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Fahrbericht Renault Megane RS

Published in radical-mag.com

Das doppelte Flottchen

Friedlich, auch einigermassen flott rollt man einher über schön kurvige Landstrassen. Alles ist smooth, harmonisch, der Renault Megane RS fühlt sich gut an, höchst agil, sehr sauberes Einlenkverhalten, komfortabler als die andern «hot hatches» ist er auch noch, der Motor eine Freud‘, durchzugsstark und mit feiner Geräuschentwicklung. Und dann schaut man doch auch einmal auf den Tacho, und sieht: Himmel, viel zu schnell. Aber: so richtig viel. Das mögen unsere Freude und Helfer ja nicht besonders, aber für ein Fahrzeug im Segment des Franzosen ist das: ein gutes Zeichen. Gran Turismo hätte man dem wohl früher gesagt, Reisen mit hoher Durchschnittsgeschwindigkeit. Und das kann der Renault so richtig gut.

Szenenwechsel: Race Track. Während es vorher auf der Strasse ein Megane RS mit dem Sport-Chassis und dem 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe war, steht uns nun ein Cup-Chassis mit manuellem 6-Gang-Getriebe und mechanischer Torsen-Sperre zur Verfügung (45 Prozent, beim Vorgänger waren es noch 38 Prozent). Es ist dies, mit Verlaub, eine andere Welt. Das Fahrwerk des Cup ist um 10 Prozent härter, steifer ausgelegt – und schon ist da ein bisschen wie Go-Kart-Feeling. Das Ding macht auf der {topfebenen) Rennstrecke in Jerez keinen Wank, da knallt man grob über die Curbs, und man spürt es kaum, extrem souverän hält er die Spur, auch wenn man massiv auf der Bremse einlenkt. Unglaublich, was dies Fahrzeug an Grip aufbaut, sowohl längs wie quer, Race-Modus, also ESP off – und doch drehen die Vorderräder kaum je durch, es zieht und zieht und zieht. Klar, die 19-Zöller, doch dies in erstaunlich braven Dimensionen (Serie: 235/40 R19, für böser: 245/35 R19). Dazu bremst es gnadenlos (Brembo, vorne 335 Millimeter). Was der Megane auf der Landstrasse vorher souverän war, ist er jetzt auf der Rennstrecke das wahre Tier. Ob es allerdings für den Type R von Honda auch reicht? Wie auch immer, Renault wird wie üblich mindestens eine Trophy-Variante nachreichen, mehr PS (mindestens 300), mehr Drehmoment (mindestens 400 Nm) – und dann soll auch die Fünftürerfrontantriebsbestzeit für die Nordschleife wieder nach Frankreich geholt werden.

Bislang war der Megane RS ja mehr etwas für die Jünger des ganz schweren Fusses, der Zahnarzt musste die Plomben gut verankert haben. Mit der Zweiteilung des Angebots wollen die Franzosen nun ein grösseres Publikum abholen, das Cup-Chassis soll die schweren Jungs ansprechen, vom Sport-Chassis dürften aber auch eilige Väter angetan sein (zumal es ja keinen Dreitürer mehr gibt). Das dürfte funktionieren – von den ersten zwei Generationen wurden bislang über 53’000 Exemplare verkauft in 15 Jahren, da dürfte jetzt dank der «zivileren» Variante mehr drinliegen. Ganz besonders in der Schweiz, wo Fahrzeuge dieser Art ein dankbares Publikum haben.

Doch wenden wir uns doch den technischen Voraussetzungen zu: Angetrieben wird die dritte Generation des Megane RS von einem neuen 1,8-Liter-Vierzylinder-Turbo, der auch in anderen Renault seinen Dienst tun darf, dort aber nicht 280 PS und 390 Nm maximales Drehmoment zwischen 2400 und 4800/min abdrückt; der Turbo arbeitet nach dem Twin-Scroll-Prinzip und verfügt über zwei Lufteinlasskanäle, die für besseren Durchzug aus tieferen Drehzahlen sorgen sollen. Was auch stimmt, ein Turboloch ist eigentlich nur gerade bei Standgas spürbar. Die Kraftübertragung erfolgt, wie schon erwähnt, entweder manuell oder dann per EDC über je sechs Gänge auf die Vorderräder; es sei die händische Bedienung empfohlen, nicht bloss, weil sie mehr Fahrfreud‘ bringt, sondern auch deshalb, weil die Vorgänge des EDC nicht immer nachvollziehbar sind. Nicht ganz so wild wie bei gewissen Konkurrenten sind die vom Werk angegebenen Fahrleistungen: 5,9 Sekunden für den Sprint auf 100, 250 km/h mit Doppelkupplungsgetriebe, 255 km/h mit dem Handschalter. Als Durchschnittsverbrauch gibt Renault zwischen 6,9 und 7,2 Liter an, je nach Reifen und Getriebe. Gewicht: 1400 Kilo.

