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Bentley Flying Spur: Speerspitze im Luxusmarkt

Published in motosound.de

Länge läuft: Der Flying Spur misst fast 5,30 Meter – da hat man reichlich Raum auf allen Plätzen.

Nichts! Man hört einfach nichts. Obwohl vorn unter der imposanten Motorhaube ein Zwölfzylinder mit den Leistungsdaten eines Supersportwagens arbeitet und wir mit 150 Sachen über die Autobahn fliegen, ist im neuen Bentley Flying Spur kaum mehr zu hören als das Ticken der Armbanduhr: kein Motorsound, kaum Windgeräusche, selbst die Reifen geben Ruhe. Wer in diesem Auto sitzt, so lautet die Botschaft der Briten, der hat es geschafft und ist der Welt entrückt.

Das ist aber nur ein Grund, weshalb Bentley den neuen Flying Spur ganz ohne falsche Bescheidenheit schlicht als beste Luxuslimousine der Welt anpreist. Die Behauptung fußt auch auf einem Ambiente, das so üppig mit Lack und Leder ausstaffiert ist, wie man es sonst allenfalls noch von Rolls-Royce kennt. Sie beruht auf einem extrakomfortablen Luftfeder-Fahrwerk nach der Art„fliegender Teppich“. Und vor allem fußt sie auf dem eindrucksvollen W12-Motor. Denn mit 625 PS macht er den Flying Spur zum stärksten Viertürer in der Bentley-Geschichte und fährt mit 322 km/h gleich auch noch den Temporekord für die Limousinen der britischen VW-Tochter ein.

Im Reich der Mitte: 60 Prozent der Flying Spur verkauft Bentley mittlerweile in China.

Zwar schwärmt Projektleiter Ken Scott zurecht von dem Luxusliner, doch ist sein Blick natürlich auch ein wenig verklärt. Zum Beispiel übersieht Scott, dass der Nobelhobel beispielsweise weniger Assistenzsysteme hat als ein Kleinwagen. Während Autos, die nicht einmal ein Zehntel kosten, schon eine Notbremsautomatik oder wenigstens einen Totwinkel-Warner an Bord haben, kann der Bentley lediglich eine automatische Abstandsregelung bieten. Und auch das mit dem Gewicht ist so eine Sache: Ja, die Briten haben beim Update der Limousine 50 Kilo eingespart, weil jetzt die Haube aus Aluminium und der Heckdeckel aus Kunststoff gefertigt sind. Aber bei den 2,5 Tonnen des Fliyng Spur ist diese Diät in etwa so wirksam, als lasse man beim Zwei-Personen-Eisbecher aus Kaloriengründen die Waffel übrig. Und so stehen am Ende 14,7 Liter Verbauch im Datenblatt, wobei selbst bei zurückhaltender Fahrweise der Bordcomputer rasch 20 Liter oder mehr vermeldet. So what? werden die Briten fragen – was soll’s? Wer sich einen Bentley leisten kann, dem sind die Tankkosten herzlich egal. Und anstelle von Assistenzsystemen leistet sich der Bentley-Boy im Flying Spur eigentlich einen Fahrer. Nicht umsonst werden etwa 60 Prozent der Limousine in China verkauft, wo die meisten Kunden hinten rechts Platz zu nehmen pflegen.

Zwar trägt der Flying Spur die Verwandtschaft nicht mehr im Namen, doch natürlich gehört auch er in die Continental-Baureihe der Marke und macht deshalb einen eher evolutionären Generationswechsel mit. Während man bei Coupé und Cabrio schon fast zweimal hinschauen muss, um die Unterschiede zwischen vorher und nachher zu erkenne, gibt es bei der Limousine ein paar Hinweise mehr. Etwa der nun beinahe senkrecht stehende Kühlergrill oder die neuen Scheinwerfer. Auch die Flanke des 5,30 Meter langen Luxusliners wirkt aufgrund der von einem schwungvollen „B“ durchzogenen Sportwagenkiemen und den markanten Sicken deutlich dynamischer als zuvor und das Heck hat eine völlig neue Kontur bekommen: Die C-Säule ist breiter, der Heckdeckel sitzt tiefer und läuft länger aus. Das erinnert an die aktuellen Rolls-Royce-Modelle, die ja seit zehn Jahren von BMW verantwortet werden, lässt die Limousine aber viel flüssiger und eleganter aussehen.

