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Supertest 2016-5

Published in radical-mag.com

Lexus RC F

Irgendwie muss man den Lexus RC F einfach gern haben. Allein schon deshalb, weil man ihn ja kaum je zu sehen kriegt. Und ihn dann auch noch fahren zu dürfen, das hat auch für den erfahrenen Motor-Journalisten wahren Seltenheitswert, dagegen sind Ferrari und Lamborghini schon fast Massenware. Ausserdem sieht RC F auch noch so aus, dass man ihn mögen muss – wir möchten es nicht als Mitleid bezeichnen, aber es ist irgendwie nah dran. Denn eigentlich möchte er ja auch gern ein Sportwagen sein, ist es aber nicht, so: optisch. Mehr so: ein Nasenbär. Er hat zwar Muskeln und scharfe Kanten, und doch will man ihn auf den ersten Blick nicht in die Porsche-Aston-Fraktion einordnen, mehr so: Mittelklasse-Coupé. Was auch damit zusammenhängt, dass es halt auch noch einen recht öden RC200t gibt – und Lexus mit dem LC500 (bald) noch ein Modell im Angebot hat, das dem RC F sehr ähnlich ist. Und doch ganz anders. Auf auch nur annähernd gewinnbringende Verkaufszahlen kommen beide nicht – und nein, man muss diese Strategie nicht verstehen. Es hat etwas mit der Zusammenarbeit von Toyota mit BMW zu tun, wobei man auch da gar nicht weiss, ob sie im Segment der Sportwagen je zustande kommen wird.

Zurück zum RC F. Unter der langen Haube arbeitet der bekannte 5-Liter-V8 (den es ja auch im LC500 geben wird), er kommt freisaugend auf 477 PS bei stolzen 7100/min, das maximale Drehmoment von 530 Nm liegt zwischen 4800 und 5600/min an. Das bedeutet: die Maschine muss bei Laune gehalten werden. Und das ist gut so, denn der V8 entwickelt sicher das, was man als «beautiful noise» bezeichnen darf – eigentlich tönt er amerikanischer als der schon abgehandelte Camaro. Für einen Japaner, diese Zen-Meister der Zurückhaltung, ist er akkustisch wirklich: wild. Schönes Röhren bei tieferen Drehzahlen, grobes Brüllen dann so ab 5000/min, beim Zurückschalten sprotzen die Algorithmen der Elektronik die Fehlzündungen rein, ohne die heute anscheinend niemand mehr auskommen kann. Es ist übrigens eine saubere 8-Gang-Automatik, die im Lexus verbaut ist – und die ein Beweis ist dafür, dass die Tage dieser Wandler trotz Doppelkupplungsgetriebe noch nicht gezählt sein müssen. Denn sie kann ganz gut sportiv – und wenn man nur gleiten will, dann ist sie vom Feinsten, ruckfrei, geschmeidig.

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Ja, das kann er wunderfein, der Lexus, dieses Gleiten. Auch bei hohen Geschwindigkeiten, Landstrassen, Autobahn. Klar kann man auch bei Japaner die Knöpfchen drücken, die ihn versteifen und Lenkung schwergängiger machen und Gangwechsel flotter und das Ansprechverhalten spitzer, doch der Lexus tut das eigentlich nur deshalb, weil er muss; so richtig wohl scheint er sich dann nicht zu fühlen, wenn man ihm das Brachiale abverlangt. Auch ist sein Fahrwerk dann ganz einfach: bockig. Wer in der Basiseinstellung verbleibt, dem dankt es der RC F mit einer sehr sauberen Balance. Und als klassischer Transaxle-Hecktriebler mit einer wunderbaren Lenkung. Und einem Fahrverhalten, das so leicht vorhersehbar ist wie die Schwerze von Jeremy Clarkson in «The Grand Tour».

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Warum der Lexus fast 1,9 Tonnen schwer sein muss, ist uns allerdings unerklärlich – an der 2+2-Konstellation kann es nicht liegen, das können andere auch. Im Japaner können hinten zur Not aber wirklich auch mal zwei Kinderchen, kleine, sitzen – wenn sie denn den Weg dorthin finden, wahrscheinlich ist es einfacher durch den Kofferraum als durch die Türen. Das Gewicht, das im Vergleich zu den Konkurrenten schwächliche Drehmoment und natürlich die fehlenden PS – Wendlinger: «Könnte mehr Leistung ertragen» – bringen den RC F auf dem Salzburgring auf den drittletzten Rang. Mit recht deutlichem Abstand zum Viertletzten. Unsereins will dazu noch vermelden: dafür lässt er sich auch auf der Rennstrecke schön problemlos schnell bewegen, keine Zicken, keine Überraschungen, alles smoth. Am Berg ist er weniger der Renner, ja, das Gewicht, ja, da schiebt er dann auch mal vorne weg. Trotzdem: Man muss ihn einfach gern haben, auch wenn er nicht dringend auf der letzten Rille bewegt sein will.

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Dies «Gernhaben» – übrigens nicht verwechseln mit «must have» – wird allerdings dann etwas schwierig, wenn man sich im Innern umschaut. Ja, alles edel, schöne Materialien, sehr sauber verarbeitet; ist ja schliesslich ein Lexus. Doch wir sehen weiterhin das Problem, dass wohl mehrere Designer an der Innenraum-Gestaltung mitgearbeitet – und sich leider nicht abgesprochen haben. In der «auto revue» steht das wunderbar: «Man wollte Gutes tun und tat des Guten zu viel». Alcantara, rotes Leder, Carbon-Optik, fieser Plastik, weisse Nähte, blaue Nähte; das Aug kommt nicht zur Ruh‘, kann sich nirgends festhalten. Da muss irgendwann etwas geschehen, zeitgemäss ist nämlich auch das Bediensystem nicht mehr – und hätte so ein Lexus weniger Knöpfe und Schalter, dann wäre weniger nicht nur mehr, sondern auch übersichtlicher. Und ein Navi, dass eigentlich dauernd fünf Meter neben der Strasse fährt, das nervt auf Dauer ziemlich; da braucht es dann viel «Gernhaben», um das noch akzeptieren zu wollen. Die Sitze sind gut, auch auf längeren Strecken, auch dann, wenn man den Lexus um die Kurven haut.

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Aber reden wir doch noch: von Geld. In der Schweiz gibt es so einen Lexus RC F ab 91’500 Franken. Das ist in Anbetracht von Qualität, Verarbeitung, Antrieb ein mehr als nur fairer Preis, ganz besonders dann, wenn man dies mit den Basispreisen von Porsche 911 und Audi R8, auch vom Jaguar F-Type vergleicht, auch von einem Nissan GT-R ist der RC F einen Kleinwagen entfernt. So betrachtet ist der Lexus ein wahres Schnäppchen. Ausserdem sieht man ihn nicht an jeder Strassenecke – auch dafür mag man ihn gern haben.

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Mehr Toyota/Lexus haben wir in unserem Archiv. In Sachen #supertest2016 können wir bereits bieten:
die Einleitung.
den Chevrolet Camaro.
den Bentley Continental GT Convertible V8S.
den Audi R8 plus.

Der Beitrag Supertest 2016-5 erschien zuerst auf radicalmag.