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Fahrbericht Suzuki Ignis

Published in radical-mag.com

Was man wirklich braucht

Zeuge einen Sohn. Baue ein Haus. Pflanze einen Baum. Genau darum gehts. Von «kaufe Premium-Protz» steht da gar nichts. Und es ist genau deshalb an der Zeit, sich wieder einmal darauf zu besinnen, was der automobile Mensch denn wirklich braucht.

Wenn man die einschlägigen Gazetten so liest, auch «radical» betrachtet, so muss das Gefühl aufkommen, dass wir alle knietief in Geld waten. Maserati, Porsche, fette Audi und gepimpte Hyundai sind allerorten zu bewundern, unter 25 Riesen gibt es eigentlich gar nichts mehr – und auch bei uns steht der Anteil der Supersportwagen an der Berichterstattung in einem krassen Missverhältnis zum wahren Leben. Dort dominieren allerdings die Kleinwagen bis maximal hoch in die Golf-Klasse – und noch viel mehr Käufer finden sich in einem Preisbereich eines gebrauchten Dacia. Klar, der Traum vom Ferrari bleibt ein schöner, logisch schaut man sich lieber ein Video eines McLaren P1 an als eines von einem runtergewirtschafteten Twingo. Da ist es gerade recht, dass uns der Suzuki Ignis auf den Boden der Tatsachen zurückholt.

Ich gebe es zu: als ich den Ignis zu ersten Mal sah, da traute ich meinen Augen nicht. Eine Wanze auf Rädern, dachte ich, irgendein ein fieses Insekt von einem anderen Planeten, so ein Gerät für den Behinderten-Transport. Mit grosser Skepsis näherte ich mich dem japanischen Micro-SUV – noch so ein Teil, das gar niemand braucht, dachte ich mir, SUV in Zwergenform, das ist der Widerspruch des Widerspruchs. Von aussen sieht der Suzuki breiter aus als hoch und höher als lang. Gut, das stimmt so nicht ganz, 3,7 Meter ist er lang, 1,66 bis 1,69 breit, und stolze 1,6 Meter hoch. Die Optik wird mitbestimmt von der Bodenfreiheit von 18 Zentimetern – und vor allem dominiert von den vier Rädern, die wirklich ganz aussen an der Karosse angebracht sind. Derart konsequent hat das wohl noch niemand durchgezogen. Obwohl der Suzuki wirklich ein Zwerg ist, befördert er trotzdem fünf Personen – und verfügt über 260 Liter Gepäckvolumen (Rücksitze abgeklappt: 514 Liter). Mehr Raum auf weniger Grundfläche erscheint kaum möglich – und schon ist uns das Ding sympathischer. Wichtig: So ein Ignis ist 885 Kilo schwer in der Basis. Und fully loaded kommt er auch 960 Kilo. Es geht also.

Denn, eigentlich: wer braucht wirklich einen 5,17 Meter langen Audi A8? Mehr Personen als der japanische Zwerg kann er auch nicht befördern. Gut, der Audi packt mehr Golfsäcke weg, dies sicher auch noch eleganter – aber sonst, wo ist der Vorteil? 250 km/h Höchstgeschwindigkeit? Wir waren gerade ausgiebig auf deutschen Autobahnen unterwegs, der Durchschnitt lag bei unter 100 km/h, die schafft der Ignis locker, er rennt bei Bedarf 165 km/h. Und in etwa 12 Sekunden auf 100.

