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Pagani Huayra: Der Herr der Winde

Published in motosound.de

Wo zur Hölle liegt San Cesario sul Panaro? Da muss sogar Google lange suchen. Nur Sportwagenfans finden den Vorort von Modena auf Anhieb. Denn dort baut Horacio Pagani einen Supersportwagen, der sogar einen Bugatti in den Schatten stellt: das Modell Huayra.

Flügelstürmer: Gegen den Pagani Huayra sind alle anderen Sportwagen ziemlich flügellahm.

Ist das noch fahren – oder schon fliegen? Man sitzt festgeschnallt in engen Lederschalen, ein hilfreicher Geist lässt von oben die Türen herunter gleiten, der Blick fixiert die Straße, ein Fingerzeig lässt den ersten Gang des im Heck quer montierten Getriebes einschnappen, der rechte Fuß senkt sich aufs Pedal – und ein einziger Gasstoss lässt das über viele Autofahrer-Jahre gewachsene System der PS-Koordinaten im Kopf zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Für einen winzigen Augenblick scheint die Erde noch still zustehen, dann explodiert im Nacken eine geradezu urzeitliche Gewalt und nichts ist mehr so wie es einmal war: man ist schneller auf Tempo 100, als man den Namen dieses Gefährts aussprechen kann. Wenn man den Fuß nur einen Hauch zu lange stehen lässt, hat man auch 200 oder gar 300 Sachen erreicht wie andere die Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn. Und selbst weit jenseits von 300 km/h ist der Schub noch so gewaltig, dass man den Führerschein am liebsten gegen eine Pilotenlizenz eintauschen würde. Denn ein Airbus hätte bei diesem Tempo längst abgehoben. Willkommen an Bord des Pagani Huayra – des exklusivsten Supersportwagens der Welt.

Top Gun auf italienisch: Wer am Steuer des Huayra sitzt, fühlt sich wie ein Jetpilot beim Start.

Gezeichnet und gebaut hat den Wagen der Argentinier Horacio Pagani, der sein Handwerk bei Lamborghini gelernt und den reichen Rasern dieser Welt sein Geschick bereits mit dem Zonda bewiesen hat. Nach 131 Autos in etwas mehr als zehn Jahren räumt dieser Renner jetzt die Startbahn für den Huayra, den Pagani nach dem Gott der Winde aus der Mythologie der Inka benannt hat. Den Namen trägt der Zweisitzer nicht nur wegen seiner Flügeltüren und der ausgefeilten Aerodynamik, die – mit vier riesigen Klappen an Front und Heck in jeder Fahrsituation individuell gesteuert – den optimalen Anpressdruck erzeugen. Den Namen rechtfertigt vor allem auch der stürmische Start: „Man soll sich fühlen wie ein Pilot, kurz bevor sein Jet abhebt“, sagt Pagani über sein Entwicklungsziel. Denn so, wie der Huayra anschiebt, und vor allem, wie er dabei klingt, kann man sich das nur bei einem Militärflugzeug vorstellen.

Turboschneller Straßenfeger: Bei 360 km/h Geschwindigkeit ist für den Huayra noch lange nicht Schluss.

Das urgewaltige Spektakel aus Brüllen und Fauchen, Zischen und Pfeifen kommt von einem sechs Liter großen Zwölfzylinder, den Pagani als einziges Teil am Auto nicht selbst entwickelt hat. Sondern der Motor stammt von der Mercedes-Tochter AMG, die dafür eigens den V12 aus dem SL 65 überarbeitet. Normalerweise ist AMG mit der Herausgabe von Bauteile ziemlich eigen. Dass der Zwölfender mit nun 730 PS und geradezu wahnwitzigen 1000 Nm jetzt als Organspende unter einer Haube aus Karbon in einem italienischen Sportwagen tobt, verdankt Pagani seinem väterlichen Freund und Gönner Juan Manuel Fangio. „Der hat mir damals bei Mercedes und AMG die Türen geöffnet“, erinnert sich der Firmenchef

Von 0 auf 100 in 3,3 Sekunden und ein Spitzentempo von mehr als 360 km/h – schon das macht den 1,17 Meter flachen und kaum 1,4 Tonnen schweren Huayra zu einem ziemlich einzigartigen Auto. Aber was den Wagen vollends in eine andere Welt katapultiert, ist sein Innenleben. Während man bei Lamborghini das Ambiente einer kühlen Kampfmaschine herauf beschwört und der neue Ferrari F12 innen ein nobler Gran Turismo und keinesfalls ein brachialer Sportwagen ist, wirkt der Pagani wie ein Schmuckkästchen auf Rädern, gegen das jeder Rolls-Royce beinahe schon blass und billig wirkt. Das Cockpit sieht aus wie vom Juwelier, es schillert und funkelt überall wie in der Schatzkammer von Ali Baba und wo zwischen Karbon und blankem Alu ein wenig Platz ist, gibt es handvernähtes Leder und Riemchen wie an den Übersehkoffern des vorletzten Jahrhunderts. Kein Wunder, dass selbst der faustgroße Zündschlüssel ein wahres Schmuckstück ist. Er wird binnen 20 Stunden aus einem vollen Alublock gefräst und kostet allein schon 1000 Euro. Irgendwie muss der Preis von 892.000 Euro ja zustande kommen – plus lokaler Steuern, versteht sich.

Organspende aus Affalterbach: Unter einem Ornat aus Gold und Karbon steckt ein V12-Motor von Mercedes AMG.

Gebaut wird der Huayra dort, wo die edelsten Supersportwagen der Welt herkommen: in der Emiglia Romagna. In einem Vorort von Modena steht die kleine Fabrik, in der immer vier Mechaniker rund vier Monate lang an einem Wagen arbeiten, nachdem sie jedes der 270 Bauteile aus Karbon-Titan-Gewebe vorher im Autoklaven gebacken und alle Zierteile aus vollen Aluminiumblöcken gefräst haben.

Die Konkurrenz in der Nachbarschaft hat Horacio Pagani locker im Griff: Kein Lamborghini aus dem nur wenig entfernten Sant’Agatha ist auch nur annähernd so scharf wie der Huayra. Und so lange auf der andren Seite der Autobahn in Maranello der Nachfolger des legendären Enzo noch fertig ist, gibt es auch keinen Ferrari, der seinem Modell ernsthaft das Wasser reichen kann.

Erst ein paar hundert Kilometer weiter im Nordwesten wird die Sache schwierig. Dort sitzt Bugatti und sticht den Huayra mit dem Veyron bei Preis und Power deutlich aus. Doch selbst im Vergleich zu dem 1000-PS-Sportwagen kann der Huayra zumindest in einer Disziplin mithalten: Mit einer Jahresproduktion von nicht einmal 50 Autos ist der Huayra die deutlich exklusivere PS-Pretiose. Aber all das hält Signore Horacio ohnehin für nebensächliche Diskussionen von Menschen, die sich nie ernsthaft mit dem Kauf solcher Fahrzeuge beschäftigen. „Für echte Kunden ist das keine Frage von entweder oder“, sagt der feinsinnige Argentinier. „Sondern in diesen Kreisen kauft man sowohl als auch.“

Original: Blog | MOTOSOUND

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