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Test Ford Focus RS

Published in radical-mag.com

Basic Instincts

Jeweils über endjährlichen Festtage gönnt sich «radical» einen etwas spezielleren Testwagen, in den vergangenen Jahren meist einen Subaru WRX STi, denn es könnte ja Schnee geben, es müssen Einkäufe gemacht werden – und in die entsprechende Feststimmung kommt man(n) ja jeweils auch gerne. Heuer war es der Ford Focus RS, der uns die Zeit und Weihnachten und Neujahr versüssen sollte. Und er tat es mit Bravour – und das definitiv nicht bloss, weil die Kinderchen ihn liebten. Und obwohl wir ja «digitale» Automobile eigentlich nicht so sehr mögen (siehe: Fahrbericht, der aber mehr ein Streitgespräch ist…). Und der so sehr ersehnte Schnee erst zwei Tage vor dem Rückgabetermin kam. Wer jetzt hier allerdings etwas lesen will, wie es so steht in Sachen Connectivity und anderen Assistenten im Focus RS, der kann sich die folgenden Zeilen sparen, wir sind da mehr so «old school», wir folgen den ganz niedrigen Instinkten, uns interesiert mehr Lärm, Kraft, Fahrfreud‘, wir wollen schnell sein und laut – und danach dann auch durstig.

Was sein muss nach dem Einsteigen und Starten: den Fahrmodus-Schalter gleich mal auf «Track» stellen. Dann macht der Ford einen wunderschönen Lärm, ein tiefes Grollen im Leerlauf und bei niedrigen Tourenzahlen, das sich dann zu einem erstaunlichen Orkan auswächst, wenn man ihn etwas heftiger tritt – und dieses herrliche Sprotzen verursacht beim Herunterschalten, das zwar rein gar nichts bringt (ausser etwas mehr Verbrauch), aber einfach gut tönt. So irgendwie: dreckig, fies. Er kann zwar auch relativ manierlich, der RS, aber das passt so gar nicht zu ihm, er will und darf böse sein, er ist mehr der gepimpte Prolet als der elegante Gleiter – er weckt die richtigen Emotionen.

Da fährt man ganz entspannt innerhalb der gesetzlichen Limiten, es folgt eine schöne Kurvenfolge, für die man in den meisten anderen Autos eigentlich abbremsen würde. Im Focus RS knallt man einen tieferen Gang rein, nimmt noch vor der Kurve massiv Fahrt auf, haut das Ding in und um die Ecken, dass es einfach nur eine Freud ist, er hält und hält, und wenn er dann nicht mehr hält, kommt er hinten, und wenn man Eier hat, lässt man dann einfach stehen, zieht ihn durch, bis er wieder zurückpendelt – und grinst nur. Es ist schon erstaunlich, was der RS aushält, wie souverän er die Kraft auf den Boden bringt, welch extremen Grip er aufbaut. Das Fahrwerk ist wirklich grossartig, das Fahrzeug ganz klassisch bestens austariert – auch wenn beim Allradler selbstverständlich sehr viel Elektronik mitarbeitet. Auch die Bremsen sind grossartig, sehr schön dosierbar, richtig böse, wenn man den Anker werfen muss. Ja, er ist hart, aber das soll er auch sein, wer mehr Langstrecken-Komfort will, der kann ja auch einen Mondeo Vignale kaufen. Und nein, wir haben den «Drift»-Modus nie eingeworfen, wir bevorzugen die schnelle Linie; man kommt ja auch ohne «Hilfe» quer aus dem Kreisel. Auf Schnee, übrigens, ist der Ford die wahre Wonne, da spürt man fast noch besser, wie fein er ausbalanciert ist.

Die Schaltwege sind etwas zu lang. Doch dass wir solches bemerken müssen, bedeutet eben auch: manuelles Getriebe. Die Übergänge sind vorzüglich, das passt alles perfekt, auch wenn da die massive Drehmomentwand natürlich hilft. Doch es ist eine Gaudi, den RS durch die Gänge zu treiben, sie auch mal auszufahren – und selbstverständlich immer mit Zwischengas zurückzuschalten. Zwar wirkt der Schalthebel etwas lang, doch ergonomisch passt das bestens, wenn man da hochkonzentriert mit dem Messer zwischen den Zähnen auf den Berg rudert, dann ist das Zusammenspiel zwischen Händen und Füssen ein feines – und dann sieht man auch diese komische Bediener-Oberfläche auf dem eh etwas kleinen Screen nicht. Denn diese ist bei genauerer Betrachtung – ein Rätsel, wir verstehen nicht, was Ford uns damit sagen will.

Vermissen wir den Fünfzylinder? Nein. Wir haben es hier mit dem modernen 2,3-Liter-EcoBoost-Vierzylinder zu tun, die gleiche Maschine wie im Mustang, aber halt 350 statt nur 310 PS. Und 440 Nm maximales Drehmoment, schon ganz tief im Keller. Er will in 4,7 Sekunden auf 100 km/h sprinten und 266 km/h schnell sein, maximal. Und doch im Schnitt nur 7,4 Liter verbrauchen. Geschaltet wird manuell über 6 Gänge. Und das alles ist eine wunderbare Mischung, bei der es einzig und allein darum geht, jede Menge Fahrfreude zu generieren; auf den Verbrauch wird man bei einem solchen Wagen nicht achten wollen, er lag bei uns im Test bei über 12 Litern. Und es ist irgendwie völlig egal, es könnte auch mehr sein.

Wir wagen da mal die Behauptung, dass man einen 911er schon so richtig gut bewegen können muss, um am Berg mit dem Focus RS mithalten zu können. Gut, auf der Rennstrecke wird so ein reinrassiger Sportwagen flotter sein, auch weil der Ford so ab 230 km/h nicht mehr gnadenlos durchzieht, doch in Sachen Fahrfreud ist der RS auf einem Niveau, das wir heute nur noch selten antreffen. Nein, wir müssen da die Preise nicht vergleichen, der Ford Focus RS steht mit 49’300 Franken auf der Preisliste. Da kann man dann schon noch ein bisschen etwas dazu bestellen, die 1300 Franken für die «Nitrous Blue»-Lackierung müssen fast sein, die RS-Schalensitze für 1540 Franken ebenfalls, doch man bringt es wohl nicht auf 60’000 Franken, auch wenn man alles ankreuzt. Der Preis ist ein Argument, das unbedingt für den Focus RS spricht.

Und da ist halt noch viel mehr: fünf Sitzplätze, vier Türen, einen anständigen Kofferraum (über 1000 Liter bei abgeklappten Sitzen), eine durchaus vernünftige Alltagstauglichkeit. Selbstverständlich hat er den einen oder anderen Nachteil, der Lärm wird die Nachbarn nicht freuen, der Verbrauch den Tankwart hingegen schon, er ist bretterhart und die Kosten für die Reifen können bei offensiver Fahrweise immens werden. Aber das wird man dem Focus RS alles nachsehen wollen, denn der Spass-Faktor steht weit, weit über allem. Und allein dafür lieben wir ihn.

Mehr Ford haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Ford Focus RS erschien zuerst auf radicalmag.