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Dieser Striptease raubt Schnellfahrern den Atem: So stürmisch fährt der neue GT Roadster

Published in motosound.de

Mercedes AMG GT Roadster

Es hat tatsächlich ein bisschen was von einem Striptease. Denn wenn der AMG GT jetzt gute zwei Jahre nach dem Debüt endlich seine Hüllen fallen lässt und pünktlich zum Beginn der Open-Air-Saison auch als Roadster durchstartet, dann reichen elf Sekunden, bis den vor Sehnsucht schmachtenden Schnellfahrern der Atem stockt, das Blut zu kochen beginnt und der Puls bis in die Fingerspitzen schlägt. Aus einem ohnehin schon leidenschaftlichen Coupé wird in diesen elf Sekunden schließlich das mit großem Abstand verführerischste Bikini-Modell der Saison.

So lange dauert es, bis der GT sein knappes Tanga-Top mit der Grazie einer brasilianischen Standschönheit elektrisch hinter die Sitze faltet und sich oben ohne in der Sonne räkelt. Dann klingt der V8-Motor noch verführerischer, die künstlichen Fehlzündungen knallen noch lauter durch die offenen Schallklappen im Sportauspuff und das Brabbeln im Schub oder im Leerlauf macht einen fast süchtig. Und alles, was man in diesem Auto sieht, riecht oder mit seinen Sinnen wahrnimmt, fühlt sich zwei Nummern intensiver an, wenn man nackt im Wind sitzt.

Diesen Wind macht im GT Roadster neben der bekannten 476 PS-Variante des famosen Achtzylinders aus Affalterbach eine weitere Spielart des 4,0-Liter-Motors. Denn mit dem Roadster führt AMG auch den GT C ein, der die Brücke zum rennsport-inspirierten GT R schlagen soll. Mit 557 PS und 680 Nm ist er 47 PS stärker als der GT S und nur 28 PS schwächer als das giftige Biest aus der grünen Hölle, sagt AMG-Chef Tobias Moers und verspricht „ein hochdynamisches Fahrerlebnis in einem sehr exklusiven Umfeld, gepaart mit purem Roadster-Feeling.“

Da nimmt Moers den Mund nicht zu voll. Denn nicht nur die Längsdynamik des Roadsters raubt einem den Atem, wenn der Flachmann in 3,7 Sekunden von 0 auf 100 jagt und bei Vollgas mit 316 km/h so schnell durch den Mercedes-Himmel schießt wie eine Sternschnuppe. Sondern der GT C ist vor allem in Kurven eine Wucht, weil er die elektronische Hinterachssperre aus dem GT-R bekommt, fünf Zentimeter mehr Spurweite hat und die Hinterräder genau wie beim grünen Biest aktiv mitlenken. So kommt er schneller ums Eck und danach schneller wieder auf Touren – und der Fahrer trotz narrensicherem Stabilitätssystem und dem Sturm in seinen Haaren ins Schwitzen.

Dafür, dass das GT-Cockpit schon nach gut zwei Jahren ein bisschen verstaubt aussieht und mittlerweile in der C-Klasse schönere Schalter verbaut werden als in diesem Supersportwagen, dafür hat man bei dieser Raserei keine Augen mehr. Denn jetzt sind alle Sinne auf die Straße fokussiert, suchen die perfekte Linie durch die nächste Kurve und den Punkt danach, an dem man endlich wieder aufs Gas steigen kann. Den eher lieblos vor dem Innenspiegel versteckten Schalter für die elektrische Stoffmütze hat man dann ebenfalls längst vergessen. Und dass man bei geschlossenem Dach nicht einen Hauch vom Hintermann sieht, stört einen genauso wenig. Denn erstens ist Rücksicht bei Sportwagenfahrern sicher nicht die erste Tugend und zweitens fährt man dieses Auto ohnehin länger offen als jeden anderen Sportwagen – nicht umsonst hat Mercedes anders als Porsche & Co auch einen Nackenföhn für die natürlich die klimatisierten Sitze im Angebot. Nur das Windschott hätten sich die Schwaben sparen können. Weil es erstens absolut billig aussieht und zweitens ohnehin nichts bringt – aber vielleicht ist das der eigentliche Grund dafür, dass es Aufpreis kostet und man es sich deshalb getrost sparen kann.

Zwar kann es der GT Roadster vor allem als C-Modell mit jedem offenen Porsche Turbo, mit Lambo & Co aufnehmen. Doch hat der Ur-Enkel des Silberpfeils auch noch eine zweite Seite. Weil Mercedes eben nicht aus seiner Haut kann oder will, ist der Restkomfort bei diesem Roadster deutlich größer als bei der Konkurrenz und so sehr der V8-Motor den Fahrer anstachelt, gibt der sich dieser Versuchung bereitwillig hin. Viel öfter als bei der Konkurrenz lässt man es deshalb freiwillig etwas gelassener angehen, gönnt den verkrampften Fingern am Lenkrad eine kleine Entspannung und der verkniffene Blick weicht einem seligen Lächeln: So lässt man den lieben Gott einen guten Mann sein, wechselt mit dem Drehschalter auf dem breiten Mitteltunnel zurück in den Comfort-Mode und verfällt einen gemütlichen Trab, der nicht zuletzt auf einer unumstößlichen Gewissheit beruht: Ein Gasstoß, und der GT ist wieder voll da.

So groß die Sehnsucht der Schnellfahrer nach dem GT Roadster auch gewesen sein mag, sehen Mercedes-Fans das neue Open-Air-Modell auch mit einem weinenden Auge. Denn für den traditionellen SL wird die Luft mit dieser Premiere noch dünner. Nachdem das S-Klasse Cabrio seit letztem Sommer die verwöhnte Kundschaft ködert, gräbt ihm der neue Wirbelwind aus Affalterbach jetzt aus der anderen Richtung auch noch da Wasser ab und zwingt den einstigen Star am Mercedes-Himmel so weiter in den Sinkflug. Aber das müssen sich die Strategen in Stuttgart vorwerfen lassen, der schnellen Truppe aus Affalterbach kann man dafür nicht böse sein. Im Gegenteil muss man ihr für den Roadster Respekt zollen. Denn rasend schnell und trotzdem überraschend komfortabel, laut und leidenschaftlich – so wird der offene GT zum verlockendsten Platz an der Sonne, den Mercedes seinen Kunden in diesem Sommer zu bieten hat.

Doch bevor man sich den Sturm um die Nase wehen lassen kann, muss man erst einmal nach Luft ringen – wenn der Händler den Preis aufruft. Denn bei 129.180 Euro für den offenen GT und 160.650 Euro für den GT C Roadster kann einem schon mal der Atem stocken – selbst wenn das Dach noch gar nicht offen ist.