Open Menu
Open Menu
 ::

Test Honda NSX

Published in radical-mag.com

Wie Butter

Selbstverständlich haben all die elektronischen Helferlein unser Fahrverhalten in den vergangenen Jahren verändert. Noch vor kurzem wäre es nicht möglich gewesen, grob auf der Bremse doch noch präzis in die Kurve einzulenken – um Sekundenbruchteile später schon wieder heftig ins Fahrpedal zu treten. Heute, in der x-ten Generation von ABS und ESP, sind Rechner und Sensoren derart fein abgestimmt, dass sie wohl besser (und schneller) reagieren als der Fuss auch des talentiertesten Piloten. Und auch ein solcher keinerlei Einfluss auf die Lenkung verspüren kann. Wir haben das kürzlich schon beim Lamborghini Huracan Performante ausführlich beschrieben, es gilt dies auch für den Honda NSX. Es ist wirklich erstaunlich, erfreulich, was da möglich ist, man kann auch auf der offenen Strasse eine ganz andere Linie fahren, direkter, brutaler – und das Fahrzeug quittiert das mit einem Lächeln.

Das geht selbstverständlich nur, wenn (und weil) der Wagen perfekt ausbalanciert ist. Und da haben wir beim Honda NSX halt wieder einmal ein solches Wunderwerk der Technik, ein Gerät, in das Heerscharen von Ingenieuren lange Jahre viel Hirnschmal investiert haben, um es grossartig zu machen. Es hat eine kleine Ewigkeit gedauert, bis die erste Generation des damals schon wunderfeinen NSX (1990 bis 2005) einen Nachfolger erhalten durfte, das erste Konzept wurde schon Anfang 2012 vorgestellt, die ersten Fahrzeuge dann Mai 2016 in den USA , wo der Honda auch entwickelt wurde und gebaut wird, ausgeliefert, als Acura NSX. Nach Europa kamen die ersten Exemplare erst in diesem Sommer, als Honda NSX; pro Jahr sollen etwa 1500 Stück entstehen, derzeit ist die Warteliste ziemlich lang (in die Schweiz sollen gerade einmal 15 Stück pro Jahr kommen…).

Der NSX ist das Filet unter den aktuellen Sportwagen, technologisch. Im Zentrum des Antriebs steht ein 3,5-Liter-V6-BiTurbo, der auf 507 PS bei 6500/min kommt. Zwischen Motorblock und dem 9-Gang-Doppelkupplungsgetriebe sitzt ein erster kleiner Elektromotor, der es auf 48 PS Leistung und 147 Nm Drehmoment zwischen 500 und 2000/min bringt und direkt mit der Kurbelwelle des Verbrenners verbunden ist, um ein allfälliges Turboloch überbrücken zu können. An der Vorderachse arbeiten noch einmal zwei E-Motoren mit je 37 PS, die den Honda erstens zum Allradler machen und zweitens nach dem Torque-Vectoring-Prinzip arbeiten können, das Drehmoment also an jenes Rad bringen, das es nötig hat (während das andere sanft abgebremst wird). Die Systemleistung beläuft sich auf 581 PS, das maximale Drehmoment auf 645 Nm (zwischen 2000 und 6000/min). Honda gibt für den Sprint von 0 auf 100 km/h einen Wert von 2,9 Sekunden an (der aber in den bisherigen Tests noch nie erreicht wurde), die Höchstgeschwindigkeit mit 307 km/h.

Wie üblich bei Honda: das läuft wie geschmiert. Nichts, aber gar nichts spürt man vom Einsatz der E-Motoren (ausser: man rollt rein elektrisch einher), kein Rucken, kein Zucken, die Einbindung ist perfekt. Man muss aber auch nicht erwarten, dass der Strom den ganz grossen Knall verursacht beim Beschleunigen – das ist alles ganz sanft, da wird die ganz feine Klinge geführt, der Pilot soll ja nicht überfordert werden. Und das ist die ganz grosse Kunst beim NSX: man ist unfassbar schnell – und merkt es gar nicht so richtig. Im Gegensatz zu einem Porsche 911 Turbo S, den wir als zu perfekt bezeichnet haben, verursacht der Japaner aber trotzdem Gänsehaut, denn er stellt trotz aller Elektronik das fahrerische Können in den Vordergrund – man ist so schnell, wie man es halt kann. Und einmal mehr ist halt so, dass den meisten Fahrern sowohl Mut wie auch Talent längst ausgegangen sein werden, wenn der Honda dann so langsam warm wird.