Luxus total: Innen bietet der Flying Spur eine noble Lounge, die den Besitzer vor die Entscheidung stellt, lieber vorne links oder hinten rechts einzusteigen.

Außen ist der Bentley von einer fast barocken Eleganz, und auch innen gibt es Salon-Atmosphäre satt. Doch nach dem Austausch von mehr als 600 Bauteilen ist vom Mief der Monarchie in dem piekfeinen Interieur nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Mit einem aufwändigen Infotainment-System und riesigen Bildschirmen im Fond ist der Flying Spur in der Neuzeit angekommen und buhlt mit einer herausnehmbaren Touchscreen-Fernbedienung sogar um die Gunst der Generation iPhone – schließlich ist der Durchschnittskunde etwa in China kein ergrauter Earl, sondern ein Unternehmer von nicht einmal 40 Jahren. Mit dieser Fernbedienung, oder auf Wunsch mit einer identisch programmierten App fürs Mobiltelefon, lassen sich zahlreiche Komfortfunktionen von den Scheibenrollos bis zur Sitzheizung steuern, das Internet oder Filme von der 64 GB großen Festplatte auf die Monitore zaubern, das Navigationssystem programmieren oder auch im Fond die Daten des Bordcomputers verfolgen. Und weil manche Kunden selbst in diesen Kreisen noch ein wenig Arbeiten müssen, lässt sich der als Vier- oder Fünfsitzer bestellbare Prunkwagen auch zum mobilen Büro aufrüsten – Schreibtische und WLAN-Hotspot für acht Endgeräte inklusive. Dass unter dem Blech eigentlich noch immer der betagte VW Phaeton steckt, ist da längst vergessen.

Kraftpaket: Der W12-Motor mit sechs Litern Hubraum und 625 PS macht den Flying Spur zur bislang stärksten Limousine der Bentley-Geschichte.

Trotzdem sind die technischen Rahmenbedingungen natürlich gleich: Auch der Flying Spur fährt mit Allradantrieb und einem Zwölfzylinder in W-Form. Allerdings ist der bei Bentley nicht nur mit einer Achtgang-Automatik gekoppelt, sondern auch mit zwei Turboladern bestückt. Sie treiben die Leistung auf 625 PS und mobilisieren fette 800 Nm. Obwohl der Flying Spur mit 2,5 Tonnen ein rechtes Trumm ist, beschleunigt er mit einer fast gespenstischen Mühelosigkeit: Schub ohne Ende und ein Auftritt, der den Verkehr teilt wie Moses das Wasser. Auf 265er-Walzen rast das Auto in 4,6 Sekunden auf Tempo 100.

Während der Flying Spur auf der Autobahn mehr schwebt als fährt und man den Wagen auch bei mehr als 200 km/h noch mit dem kleinen Finger führen kann, muss man auf der Landstraße doch ein wenig arbeiten. Zwar bügelt die verstellbare Luftfederung

Elegantes Ende: Riesige Rückleuchten, eine weit auslaufende C-Säule und der Heckdeckel in Form des Tafelbergs kennzeichnen die jüngste Flying Spur-Auflage.

die meisten Bodenwellen glatt. Doch der Zweieinhalbtonner drängt selbst im etwas strammeren Sportmodus in engen Kurven vehement nach außen. So laut der Lockruf der Leistung auch sein mag und so behände der Flying Spur auch über steile Passstraßen fliegt, sollte man es dabei doch etwas langsamer angehen lassen. Sonst schwappt im Fond am Ende noch der Champagner aus den Kelchen und hinterlässt hässliche Flecken auf dem weißen Leder.

Selbst wenn er vielleicht nicht die beste Limousine der Welt ist, gehört der Wagen zu den eindrucksvollsten der aktuellen Luxusliner. Die Preisliste für das Auto beginnt bei 191.590 Euro. Zugleich allerdings stürzt er Bentley-Besitzer mehr denn je in ein Dilemma. Vorne links oder hinten rechts – selten war die Entscheidung über den besten Platz in einem Auto so schwer wie diesmal.

Original: Blog | MOTOSOUND

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