Die spannendste Frage ist wohl jene nach der 4-Rad-Lenkung. Ja, man spürt sie, erlebt sie, wie schon beim normalen Megane. Auf der Landstrasse nicht so sehr, da ist der Renault einfach ein erfreuliches Gerät, schön spurtreu, kurvengierig. Auf der Rennstrecke hingegen, da merkt man es in engen Bögen, da dreht sich der Wagen quasi von selbst um die Biegung – das ist in den ersten Kurven sogar etwas gewöhnungsbedürftig, doch man hat den richtigen Dreh schnell raus und dann in erster Linie Spass. Es ist ja ein aufweniges System, bei niedrigen Geschwindigkeiten lenken die Hinterräder bis zu 2,7 Grad in die Gegenrichtung der Vorderräder, bei hohen Tempi unterstützen sie die Spur, indem sie in die gleiche Richtung einlenken (wenn auch nur mit maximal einem Grad). Ganz neu sind die Stossdämpfer mit hydraulischem Endanschlag, eine Technik aus dem Rallye-Sport (und in ähnlicher, noch etwas elaborierterer Form auch bei Citroën Advanced Comfort verwendet), quasi ein Stossdämpfer im Stossdämpfer, der beim Sport-Chassis den Komfort erhöht – und in der Cup-Version mehr Stabilität bringen soll. Oder, eben: bringt.

Optisch ist der Megane RS nicht so wild wie frühere Versionen oder gewisse Kontrahenten, erfreulich zurückhaltend wurde er gestaltet. Klar verfügt er über die typischen Insignien, aber es gibt keine groben Spoiler oder dicke Backen, auffälligstes Anbauteil ist sicher der Diffusor. Auch innen ist fast alles wie bei den anderen Megane, mit Ausnahme der (ausgezeichneten) Sitze. Schönes Detail: die Alu-Pedale. Die Bedienung ist so ergonomisch, wie sie in einem modernen Fahrzeug sein muss, Renault geht da einen guten Mittelweg zwischen noch vorhandenen Schalter und Hebelchen sowie dem Bediensystem über den grossen Touchscreen. Auf diesem gibt es allerhand Spielereien, es lassen sich sogar die Telemetrie-Daten zu Videos verarbeiten. Ach ja: Head-up-Display. Damit man auch sieht, wie viel zu schnell man unterwegs ist. So ganz allgemein verbleibt der Megane auch als RS eines der interessantesten, cleversten Fahrzeuge in der Golf-Klasse, mit einem überdurchschnittlichen Raumangebot (und einem leider nicht sonderlich grossen Kofferraum mit einem Volumen von weniger als 300 Litern).

Geld, genau, wir müssen noch über den Preis reden. Zu haben ist der Renault Megane RS ab 37’900 Franken mit dem manuellen Getriebe, für das EDC werden noch 1700 Franken zusätzlich fällig. Die Grundausstattung ist mehr als anständig, die Aufpreisliste angenehm kurz. Damit gehört der Franzose allein schon preislich zu den guten Angeboten unter den «Hot Hatches». Zählt man noch sein Fahrfreudevermögen dazu, dann steht er ganz weit oben auf der Liste, vor allem mit dem Cup-Chassis. Das auch dann die erste Wahl sein kann, wenn man nicht jedes Wochenende auf der Rennstrecke verbringt.

Mehr Renault gibt es alleweil in unserem Archiv.

Der Beitrag Fahrbericht Renault Megane RS erschien zuerst auf radicalmag.