Der Sound des V6-BiTurbo wird nicht der wichtigste Kaufgrund werden – seine Kraftentfaltung hingegen ist ein Argument, das quasi alle Konkurrenten schlägt. Klar, Turbo, aber eben auch elektrische Hilfe – und deshalb ist der Schub wunderbar linear, der Honda zieht quasi ab Leerlaufdrehzahl bestens ab. Und das dann bis 7500/min, ohne Unterbruch. Das Doppelkupplungsgetriebe verkraftet das massive Drehmoment problemlos, ins Stottern kommt es eher, wenn man nicht ganz auf 0 abbremst und dann wieder auf den Pinsel tritt. Unter Zug sind die Schaltvorgänge ausgezeichnet, kaum mehr spürbar, auch in der sportlichsten Einstellung nicht. Und Kraft ist in jedem Drehzahlbereich vorhanden, auch wenn man vom friedlichen Gleiten plötzlich in den hardcore-Modus übergehen will. Es ist in diesem Zusammenhang auch noch kurz der Verbrauch erwähnt: Das Werk nennt genau 10 Liter, wir schafften es auf der Schweizer Autobahn aber auch locker unter 8 Litern. Und am Berg dann auf über 20.

Auch das Fahrwerk können wir nur in den höchsten Tönen loben. Grossartig, wie der NSX auch richtige üble Gassen plättet, noch besser, wie er sich um Kurven bewegt, weite, auch enge, es gibt keine spürbare Seitenneigung – und trotzdem reichlich Komfort. Die Lenkung ist wunderbar direkt und präzis. Doch was vielleicht am meisten bewunderswert ist: der Grip ist Jenseits. Klar tragen da die Reifen (Continental SportContact 6) viel dazu bei, doch es halt auch die schon angesprochene Balance des Wagens, die fast unendliche Haftung ermöglicht. Bestens auch das Bremsverhalten, da wird bei Bedarf ein grosser Anker geworfen – und der Wagen wird nicht leicht hinten, er bleibt einfach in der Spur, fährt genau dorthin, wo man ihn haben will. Das kann auch Porsche nicht besser. Aber: der NSX ist halt leider 1,8 Tonnen schwer. Dies trotz Alu-Space-Frame. Aber da sind halt auch noch die Batterien. Die wurden zwar clever platziert, doch am Ende sind Kilos Kilos, und auf der Rennstrecke wird man die spüren.

Innen ist ja so ein 911er auch nicht gerade der Inbegriff an Moderne. Honda ist da etwas mutiger, grosser Bildschirm, aber halt auch gut überblickbare Instrumente; das Bediensystem ist allerdings nicht ganz frei von Rätseln. Und das Navi nicht immer auf der Höhe der gerade gestellten Anforderungen. Und tja, der Materialmix ist auch nicht über jeden Zweifel erhaben. Dafür sind die Sitze ausgezeichnet, Schraubstöcke, die trotzdem bequem sind, auch auf längeren Strecken. Das Platzangebot ist so, wie es in solchen Sportwagen halt ist; das Kofferräumchen fasst 110 Literchen.

Zum Glück haben die Japaner auch am Design des NSX intensiver gearbeitet als beim Civic Type R. Klar, bei solchen Mittelmotor-Sportwagen ist es offensichtlich: form follows function. Doch das haben sie sauber hingekriegt, eigenständig mit scharfen Kanten, praktisch ohne Spoiler, sogar eine gewisse Eleganz strahlt der Wagen aus. 4,49 Meter lang ist, 1,94 Meter breit, nur 1,2 Meter hoch. Das ist alles sehr sauber zusammengefügt, aber das konnte Honda schon immer, die Fahrzeuge sind hochwertig, qualitativ einwandfrei. Das darf man für einen Grundpreis von 216’000 Franken aber auch erwarten.

Also: er ist teuer. Und er ist schwer. Doch der Honda NSX ist trotzdem ein grossartiges Gerät, das unter den Supersportlern als Hybrid derzeit alleine dasteht – und wunderbare Fahrfreud‘ vermittelt. Der technologische Aufwand ist gigantisch, doch als Fahrmaschine kann der Japaner nicht nur Techno-Freaks überzeugen, sondern auch uns hardcore-Sauger-Heckantrieb-Handschalter-Freunde. Noch selten waren wir derart begeistert von einem Automobil; da haben wir über uns selber ein bisschen gestaunt.

Mehr Honda haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Honda NSX erschien zuerst auf radicalmag.