So begab es sich, dass ich in den Ignis einstieg – und mich auf Anhieb wohl fühlte. Gut, da ist allerlei Plastik, ok, da flimmert ein Toucscreen, nun denn, da gibt es mancherlei Schalterchen und Hebelchen dort, wo andere Automobile heute nur noch digital Virtuelles haben. Und trotzdem: keinerlei Rätsel. Denn es gibt ja auch nichts, was man missverstehen könnte. Man rückt den Sitz zurecht, händisch, man drückt den Startknopf (ja, so modern ist der Suzuki) – und dann fährt man. Von A nach B. Und dann auch wieder zurück. Einfach so, ohne weiter nachzudenken, ohne Bedienungsanleitung, manuelles 5-Gang-Getriebe. Und der wahre Wahnsinn ist: Man merkt, dass 90 PS locker ausreichen. Es ist wahrscheinlich mehr Fahrfreud‘ noch als in manch einer Oberklasse-Limo, denn man kann den 1,2-Liter-Vierzylinder so richtig übel treten – und braucht keine Angst zu haben vor groben Gesetzesübertretungen. Schau beim dicken Audi das Fahrpedal an – und Du stehst mit einem Fuss im Gefängnis, die Busse dazu wird Dir die Haare vom Kopf fressen. Beim Ignis schaukelt man durch die Gegend, sucht die eigene Mitte, kommt alleweil anständig vorwärts – und ist mit weniger zufrieden. Eine Eigenschaft, die noch manchem Mitmenschen bestens anstehen würde.

Nein, das Bergrennen gewinnst Du nicht. Und beim Track-Day siehst Du im Japaner so richtig Scheisse aus. Aber so etwa 100 Prozent der Autokäufer machen eh nie beim Bergrennen mit und noch weniger am Track-Day, also erfüllt der Ignis die Bedürfnisse einer ganz grossen Mehrheit – mit Bravour. 4,4 Literchen soll er als milder Hybrid (ja, milder Hybrid, das ist er nämlich auch noch) und mit Allradantrieb (ja, Allradantrieb hat er auch) verbrauchen. Da sieht der Audi und dann ganz viele andere dann ziemlich schlecht aus dagegen. Und mein Lächeln wird immer breiter – hey, wie cool ist die Karre eigentlich? Und wenn man drin sitzt, dann sieht man ja auch nicht, wie sie von aussen aussieht. Die Sitzposition ist etwas eigenartig, sehr hoch, wie man das früher von Fiaten kannte, aber was solls, auf der Toilette lassen sich auch ganz komfortabel längere Sitzungen abhalten. Lenkung: gut. Bremsen: gut. Getriebeführung etwas lang, aber das geht auch, da hatten wir schon Schlimmeres.

Nochmals zum Mitschreiben und Nachdenken: Milder Hybrid, Allradantrieb – technologisch ist der Ignis quasi auf Augenhöhe mit dem Audi A8 (sorry, dass ich immer den Audi als Vergleich nehme, doch den bin ich direkt vor dem Ignis gefahren, auf gleichen Wegen, deshalb bietet er sich halt ein bisschen an – und auch deshalb, weil der Ingolstädter derzeit wohl die Obergrenze des technisch Machbaren darstellt). Es gibt den Ignis aber ab 14’900 Franken (gleicher Motor, aber kein Mild-Hybrid und nur Frontantrieb) – unser Proband mit allem, wirklich allem ist ab 20’990 Franken zu haben. Die Aufpreisliste bleibt kurz, wenn man alle Kreuze macht, dann ist man immer noch unter 25’000 Franken. Denn einen Regensensor braucht niemand, auf die Parksensoren kann man locker verzichten bei diesem Zwerg. Am Schluss gewinnt sowieso: die Vernunft.

Einverstanden, aus dem Emmental nach Hamburg brennen möchten wir mit dem Ignis nicht. Und mit der ganzen Familie drei Wochen zum Camping fahren auch nicht dringend; zu zweit ist es aber kein Problem. Ja, der Ignis ist einigermassen spartanisch, aber halt praktisch ausgestattet, das ist in Ordnung so, er will ein Transport-Mittel sein – und das kann er so überzeugend, vernünftig wie derzeit wohl kein anderes Automobil.

Haben wir eigentlich mehr Suzuki in unserem Archiv?

Der Beitrag Fahrbericht Suzuki Ignis erschien zuerst auf radicalmag.