zum Test mit einem ganzen Kofferraum voller Kabel mit jeweils integriertem Ladesteuergerät. Einmal 230V für die Schweiz, einmal 230V Schuko für Deutschland usw. Bei Tesla kann man einfach mittels Klicksystem den jeweiligen Anschluss wechseln – sehr praktisch. Und vor allem: es funktioniert. Was man nicht von allen anderen E-Autos behaupten kann.

Zum Schluss noch ein Wort zum Verbrauch. Tesla redet beim Model S P100D von einem Durchschnittsverbrauch von 18,9 kW/h pro 100 Kilometer. Deutlich realistischer sind da 23 kW/h auf dieselbe Distanz. Was eine Reichweite von deutlich über 400 km ergibt. Macht man einen auf Sparfuchs (dann braucht man sich auch kein 600-PS-Elektroauto zuzulegen) sind 500 Kilometer pro Ladung drin. Vor allem, wenn die äusseren Einflüsse (nicht zu kalt) stimmen. Bezieht man die Elektrizität in der Schweiz soll laut Hersteller eine CO2-Belastung von 28 Gramm pro Kilometer für die Strombereitstellung resultieren. Schöne Worte, der Aufwand für die Produktion von Auto und Akku sind in dieser Rechnung natürlich nicht enthalten…

Etwas «andere» Reiseerfahrungen mit dem Tesla hatten wir schon: hier. Weitere Exoten haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Reisebericht Tesla Model S 100D erschien zuerst auf radicalmag.